„Ein Kind auf schlimmste Weise gedemütigt“: Richterin wird in Vergewaltigungs-Prozess wütend
Wegen Vergewaltigung und Sex mit einer 13-Jährigen wurde ein Tölzer zu einer Haftstrafe verurteilt. Das Plädoyer seines Verteidigers hatte die Richterin in Rage gebracht.
Bad Tölz/Wolfratshausen – Die Richterin machte aus ihrem Eindruck, den sie während des Prozesses von dem jungen Mann auf der Anklagebank gewonnen hatte, kein Geheimnis. „Sie sind ein klassischer Sexualstraftäter“, hielt sie dem 21-jährigen Tölzer vor, der soeben vom Jugendschöffengericht am Amtsgericht Wolfratshausen wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 31 Fällen, davon einmal in Tateinheit mit Vergewaltigung, zu einer Jugend-Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden war.
21-jähriger Tölzer wegen Missbrauch und Vergewaltigung vor Gericht
Der Beschuldigte führte im Spätsommer/Herbst 2021 eine Beziehung mit einer 13-Jährigen aus einer Gemeinde im Landkreis Weilheim-Schongau, die er über eine Dating-Plattform im Internet kennengelernt hatte. Obwohl ihm das Alter des Mädchens bekannt gewesen sei, so heißt es in der Anklage, hatten die zwei in den wenigen Monaten ihres Beisammenseins regelmäßig und einvernehmlich Geschlechtsverkehr.
Mitte oder Ende Dezember desselben Jahres soll der damals 19-Jährige das Mädchen dann auf einem Supermarktparkplatz gezwungen haben, ihn oral zu befriedigen. Diese Art der Vergewaltigung sei „eine Machtdemonstration, die nicht zu ertragen ist“, so die Richterin.
Angeklagter bestreitet Vorwürfe
Der Angeklagte, der sich zur Sache äußerte, indem er seinen Verteidiger eine mehrere Seiten umfassende Erklärung verlesen ließ, bestritt beide Vorwürfe: „Ich habe das Alter nicht gewusst, und die Situation beim Supermarkt hat so nicht stattgefunden.“ Die Verteidigung war bemüht, die Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit des Mädchens, das behauptet hatte, den Angeklagten schon vor ihrem ersten Treffen über ihr wahres Alter informiert zu haben, zu erschüttern.
Mehrere Zeugen sollten Zweifel an den Zeitangaben des Mädchens zum Kennenlernen der beiden untermauern. Das erwies sich als Bumerang, weil ihr Mandant diesbezüglich auch nicht mit dem besten Erinnerungsvermögen ausgestattet war und sich in seiner Einlassung gleich mal um ein ganzes Jahr vertan hatte.
Plädoyer des Rechtsanwalts macht Richterin wütend
Die 13-Jährige hatte in ihrer zweieinhalbstündigen ermittlungsrichterlichen Vernehmung, die per Video in der Verhandlung gezeigt worden war, erklärt, sich nach der Vergewaltigung in einem 70 Zentimeter breiten Durchgang neben dem Supermarkt noch mit dem Angeklagten zu Freunden auf den Parkplatz gesetzt und in den nächsten Tagen auch noch Sex mit ihm gehabt zu haben. Diese Tatsache sprach für Rechtsanwalt Jost Hartman-Hilter „dafür, dass das keine Gewalt war. So was mache ich nicht mit meinem Peiniger.“
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Die Sichtweise brachte Richterin Friederike Kirschstein-Freund in Rage. „Sie ist 13, sie wird vergewaltigt von dem Mann, den sie liebt, von dem sie emotional massiv abhängig ist“, wandte sie sich an den Rechtsanwalt. „Niemandem hier in diesem Raum steht es zu, daraus Rückschlüsse zu ziehen, ob das Verhalten nachvollziehbar ist. So etwas in einem Plädoyer zu hören macht mich wütend.“
Tölzer zu drei Jahren und neun Monaten verurteilt
Das Mädchen habe nach dem Vorfall weiter Sex mit dem Beschuldigten gehabt, um ihn nicht zu verlieren, erinnerte die Richterin an Aussagen des Opfers. Dem Angeklagten warf sie vor, die emotionale Abhängigkeit des Mädchens ausgenutzt zu haben, „um Ihre eigenen sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen, in einem Umfang, den Sie bestimmt haben.“ Er habe der 13-Jährigen gegenüber „keinerlei Empathie“ gezeigt. Als diese ein paar Tage nach der Tat am Supermarkt ein Treffen mit dem Angeklagten abgelehnt hatte, „weil sie es nicht packte“, so die Richterin, habe der Mann die Beziehung beendet.
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Das Mädchen sei danach psychisch und körperlich am Ende gewesen, berichtete die Mutter. „Sie haben ein Kind auf die schlimmste Weise gedemütigt“, stellte Richterin Friederike Kirschstein-Freund fest. Mit dem Strafmaß von drei Jahren und neun Monaten übertraf das Schöffengericht den Antrag von Staatsanwältin Finja Schwarz, die drei Monate weniger gefordert hatte. Die Verteidigung war der Meinung: „Der Angeklagte ist freizusprechen.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.