Sturzflutrisiko: Die eine Lösung gibt es nicht

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Bei der Bürgerversammlung im Gasthof Zur Post stand Ingenieur Manfred Schindler (r.) den Besuchern Rede und Antwort. © Thomas Plettenberg

Die eine Lösung gibt es nicht – aber viele kleine: So lautet das Fazit des Sturzflutrisikomanagementkonzepts für Warngau. Nur am Schwarzer Graben könnte ein Rückhaltebecken Potenzial haben, wurde beim Infoabend deutlich.

Warngau – Ob Ahrtal oder Simbach: Was Starkregen anrichten kann, ist immer wieder zu sehen. Oft heißt es dann, man habe sich ein solches Ausmaß nicht vorstellen können. Das ist nicht richtig, sagt Michael Spannring: „Hätte man so ein Sturzflutrisikomanagement vorher gemacht, hätte man so was erkennen können.“

Spannring ist als Bauingenieur im Wasserbau vom Fach und hat als Gemeinderat in Warngau seine Heimatgemeinde frühzeitig auf die Möglichkeit für das staatlich geförderte Sturzflutrisikomanagement aufmerksam gemacht. Als erster der Kommunen im Landkreis, die es bislang beantragt haben, liegen Warngau daher bereits die Untersuchungsergebnisse vor. Im Juli wurde das Modell vorgestellt, das die Fließströme bei Starkregenszenarien für Oberwarngau, Osterwarngau und Lochham aufzeigt. Es geht dabei nicht nur um Gewässer, die augenscheinlich übertreten können, sondern um Bereiche, die erst durch abfließenden Starkregen – durch Hagel sogar verschärft – zu Strömen werden können.

Am Donnerstagabend erfolgte der nächste Schritt: Welche Maßnahmen sind sinnvoll? Manfred Schindler, promovierter Ingenieur des Büros Dr. Blasy – Dr. Overland, stellte die Untersuchungen vor etwa 60 Zuhörern im Saal des Gasthofs Zur Post vor.

Rückhaltebecken hat nur an einer Stelle realistisches Potenzial

Das Ingenieurbüro hatte im Bereich Oberwarngau, wo von Süden her bei extremem Starkregen größere Ströme zu erwarten sind, sechs mögliche Standorte für Rückhaltebecken untersucht, drei davon westlich der Bundesstraße im Bereich Bahnlinie und Flugplatz, einer östlich der Bundesstraße und zwei ganz am östlichen Ortsrand im Bereich von Dorfbach und Schwarzer Graben. Letztlich kommt Schindler zum Schluss, dass bei fast allen potenziellen Standorten viel Maßnahme wenig Erfolg brächte und Kosten und Aufwand nicht im Verhältnis zum Nutzen stünden.

Großflächige Rückhaltebecken, die die Fließströme aus Richtung Schaftlach aufnehmen könnten, würden in die Millionen gehen, ohne Aussicht auf Fördergelder. Und das bei fraglichem Nutzen: Der Abfluss Richtung westliches Oberwarngau wäre zunächst zwar gedrosselt; bis zur Bebauung wäre der Effekt aber durch seitliche Zuströme weitgehend verpufft. Lediglich für eine Option sieht Schindler realistisches Potenzial: Seine Empfehlung an die Gemeinde laute, ein Rückhaltebecken nordöstlich am Schwarzen Graben zu prüfen.

Eine Dammhöhe von 6,30 Metern würde sich dort noch einigermaßen in die Topografie einfügen, und im Grünland wäre der Eingriff auch vertretbarer. Der ausufernde Schwarze Graben birgt Gefahrenpotenzial für Anlieger im Bereich Lindenstraße und weiter Richtung Ortszentrum, zumal der Dorfbach dort keine weiteren Kapazitäten aufnehmen könnte. Auch Zuschüsse über die Wasserwirtschaft könnten also drin sein, weil die Maßnahme zum Schutz vor einem Gewässer beitragen würde. Das alles müsste aber erst näher untersucht werden.

„Das sollten wir uns näher anschauen“, meinte Bürgermeister Klaus Thurnhuber dazu. Michael Holderer, Leiter des Wasserwirtschaftsamts Rosenheim, wollte auf seine Nachfrage ad hoc aber noch keine Hoffnungen auf Fördermittel machen.

Es hilft nur ein Mix aus kleinen Maßnahmen

Statt zu einzelnen großen Eingriffen rät Schindler zu einem Kanon aus kleinen Maßnahmen. Erhöhte Feldwege könnten etwa heranfließendem Wasser Wucht nehmen. Privatpersonen könnten zum Beispiel mit einer Elementarschadenversicherung Schaden begrenzen oder mit baulichen Maßnahmen mit überschaubarem Invest, wie einer Lichtschachtaufstockung ab etwa 150 Euro oder einer Rückstauklappe für den Kanalanschluss ab 400 Euro. Brennstofflager und Heizanlagen sollten gesichert, Wertvolles nicht in gefährdeten Bereichen gelagert oder gefüllte Sandsäcke vorgehalten werden. Im Überflutungsfall sei es wichtig, den Strom abzuschalten und nicht mehr in Gefahrenbereiche zu gehen, um etwas zu holen.

Spannring machte deutlich, dass die Gefahr durch Sturzfluten keine abstrakte ist: Ein 80-Jähriger erlebe mit 55 Prozent Wahrscheinlichkeit im Laufe seines Lebens ein hundertjährliches Hochwasserereignis, mit acht Prozent sogar ein tausendjährliches. Thurnhuber appellierte, die Erkenntnisse zu nutzen: „Im Extremfall geht es um Menschenleben und Existenzen.“

Die Präsentation

des Sturzflutrisikomanagementkonzepts wird demnächst auf der Internetseite der Gemeinde eingestellt, wo auch die Untersuchung der Fließströme weiterhin zu finden ist.

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