Bis jetzt ein rechtsfreier Raum - Neue weltweite Steuer soll jetzt eins der größten Klima-Probleme lösen

In die Bemühungen um den Klimaschutz auf hoher See kommt Bewegung. Eine wachsende Zahl von Ländern macht sich bei der International Maritime Organization (IMO) dafür stark, den Treibhausgasausstoß von Seeschiffen nicht nur mit technischen Vorgaben, sondern auch mithilfe eines „ökonomischen Elements“ zu mindern – sprich: mithilfe einer Abgabe auf den Ausstoß von Treibhausgasen. Es wäre die erste weltweit erhobene Klimaschutzabgabe.

Zu ihren Befürwortern gehören einige vom Meeresspiegelanstieg bedrohte pazifische Inselstaaten, sämtliche EU-Mitgliedsländer und vor allem Panama, Liberia und die Marshall Islands. Noch sind sie in der Minderheit. Aber unter ihrer Flagge verkehrt mehr als die Hälfte aller Seeschiffe, gemessen an der Tonnage. Für die Willensbildung bei der IMO hat das hohen Symbolwert. Deshalb dürften die Chancen für eine Einigung gut stehen.

Mitte Februar werden die Verhandlungen auf Arbeitsebene fortgesetzt, im April soll eine Einigung erzielt werden, die im Herbst final abgesegnet werden könnte. Unklar ist, wie die neue US-Regierung unter Donald Trump in der Sache agiert – und ob die übrigen IMO-Mitglieder sie im Ernstfall überstimmen würden.

In Europa gibt es schon eine Abgabe

Auf den Weltmeeren sind mehr als 100.000 Schiffe unterwegs, vor allem Frachter. Sie wickeln 90 Prozent des Welthandels ab, verbrauchen jährlich rund 300 Millionen Tonnen fossile Treibstoffe und sorgen für rund drei Prozent der globalen Emissionen von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO₂) – weitgehend unbehelligt von Vorschriften.

Lediglich Schiffe, die in den Europäischen Wirtschaftsraum einfahren oder ihn verlassen, müssen für jede Tonne CO₂ einen Preis bezahlen. Der Grund: 2024 wurde der Seeverkehr in den Europäischen Emissionshandel (ETS) einbezogen. Die hiesigen Reeder sehen darin ein Hindernis für den globalen Handel und drängen auf weltweit einheitliche Vorgaben – so, wie sie bei der IMO jetzt zur Debatte stehen. Das europäische Regelwerk müsse dann „rasch mit dem internationalen System harmonisiert werden, sobald es beschlossen ist“, fordert der Verband Deutscher Reeder (VDR).

Die große CO2-Lücke

Seeschiffe sind zwar in puncto Energieeffizienz besser als jedes andere motorisierte Transportmittel. Doch der wachsende Welthandel lässt ihre CO₂-Emissionen steigen. Weil diese einzelnen Verursacherstaaten kaum zuzurechnen sind, werden sie bei der Entwicklung nationaler Klimaziele nicht berücksichtigt. Darauf hat man sich im Rahmen der UN-Verhandlungen zum globalen Klimaschutz geeinigt. Allerdings wurde schon bei der ersten UN-Klimakonferenz 1995 in Berlin beschlossen, dass die IMO sich der Sache annehmen solle.

Die IMO ist die UN-Sonderorganisation für Angelegenheiten des internationalen Seetransports. Ihr gehören 176 Mitgliedsländer an. Bisher liegt ihr Fokus darauf, Standards für einen sicheren Schiffsbetrieb zu setzen – auf der Basis etablierter, also fossiler Antriebstechnologien. Doch zur Entwicklung innovativer, klimaverträglicher Antriebssysteme hat die in London ansässige Behörde bisher wenig beitragen können.

Dafür gibt es einige Gründe: zu wenig Personal für Forschung und Entwicklung, Unklarheit über das Mandat der Behörde und das Streben nach Konsens, heißt es im Fachblatt Marine Policy. Laut Gesetz sind Mehrheitsentscheidungen zwar möglich, doch tatsächlich herrscht „eine ausgeprägte Kultur und Tradition, Entscheidungen im Konsens zu treffen“, so eine Analyse des Aspen Institute.

