Planlos: Ukraine schiebt ihre schlechtesten West-Panzer von Einheit zu Einheit

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Museumsstück: Russische T-55 auf einem Schrottplatz. Letzte Exemplare sind noch im aktiven Einsatz – und schlagen sich die wenigen im Ukraine-Krieg hervorragend. Sein optimierter Nachfolger M-55 aus slowenischen Beständen bleibt aber hinter den Erwartungen der Ukraine zurück. © imago/TerryxMoore/StocktrekxImages

Die Ukraine weiß nicht, wohin mit ihren slowenischen Panzern. Sie werden hin- und hergeschoben und kaum eingesetzt. Die Führung reagiert wohl kopflos.

Kiew – „Die ukrainischen M-55S-Panzer sollten eigentlich nicht in schwere Kämpfe verwickelt werden“, schreibt David Axe; um zu ergänzen: „Die Russen hatten andere Pläne.“ Das war im August 2023. Jetzt hat Axe im Magazin Forbes erneut über die Kampffahrzeuge gelästert: Dass sie im Ukraine-Krieg von einer Einheit zur nächsten irrlichtern, um einer Konfrontation von Wladimir Putins Invasionstruppen möglichst aus dem Weg zu gehen. Was obskur anmutet.

Aber offensichtlich sind die Panzer, die Slowenien spendiert hatte, zwar einsatzfähig, aber kaum kampftauglich: die unerfahrene 159. Mechanisierte Brigade müsste sie jetzt verwenden, sei aber möglicherweise nicht die letzte Station dieser ehemaligen slowenischen Panzer, lässt sich Axe aus. Wobei Armyrecognition im März vergangenen Jahres noch ein Loblied auf den Oldtimer angestimmt hatte.

Ukraine-Krieg: Im Jahr 2022 hatte Slowenien der Ukraine 28 seiner M-55S-Panzer überlassen

Kurz nach Kriegsausbruch im Jahr 2022 hatte Slowenien der Ukraine 28 seiner M-55S-Panzer überlassen, und damit war das älteste Material in den Ukraine-Krieg hineingerasselt. Der M-55S ist eine verbesserte Version des sowjetischen T-55-Panzers, dessen Geschichte 1947 begann. Das Magazin sieht darin allerdings trotz dessen eine echte Verstärkung für die Ukraine: Während Panzer wie der M-55S im Vergleich zu modernen Kampffahrzeugen eine leichte Beute für moderne Panzerabwehrwaffen würden, sei ihre Rolle nicht für das direkte Duell mit anderen Panzern definiert, sondern umfasse vielmehr die Sicherung von Stellungen. „Es ist auch wichtig hervorzuheben, dass die 105-mm-Kanone des M-55S, eine der besten Panzerkanonen des Kalten Krieges, auch heute noch konkurrenzfähig ist, was den anhaltenden Wert dieser Waffe im gegenwärtigen Kontext verdeutlicht“, schreibt Armyrecognition.

„Das ukrainische Militär hat nie wirklich herausgefunden, was es mit seinen schlechtesten Panzern westlicher Produktion anfangen soll.“

Allerdings ist aus dem ursprünglichen Modell inzwischen ein Do-It-Yourself-Lazarus geworden – ein West-Ost-Hybrid. Nach zwei Jahren Krieg kämpft die ukrainische Armee vor allem darum, das passend modifizierte Alteisen adäquat zu verwenden; in den eingesetzten Modellen werden die Wannen und Türme von sowjetischen T-55-Panzern aus den 1950er-Jahren mit modernen israelischen Feuerleitsystemen und einem klassischen 105-Millimeter-Hauptgeschütz aus Großbritannien kombiniert. Die mit 36 Tonnen eher leichten M-55S trafen Ende 2022 ein und schlossen sich als ein Bataillon der neuen 47. Mechanisierten Brigade an. 

