Hightech-Coup gegen Putin: Alte F-16-Kampfjets erhalten neues Schutzschild

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Sechs auf einen Streich: Mit vier Luft-Luft-Raketen und seiner Bordkanone hat Anfang des Jahres ein ukrainischer Pilot mit seiner F-16 sechs russische Marschflugkörper vom Himmel geholt. Die Bewaffnung der Maschinen hängt vom jeweiligen Auftrag ab – manchmal belegen Zusatztanks die Waffen-Steckplätze. © IMAGO / Mike Mareen

Die F-16 wird den Westen noch in etlichen Jahren verteidigen: Die USA tüfteln sowohl an effektiverem Schutz als auch an einer Entwicklung zur Drohne.

Washington, D.C. – „Die Fortschritte im Bereich der elektronischen Kampfführung, die dieses System mit sich bringt, werden dafür sorgen, dass die Piloten dieser Flugzeuge auch weiterhin nach Hause kommen“, sagt Anthony Pipe gegenüber Airforce Technology. Laut dem Testpiloten der US-Luftwaffe biete das neue Viper Shield-System für F-16 Kampfjets einen Leistungssprung – möglicherweise kann auch die Ukraine gegen Wladimir Putins Invasionsarmee vom neuen Panzer für seine gespendeten Maschinen profitieren; verschiedene Länder sollen schon Schlange danach stehen.

Wie das Magazin Defense Express erläutert, sei Viper Shield, den Angaben des Herstellers L3Harris zufolge, ein virtueller „elektronischer Schild“, der die Flugzeugzelle im Kampf einhülle und damit die Überlebenschancen in einer lebensbedrohlichen Situation erhöhe. Viper Shield werde Gefahren, die das Radar anzeigt, frühzeitiger erkennen und mit „fortschrittlichen Störreaktionen“ beantworten, so das Unternehmen. „Das Viper Shield-System in Kombination mit einer Block 70-Flugzeugzelle bietet einen Leistungssprung im Vergleich zur herkömmlichen Block 50 Viper, mit der ich meine Laufbahn begonnen habe“, so Testpilot Pipe.

Modernisierter Kampfjet: „Mit diesem Meilenstein sind wir bereit, die Flugtests fortzusetzen“

„Block“ bedeutet insbesondere im Zusammenhang mit der F-16 verschiedene Versionen beziehungsweise Produktionsserien, die spezielle technische Spezifikationen aufweisen. Die folgende Block-Nummer bezeichnet insofern technische Verbesserungen, die in die neue Produktionsserie eingeflossen sind. Die aktuelle Version der F-16 ist die Block-70-Serie. Nach Medienberichten wird das Viper Shield aktuell auf der Edwards Air Force Base in Kalifornien vom dort stationierten 412. Testgeschwader weiterentwickelt zur Serienreife. Produziert werden solle zeitnah. Laut Herstellerangaben werde sich das risikoarme und kostengünstige System mit lediglich minimalen Flugzeugmodifikationen in verschiedene F-16-Blöcke integrieren lassen und maximalen Schutz versprechen zu einem günstigen Preis.

„Er sieht immer noch aus, als gehöre er in die Zukunft.“

Army Recognition schreibt, dass diese neu entwickelte Lösung zur elektronischen Kriegsführung in F-16 von sechs Ländern integriert werden soll, ein siebtes Land sei interessiert. Das Magazin Airforce Technology berichtet, in der Block 70/72-Variante der F-16 arbeite jetzt ein hochauflösendes zentrales Podestdisplay, das Piloten ermöglicht, Daten vom AESA-Radar (Active Electronically Scanned Array – Radar mit elektronischer Strahlschwenkung) und den Zielbehältern (Unterstützung der Zielerfassung) effektiver zu nutzen. Laut Airforce Technology werde aktuell erprobt, inwieweit der Missionscomputer der F-16 mit der übrigen Avionik kompatibel sei und ob der Betrieb der neuen Funktion mit dem APG-83 AESA-Radar reibungslos laufe.

Wie das Magazin Ed Zoiss zitiert, seien die Tests in Laboren beziehungsweise am Boden abgeschlossen und die „Funktionalität in dichten Hochfrequenzumgebungen“ bewiesen, so der Präsident von L3Harris Space and Airborne Systems: „Mit diesem Meilenstein sind wir bereit, die Flugtests fortzusetzen und Ende 2025 Systeme auszuliefern, da Viper Shield die einzige fortschrittliche elektronische Kampfführungslösung ist, die finanziert wird und sich in aktiver Produktion für internationale F-16-Partner befindet.“ 

F-16 der Zukunft: US-Luftwaffe will begrenzte Zahl von Fighting Falcons für den autonomen Betrieb umrüsten

Die Zukunft scheint rosig für das altgediente Streitross – zumindest laut dem Magazin Bulgarian Military: Demnach wolle die US-Luftwaffe „diese legendären Kampfjets mit künstlicher Intelligenz auszustatten und so den Weg für eine neue Ära der Kampfluftfahrt im Rahmen des ehrgeizigen Projekts ,Collaborative Combat Aircraft‘ zu ebnen“, so Autor Boyko Nikolov. Die Entwicklung läuft offenbar parallel, denn das modifizierte Radar sowie die elektronischen Kampfführungssysteme für schnellere Erkennung und autonomere Abwehr sind Teil des Viper Shields. Nikolov spricht ergänzend vom VENOM-Programm; darin wolle die US-Luftwaffe eine begrenzte Zahl von Fighting Falcons für den autonomen Betrieb umrüsten – die Vorstufe zu einem Programm für bis zu 1.000 Kampfflugzeug-Roboter, so Flugrevue-Autor Patrick Hoeveler.

