Folgen von Flutkatastrophe: Söder wittert „Skandal“ – und schießt gegen Ampel

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Bei der Kabinettssitzung im Kloster Weltenburg warf Markus Söder der Ampel-Regierung vor, Bayern nach der jüngsten Flut-Katastrophe nicht zu helfen.

Kelheim – Eigentlich sollte es bei der Kabinettssitzung der bayerischen Regierung aus CSU und Freien Wählern (FW) im Kloster Weltenburg um zukünftige Maßnahmen für den Hochwasserschutz im Freistaat gehen. Ministerpräsident Markus Söder ließ sich die Gelegenheit jedoch nicht entgehen, gegen die Ampel-Regierung in Berlin auszukeilen. Während der Rückfahrt auf dem Ausflugsschiff MS Kelheim warf er ihr in idyllischer Kulisse vor dem Donaudurchbruch vor, Bayern nach der Hochwasser-Katastrophe, die im Juni den Süden Deutschlands getroffen hatte, im Stich gelassen zu haben.

Damals hatten die Wassermassen in Bayern Schäden in Milliardenhöhe angerichtet und die Leben von mindestens fünf Menschen gefordert. Sie hatten die Evakuierung von 7000 Haushalten und den Einsatz von mehr als 84.000 Helferinnen und Helfern nötig gemacht. Insbesondere die FW standen danach in der Kritik, da sie maßgeblich auf den Stopp des Polderbaus im Jahr 2018 hingearbeitet hatten. In Weltenburg unterstrich der FW-Umweltminister Thorsten Glauber in der Manier des Paulus gewordenen Saulus, dass man „als Staatsregierung natürlich an diesem 2020/21 beschlossenen Konzept“ festhalte, „das heißt auch, alle Polder, die wir damals beschlossen haben, sind im Umsetzungsverfahren.“

Politiker Markus Söder (CSU), Ministerpräsident des Landes Bayern und Parteivorsitzender der CSU, beim CSU-Bezirksempfang Mittelfranken in Nürnberg am 04.10.2023, wenige Tage vor der Landtagswahl in Bayern.
Markus Söder erzürnt sich über die Ampel-Koalition: Nichts hätten SPD, Grüne und FDP infolge der Hochwasserkatastrophe für Bayern getan. © IMAGO/Panama Pictures/Dwi Anoraganingrum

Söder teilt gegen Berlin aus: „Skandal“ und „Wortbruch“ nach Flut-Katastrophe

Söder sah währenddessen keinerlei Anlass, zu Kreuze zu kriechen. Gegen die Ampel wetterte er stattdessen: „Nichts, bislang gar nichts, ist an Hilfe gekommen.“ In den „großen Flutaufbaufonds“ solle Bayern „nur einzahlen, bekommt aber nichts raus.“ Ähnlich sehe es bei den Soforthilfen aus. „Wir empfinden es als Skandal“, polterte der bayerische Ministerpräsident.

Gegenüber dem Tagesspiegel konterte eine Regierungssprecherin, dass die Bundesregierung „die betroffenen Länder“ durchaus „mit Kräften von THW, Bundeswehr, Bundespolizei und dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe“ unterstützt habe. Außerdem vereinfachte das Bundeswirtschaftsministerium Förder-Verfahren für die Sanierung und den Neubau der Häuser von Flutopfern.

Söder: Habeck und Scholz „standen uns und den Helfern quasi auf den Füßen“

Darüber hinaus warf er den Bundesministern Robert Habeck (Grüne), Nancy Faeser (SPD), Claudia Roth (Grüne) und auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor, dass sie zwar so schnell wie möglich ins Katastrophengebiet geeilt seien, aber nur, um sich dort zu zeigen: „Sie standen uns und den Helfern quasi auf den Füßen“, behauptete Söder. „Es wurden Versprechen gemacht, die nicht eingehalten wurden, ein klarer Wortbruch“, kritisierte er weiter. In Wirklichkeit gab keines der Regierungsmitglieder konkrete Versprechen über etwaige Bundeshilfen ab.

Das Grundgesetz legt nämlich fest, dass die betroffenen Länder im Fall von Naturkatastrophen selbst für den Schadenersatz zuständig sind. Söder zog jedoch eine Parallele zum Ahrtalhochwasser von 2021. In Fällen wie diesem habe Bayern bis zu einer Milliarde für die Unterstützung anderer in den Flutaufbaufonds eingezahlt, werde auf der anderen Seite aber komplett allein gelassen. Er akzeptiere nicht, so der CSU-Ministerpräsident, dass „Solidarität für alle gilt, nur nicht für Bayern“.

Bayern muss endlich die finale Schadensanalyse liefern, um Hilfsgelder zu erhalten

Bundesländer erhalten nur Gelder aus dem Flutaufbaufonds, wenn es sich um ein Hochwasser nationalen Ausmaßes handelt. Ob das der Fall ist, bestimmt die Bundesregierung, doch das ist Söder egal. Fest steht, dass eine Studie des Wirtschaftsministeriums die Schäden durch die Überschwemmungen im Ahrtal auf mehr als 40 Milliarden Euro bezifferte, was etwa dem Achtfachen der jüngsten Hochwasser-Schäden in Bayern entspricht.

Eine detaillierte Schadensanalyse, die Voraussetzung für eine Entscheidung über Bundes-Hilfsgelder sei, habe Bayern außerdem noch überhaupt nicht vorgelegt, sagte ein Regierungssprecher dem Tagesspiegel. Man werde „die betroffenen Regionen“ wie das Ahrtal „mit einem Sondervermögen“ entlasten, versicherte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Jamila Schäfer, mahnte aber ebenfalls: „Statt die Menschen zu verunsichern, sollte Markus Söder lieber endlich die finalen Zahlen an den Bund liefern.“

Bayern-Kabinett: 30 Millionen Euro für die Instandsetzung von Hochwasserschutz-Anlagen

Einige konkrete Ergebnisse gab es bei der Kabinettssitzung dennoch. 30 Millionen Euro will die Staatsregierung aufwenden, um Schäden zu beheben, die die Juni-Flut an Hochwasserschutz-Anlagen verursachte. Holger Grießhammer, Chef der SPD-Landtagsfraktion, kritisierte diesen Betrag allerdings als viel zu niedrig: „Allein Günzburg hat sieben Millionen Euro Schaden an der Infrastruktur.“ Das sieht auch die Staatsregierung: „Perspektivisch“ benötige man laut Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) ab 2026 weitere 100 Millionen Euro für den Hochwasserschutz.

Es handelt sich allerdings nicht nur um eine Frage des Geldes. Das zeigt der Stillstand bei geplanten Projekten wie dem Bau von Rückhaltebecken, der darauf zurückzuführen ist, dass die nötigen Flächen dafür nicht oder nur mühsam und langwierig akquiriert werden können. In diesem Zusammenhang fiel selbst aus Glaubers Freiem-Wähler-Mund der Begriff ‚Enteignung‘, den Hubert Aiwanger und Co doch sonst so selbstverständlich mit der Politik der Grünen in Verbindung bringen. Einsilbig wischte Söder in Weltenburg den Vorstoß des Koalitionspartners weg: „Unser Grundziel ist immer Freiwilligkeit vor Zwang.“

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