Afghanistan-Abschiebung: „Bekomme Bauchweh, wenn ich an deutsche Polizisten an afghanischen Flughäfen denke“

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Kanzler Olaf Scholz will Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien ermöglichen. Rückendeckung gibt es aus der CDU, Kritik von den Grünen. Eine offene Frage gibt es aber noch.

Berlin – Man darf wohl unterstellen: Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) hatte vielleicht auch den Wahlkampf vor den Landtagswahlen im Hinterkopf, als er nach der tödlichen Messerattacke in Mannheim die Debatte ums Thema Abschiebungen nach Afghanistan befeuerte. Klare Kante kommt oft gut vor Wahlen. Deutschland solle jetzt auch Gespräche mit den Nachbarländern Afghanistans führen, die bereits dorthin abschieben, sagte Maier. Bislang ist das nicht möglich, weil Afghanistan als nicht sicher gilt. Der Mannheim-Täter stammt von dort.

Nach Mannheim-Messerangriff: Olaf Scholz will Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien ermöglichen

Jetzt der große Knall aus Berlin: Als Konsequenz aus der tödlichen Messerattacke von Mannheim will auch Bundeskanzler Olaf Scholz die Abschiebung von Schwerstkriminellen nach Afghanistan und Syrien wieder ermöglichen. „Solche Straftäter gehören abgeschoben – auch wenn sie aus Syrien und Afghanistan stammen“, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag im Bundestag. „Schwerstkriminelle und terroristische Gefährder haben hier nichts verloren.“

Rückendeckung kommt aus der Opposition. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler sagte gegenüber unserer Redaktion: „Aktuell gilt: Es wird nicht nach Afghanistan abgeschoben. Das kann und muss man ändern. Wenn politisch Verfolgte sich hier mit den Taliban gemein machen und die Ideologie teilen, vor der sie geflohen sind, sehe ich keinen Grund, weshalb sie nicht auch in Afghanistan wieder leben können.“

Abschiebungen nach Afghanistan: Keine intakten Flugverbindungen

Serap Güler
Bundestagsabgeordnete Serap Güler (CDU) hält Abschiebungen nach Afghanistan für richtig. © Peter Sieben

Man könne das rechtlich unkompliziert umsetzen, so Güler. Aber: „Die Herausforderung wird eher die Frage sein, wie man die Menschen wieder zurückführt. Es bestehen keine diplomatischen Beziehungen sowie intakte Flugverbindungen.“ Und: Die Überführung brächte logistische Herausforderungen beziehungsweise Sicherheitsprobleme mit sich. Denn Beamte müssten Abgeschobene begleiten. „Wenn ich an deutsche Polizisten an afghanischen Flughäfen denke, bekomme ich Bauchschmerzen“, kommentiert Güler. „Nichtsdestotrotz: Wenn man will, kann und sollte man nach Afghanistan abschieben. Unsere nationale Sicherheit sollte hier Vorrang haben.“

Grünen-Sprecherin: Abschieben ja – aber nicht in Krisengebiete

Etwas anders sieht es Lamya Kaddor, die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. „Wer fordert, nach Afghanistan abzuschieben, soll sagen, dass er mit den Taliban zusammenarbeiten will“, so Kaddor zu IPPEN.MEDIA. Im Koalitionsvertrag sei zwar vereinbart worden, Straftäter abzuschieben – „allerdings nicht in Kriegs- und Krisengebiete“.

Seit einem Jahr prüft das Innenministerium Abschiebungen nach Syrien sowie nach Afghanistan, wo eine international geächtete islamistische Taliban-Regierung herrscht. „Menschenrechtsorganisationen sprechen von einer humanitären, katastrophalen Lage, Straflosigkeit und Willkürherrschaft gehören zum Alltag“, so die Grünen-Politikerin. „Die Taliban Regierung führt öffentliche Hinrichtungen durch und vollstreckt Körperstrafen wie Auspeitschungen und Steinigungen.“

Kaddor: Taliban würden finanziell und politisch aufgewertet

Kaddor fragt rhetorisch: „Wie sollen Abschiebungen nach Afghanistan durchgeführt werden können, ohne die islamistische Regierung diplomatisch anzuerkennen und ohne die Taliban finanziell und politisch damit aufzuwerten?“ Auch Abschiebungen über Pakistan seien aus Sicht der Grünen wenig aussichtsreich. „In der Grenzregion gibt keine Infrastruktur, es ist wenig überwacht und es birgt auch die Gefahr, dass Abgeschobene sich wieder auf den Weg nach Europa machen.“

Wie genau die Abschiebungen vonstattengehen sollen, hat Kanzler Olaf Scholz bislang nicht erklärt. Das Bundesinnenministerium arbeite an der praktischen Umsetzung und sei bereits mit den Nachbarländern Afghanistans im Gespräch. Man werde überdies nicht länger dulden, wenn terroristische Straftaten verherrlicht und gefeiert werden. Das war zuletzt in den sozialen Medien geschehen. „Deshalb werden wir unsere Ausweisungsregelungen so verschärfen, dass aus der Bildung terroristischer Straftaten ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse folgt“, sagte der Kanzler und kündigte weitere harte Schritte an. „Wer Terrorismus verherrlicht, wendet sich gegen alle unsere Werte und gehört auch abgeschoben.“

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