Neue Technik für "Netto null"

Das lähmt die Entscheidungsprozesse. Erst 2018 konnten sich die IMO-Mitglieder auf einen obendrein wenig ambitionierten Plan zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen einigen. 2023 wurde das Ambitionsniveau angehoben. Nun heißt es, die Treibhausgasemissionen der Seeschifffahrt sollten um das Jahr 2050 herum „netto null“ betragen.

Ozeanschiffe haben eine Lebensdauer von bis zu 40 Jahren. Wenn die Schifffahrt um 2050 herum klimaneutral sein soll, muss also schnell gehandelt werden. Hier kommt der Vorschlag ins Spiel, den Ende Dezember vergangenen Jahres 47 Länder mit Unterstützung der International Chamber of Shipping (ICS), der Interessenvertretung der Schiffseigner und -betreiber, gemacht haben, und der jetzt auf der IMO-Tagesordnung steht: eben eine Abgabe auf die Treibhausgasemissionen von Schiffen. In dem Papier werden auch Beträge genannt, die allerdings sämtlich noch in eckigen Klammern stehen, also umstritten sind: 18,75 US-Dollar, 100 US-Dollar oder 150 US-Dollar – jeweils pro Tonne emittiertem CO₂-Äquivalent.

Kommt die Abgabe, hätten die Betreiber einen Anreiz, den Energieverbrauch ihrer Schiffe zu reduzieren. Optimierte Formen von Schiffsrümpfen können dazu beitragen, ebenso wie Segel zur Unterstützung der Schiffsdiesel, besseres Flottenmanagement oder die Reduzierung der Geschwindigkeiten. Damit und mit einigen weiteren Maßnahmen ließen sich die Emissionen laut IMO relativ kurzfristig um rund ein Drittel senken. „Netto null“ erfordert indes vollkommen neue Antriebssysteme: emissionsarme oder -freie Treibstoffe, passende Motoren und die erforderlichen Hafeninfrastrukturen. All das ist weltweit und in großem Maßstab längst nicht verfügbar.

Ärmere Länder melden Ansprüche an

Die Abgabe kann deshalb kurzfristig nur eine begrenzte Lenkungswirkung haben, ihr primärer Zweck ist die Erzielung von Einnahmen. Eine wachsende Zahl ärmerer Länder hat bereits Ansprüche darauf angemeldet, als Kompensation für befürchtete Nachteile beim Im- und Export. Andere drängen darauf, die erwarteten Milliarden im maritimen Sektor zu verwenden: unter anderem für die Entwicklung CO₂-freier oder -armer Treibstoffe – und für die Förderung von deren Markthochlauf.

Als aussichtsreichste Kandidaten für die neuen Treibstoffe gelten E-Methanol und E-Ammoniak – erneuerbare Energieträger, die mit per Elektrolyse CO₂-frei erzeugtem Wasserstoff hergestellt werden. Die Abgabe kann ihre Nutzung beschleunigen, sie kann aber nicht verhindern, dass auf diese Weise der Transport auf den Weltmeeren deutlich teurer wird. Weil die Transportkosten nur einen geringen Anteil an den Produktpreisen ausmachen, sind die Effekte auf das weltweite Wirtschaftswachstum und das Preisniveau aber fast zu vernachlässigen, so die IMO-Folgenabschätzung.

Ob die neue US-Regierung das Vorhaben torpedieren wird, darüber kann bisher nur spekuliert werden. Fest steht indes: In der Seeschifffahrt spielt das ansonsten so mächtige Land nur eine kleine Rolle – nur 0,6 Prozent der weltweiten Tonnage verkehren unter US-Flagge.

Von Fritz Vorholz

Das Original zu diesem Beitrag "Schiffsverkehr: Warum bald eine weltweite CO₂-Abgabe kommen könnte" stammt von Table.Briefings.