David Axe will wissen, dass die Verteidiger mit den Kampffahrzeugen aber wohl nie wirklich warm geworden seien: „Das ukrainische Militär hat nie wirklich herausgefunden, was es mit seinen schlechtesten Panzern westlicher Produktion anfangen soll“, wie er aktuell schreibt. Ihm zufolge seien die Fahrzeuge seit ihrem Eintreffen mehrmals hin- und hergeschoben worden, ohne sich in einer Offensive wirklich bewähren zu können. Inzwischen soll der Bestand komplett an die neu gegründete 159. Mechanisierte Brigade gegangen sein. Axe bezweifelt, dass sie dort eine glücklichere Figur abgeben werden. Immerhin soll der Panzer noch nie geglänzt haben, wie Axe kritisiert.

Verpatzte Gegenoffensive: „Die Reorganisation scheint die M-55S überflüssig gemacht zu haben“

Was einigermaßen erstaunt, wie das österreichische Militär-Magazin Spartanat nahelegt: Demnach seien Turm und Rumpf gegenüber dem T-55 mit reaktiver Panzerung verstärkt worden, ein digitaler Ballistik-Computer spendiert sowie eine Kanonenstabilisierung installiert worden, ein Visier mit Laser-Entfernungsmesser sowie ein stärkerer Motor und bessere Ketten – insgesamt habe sich der M55S sowohl optisch als auch qualitativ westlichen Panzer angenähert.

Nach der misslungenen Gegenoffensive in der Südukraine im Sommer 2023 hat die 47. Mechanisierte Brigade ihre Panzer an die 67. Mechanisierte Brigade in der Ostukraine weitergereicht. Wie Axe berichtet, soll der erste Abschuss dieses Panzertyps die Brigade dazu veranlasst haben, ihre M-55S komplett aus der Front herauszulösen und sie als Reserve der 5. Panzerbrigade zu überantworten. Zu der Zeit soll die 5. Panzerbrigade als Reserve in der Südukraine verbracht haben, bis sie Ende 2024 in einer schweren mechanisierten Brigade aufgegangen sei und ihre Kampfpanzer gegen Schützenpanzer getauscht habe, schreibt Forbes: „Die Reorganisation scheint die M-55S überflüssig gemacht zu haben, da die umbenannte 5. Schwere Mechanisierte Brigade sich offenbar für den Leopard 1A5 als Hauptpanzer entschieden hat.“

Die 159. Mechanisierte Brigade sei, laut Forbes, eine von 14 neuen Brigaden, mit denen die Ukraine ihre Bodentruppen im vergangenen Jahr zu verstärken gedacht hat; diese würden mit Hunderten von Fahrzeugen bestückt – Kritiker halten dagegen, dass das die bestehenden Brigaden ausdünnen und somit schwächen würde. Was von verschiedenen Medien tatsächlich auch so bestätigt wird.

Versagen Selenskyjs: „Von Desertionen, Beschuldigungen und beißender öffentlicher Kritik erschüttert“

Die 159. Mechanisierte Brigade sei eine der neu geschaffenen Brigaden, die Anfang bis Mitte 2024 aufgrund der Gesetzgebung zur Senkung des Wehrpflichtalters gebildet wurde, schreibt das Medium military.net. Die Brigade sei ursprünglich als Infanteriebrigade vorgesehen gewesen, dann jedoch zu einer der ersten mechanisierten Einheiten der 150er-Brigadenserie der Bodentruppen ausgebaut. Bis zur Jahresmitte 2025 soll sie einsatzfähig sein. Allerdings gibt eine andere Einheit der „150er-Brigadenserie“ Anlass zur Sorge – Teile der ukrainischen Armee gehen aus dem Leim; beispielsweise die 155. selbstständige mechanisierte Brigade.

Die gehört wie die 159. Mechanisierte Brigade zu den Einheiten, die die ukrainische Armee runderneuern sollte, wie Radio Free Europe/Radio Liberty meldete. Nachdem von französischen Ausbildern gedrillt und mit westlichen Waffen bestückt, werde die 155. selbstständige mechanisierte Brigade des ukrainischen Militärs „von Desertionen, Beschuldigungen und nun auch von beißender öffentlicher Kritik erschüttert, die den Kommandeuren Inkompetenz vorwirft“. Dass die ebenfalls neu aufgestellte 159. Brigade jetzt noch mit technisch veralteten Waffen ausgerüstet werde, gilt für viele Beobachter als ein weiteres Zeichen des Versagens der Führung bis hinauf zum ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.

