Neue Realität an der Nato-Nordflanke: Fischern geht amerikanisches Atom-U-Boot ins Netz
Im Europäischen Nordmeer belauern sich Nato und Russland. Die große Präsenz der Kriegsmarinen führt auch zu außergewöhnlichen Vorfällen – wie jetzt mit Fischern in Norwegen.
Tromsø – 115 Meter lang, 7800 Tonnen schwer: Einen kuriosen Fang machten Fischer am Montag (11. November) vor der Küste Norwegens. Die Beute: ein nuklear angetriebenes Angriffs-U-Boot der US-Marine. Ein Vorfall, der vor Jahren wohl noch größere Wellen geschlagen hätte, ist seit dem Ukraine-Krieg und der zur Schau gestellten Aggression Russlands neue Normalität. Die Nato zeigt mittlerweile massive Präsenz an der sogenannten Nordflanke – zur Abschreckung und Verteidigung. Entsprechend unaufgeregt war die Reaktion der Norweger.
Säbelrasseln an der Nato-Nordflanke: Schiffe und U-Boote sichern Nordmeer gegen Russland
Zu sagen, dass das Angriffs-U-Boot den skandinavischen Seeleuten ins Netz gegangen ist, spiegelt dabei wohl kaum die Kräfteverhältnisse wider: Die USS Virginia riss das im Meeresboden verankerte Netz los und schleppte es über zwei Seemeilen mit sich. Der Fischer, der sich zuvor noch über einen ertragreichen Fang von Heilbutten im Wert von umgerechnet 1700 Euro gefreut hatte, hatte plötzlich andere Sorgen. Das zerstörte Fangnetz schlägt wohl mit mehr als doppelt so viel zu Buche. Letztlich nahm Harald Engen die außergewöhnliche Episode mit nordischer Gelassenheit hin: „Es bringt nichts, sich darüber aufzuregen“, erzählte der 22-Jährige gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Norwegischen Rundfunk (NRK), die zuerst über den Vorfall berichtet hatten.
Die Gelassenheit könnte dadurch gefüttert werden, dass solche Begegnungen zwar durchaus noch als Kuriosum bezeichnet werden können – schon länger aber kein Einzelfall mehr sind. Im Nordatlantik tummeln sich seit dem Beginn des Ukraine-Krieges und der beispiellosen Aggression Russlands die globalen Streitkräfte.
„Verteidigung und Abschreckung“: Putins Marine und Nato-Schiffe mit Präsenz in Ostsee und Nordmeer
Denn dort stichelt die russische Marine und lotet munter Grenzen aus. Das passiert in der Ostsee an der Landes- und Seegrenze zu Norwegen, wo Putins Ostseeflotte zuletzt Torpedo-Duelle simulierte. Genauso wie in der Barentssee und der Arktis – etwa auf und vor der einsamen Insel Spitzbergen. Die Nato nimmt die zunehmenden Grenzüberschreitungen ernst und sichert die Nordflanke. Die Mitgliedsstaaten erwidern das Säbelrasseln und senden mit Militärübungen deutliche Signale. Bei einem solchen Training etwa wurde Norwegen konkret als mögliche Schwachstelle ausgemacht. Auch deshalb zeigt man stetige Präsenz, kontrolliert mit den Flotten verschiedener Staaten die Gewässer.
So wie die USS Virginia, das tausende Tonnen schwere Atom-U-Boot der Amerikaner. Die US Navy bestätigte den Fangnetz-Vorfall bereits und bedankte sich per amerikanischer Botschaft für „die fortdauernde Unterstützung Norwegens“ der US-Einsätze, die zur „Verteidigung und Abschreckung“ in der „komplexen Sicherheitssituation der nördlichen Gebiete“ dienen.
Meine news
Die Bedrohung eines Krieges gegen Russland an der NATO-Nordflanke sei längst nicht mehr abstrakt, schätzte der in Norwegen forschende Sicherheitsexperte Tobias Etzold unlängst gegenüber IPPEN.MEDIA ein. Auch die baltischen Staaten in der Ostsee wappneten sich: „Dort baut man bereits Bunker und Schutzkeller, um so viele Menschen wie möglich bei einem eventuellen Angriff in Sicherheit bringen zu können“, berichtete Etzold im Frühjahr.
„Manchmal passiert es einfach“: Amerikanisches Atom-U-Boot reißt Netz mit – und sorgt für gute Story
In dieser neuen Realität geopolitischer Spannung ist der Vorfall eines amerikanischen Atom-U-Bootes in Norwegen schon gar keine allzu große Nummer mehr. „Manchmal passiert es einfach, dass die Schiffe sich verheddern und die Netze sich in den Propellern verfangen“, gab die Norwegische Küstenwache gegenüber NRK zu Protokoll.
Harald Engen hofft derweil, dass ihm die Kosten für das zerstörte Fangnetz noch erstattet werden. Er sei diesbezüglich bereits im Austausch mit der norwegischen Küstenwache. Den 8000-Tonnen-Fang konnte er zwar nicht mit nach Hause nehmen, ganz mit leeren Händen steht er aber nicht da. Engen berichtet, dass er bereits aus dem ganzen Dorf Aufmerksamkeit in Form von Nachrichten und Anrufen bekommen hat – und er damit am Wochenende zumindest eine gute Geschichte in der Kneipe zu erzählen hat.