Bahrain, Bulgarien, Jordanien, Marokko, die Slowakei und Taiwan hätten sich verpflichtet, das System in ihre F-16-Flotten nachzurüsten, so Army Recognition. Insgesamt 168 neue F-16 sollen mit Viper Shield ausgestattet werden; für ältere Flugzeuge unterhalb der Block 70-Variante würden zusätzliche Nachrüstmöglichkeiten geprüft. Laut Army Recognition soll Polen als siebte interessierte Nation die Genehmigung erhalten haben für ein Mid-Life-Upgrade-Paket (MLU) für seine Flotte von 48 F-16C/D Block 52+ – diese Nachrüstung könne entweder im Viper Shield bestehen oder in einem gleichwertigen System, so das Magazin.

Im Ukraine-Krieg tapfer: Von Experten zu einem „Dauerbrenner“ gekürt

Immer wieder taucht Juri Ignat in den Medien auf mit herablassenden Äußerungen gegenüber den der Ukraine überlassenen F-16-Kampfjets. Ihm sei die F-16 ohne wesentliche Unterstützung gegen die russischen Kontrahenten mehr oder weniger verloren. Von einem „Luftkampf, den die Ukraine nicht allein gewinnen kann“, schreibt beispielsweise die in Indien erscheinende Economic Times. „Die Flugzeugmodifikationen der Ukraine sind nicht für den Einsatz in Einzelkämpfen geeignet“, zitiert das Wirtschaftsblatt den Oberst und Leiter der Kommunikationsabteilung des ukrainischen Luftwaffenkommandos. Der bezieht sich beispielsweise sowohl auf die Bewaffnung als auch auf das Radar, obwohl das den meisten Analysten als das entwickeltere System erscheint gegen ähnliche russische Maschinen, beispielsweise das der Suchoi Su-35.

Der US-Kampfjet sei das seit 2015 das weltweit am häufigsten eingesetzte Militärflugzeug, schreibt die BBC; mehr als 2.000 Exemplare seien weltweit noch im Einsatz. Im Ukraine-Krieg erlebt die Maschine ihre Wiedergeburt – wie BBC-Autor Stephen Dowling nahelegt, trage sie das Erbe des Vietnamkrieges in sich, also die Forderung nach einem kleinen, wendigen Kampfflugzeug, das im Luftkampf bestehen könne – in einem Luftkampf, der mit wärmesuchenden Raketen ausgetragen würde. Aus verschiedenen Modellen heraus sei die F-16 entwickelt worden und hätte bewiesen, dass sie aufgrund ihrer Konstruktion auch schwere Lasten bewegen könne – also beispielsweise mehr Treibstoff und ein größeres Radar, wie Dowling schreibt.

Die aktuelle Variante Block 70 habe ihren Jungfernflug erst am 24. Januar 2023 absolviert, betont Karl Schwarz. Der Flugrevue-Autor hat die Maschine zu einem „Dauerbrenner“ gekürt. Insgesamt hätten bis heute fast 30 Länder mehr als 4700 Fighting Falcons bestellt, so die Flugrevue. Die Maschine gilt als Diva und wird von verschiedenen Beobachtern als die für den Ukraine-Krieg falsche Waffe dargestellt – allein schon aufgrund ihrer Komplexität, die erfahrene Piloten erfordert. Zumal unter der Bedrohung durch Feindfeuer. In der Ukraine im Einsatz sind vor allem ältere Modelle aus den verschiedenen Geberländern: Block 30, 50 sowie 52.

Weiter erste Wahl gegen Putin: „Er sieht immer noch aus, als gehöre er in die Zukunft“

Die USA haben inzwischen auch die Abgabe von Block-70-Modellen genehmigt – vor allem die stünden also für ein Upgrade zur Debatte. Allerdings scheint fraglich, ob US-Präsident Donald Trump die neue Technik unbedingt in der Nähe von Russland dulden wird. Nach einem möglichen Abschuss fiele sie womöglich Wladimir Putin in die Hände; schließlich soll die F-16 in der Ukraine auch tief anfliegen, um der russischen Luftabwehr ein Schnippchen zu schlagen – etwas, das ihre Konstrukteure Anfang der 1970er-Jahre beileibe nicht geplant hatten, wie BBC-Autor Dowling deutlich macht: Die F-16 gilt als Schweizer Taschenmesser.

Diese Anpassungsfähigkeit habe dem Kampfjet immer mehr Einsatzmöglichkeiten eröffnet, und er hat sich den Luftstreitkräften der westlichen Welt quasi aufgedrängt. „Wo immer es einen Konflikt gibt, ist wahrscheinlich irgendwo eine F-16 im Spiel“, zitiert die BBC Tim Robinson.

Laut dem Militärluftfahrtspezialisten der Royal Aeronautical Society in Großbritannien hätte sich „Fighting Falcon“ als der ursprüngliche Spitzname des F-16-Kampfjets nie durchgesetzt. „Niemand benutzt ihn. Sie nennen ihn Viper, weil er Ende der 1970er-Jahre zeitgleich mit der Fernsehserie Kampfstern Galactica herauskam. Er sieht aus wie eine Colonial Viper“, sagt Robinson gegenüber der BBC in Anspielung des Kampfjets an die Kampfjets aus der Fernsehserie. „Er sieht immer noch aus, als gehöre er in die Zukunft.“

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