Hoffnung für Offensiven: Der M-55S scheint für neu verpflichtete Soldaten das ideale Kampffahrzeug zu sein

Die neuen Rekruten mit einer Grundausbildung in Erster Hilfe und dem Einmaleins des Sturmgewehrs ins Feld zu schicken, sei wenig hilfreich, urteilt Andreas Marlow gegenüber Reuters; „weil sie ohnehin noch nicht völlig einsatzbereit sind“. Der Generalleutnant und Leiter des German Elements MN Corps/Basic Military Organization in Strausberg ist überzeugt, Deutschland könnte die Grundausbildung für ukrainische Armeerekruten in weit umfangreicherem Maße durchführen als die Ukraine selbst, wie er gegenüber der Nachrichtenagentur geäußert hat. Allerdings scheint der M-55S für neu verpflichtete Soldaten das ideale Kampffahrzeug zu sein.

Im Laufe der Jahre, in der das Grundmodell T-55 im Dienst stand, zeigte sich, dass der Panzer für fast alle Aufgaben unter fast allen Bedingungen einsetzbar war. Für den Ostblock ein Schweizer Messer. Wegen seines minimalistischen Konzepts konnte er über die Jahre hinweg mit geringem Aufwand technisch mit dem Niveau seiner westlichen Kontrahenten mithalten. Mit der Einführung neuer Kampfpanzer wie dem Leopard 2, dem M1 Abrams, beziehungsweise im Osten dem T-72, trat der T-55 ins zweite Glied zurück, wurde jedoch weiterhin sowohl von der Sowjetunion, als auch ihren Verbündeten in großem Umfang genutzt. Allerdings ist eben die Zeit der raumgreifenden Panzer-Operationen Geschichte.

Verluste befürchtet: Ukraine versucht, diese Fahrzeuge nicht in direkten Kontakt mit dem Feind zu bringen

Des Weiteren ist zwar auch der deutsche Leopard 1 eher schwach gepanzert, aber immer noch stärker in aktive Kampfhandlungen involviert als der slowenische M-55S: „Gemessen an der Kampfeinsatzbilanz des M-55S versucht das ukrainische Militär, diese Fahrzeuge nicht in direkten Kontakt mit dem Feind zu bringen. Dies liegt an ihrer schwachen Panzerung, die selbst mit einem dynamischen Schutzkit einem direkten Treffer moderner Panzerabwehrmunition nicht standhalten kann“, schrieb das ukrainische Magazin Militarnyi im März vergangenen Jahres.

Dennoch verwundert, dass die slowenischen Panzer kaum eingesetzt werden. „Die Panzer, die da durch die Gegend rollen, sind nicht so verschieden, wie das ihre T-Nummern andeuten“, sagt Ralf Raths. Welches Baujahr auf welches treffe, sei nach Meinung des Direktors des Deutschen Panzermuseums in Munster wenig gefechtsentscheidend. „Die Modelle, die da herumfahren, gehören alle zu einer Familie, mit nur kleinen Entwicklungsschritten zwischen den unterschiedlichen Nummern.“

Für den Militärhistoriker wird dadurch der menschliche Faktor um so wichtiger: Ausbildung der Truppe, Führung und Moral. Von Anfang an sei klar gewesen, dass die Panzer den Krieg nicht entscheiden, sondern nur entscheidend beeinflussen könnten, stellt auch Björn Schulz klar. Im Bundeswehr-Podcast Nachgefragt betont der Brigadegeneral und Kommandeur der Panzertruppenschule Munster: „Die ukrainischen Kräfte sind so ausgebildet worden, dass sie dort im Kampf bestehen können.“

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