Putins Flotte flieht zunehmend nach Russland – Ukraine plant bereits Drohnenangriffe
Russlands Schiffe fliehen nach und nach, doch die Ukraine bläst weiter zur Jagd mit „Sea Babys“: Putins Schwarzmeer-Flotte soll keinen sicheren Hafen mehr finden.
Simferopol – „Trotz der Versuche Russlands, seine Verluste zu begrenzen, zeigt die Ukraine weiterhin Erfolg dabei, die Fähigkeit der Schwarzmeer-Flotte zu schwächen und ihre Macht in diese Region hineinzutragen“, erklärte der britische Geheimdienst – die Ukrainska Prawda hatte darüber berichtet. In den vergangenen Wochen waren mehrere Schiffe der kleinsten der vier russischen Flotten abgezogen worden. Noworossijsk wird offenbar zum Zufluchtsort für Wladimir Putins Schiffe, wie verschiedene Medien berichten. Und die Ukraine legt nach. Wie sie jetzt ankündigt, wird sie diese Schiffe nicht nur vertreiben wollen, sondern jagen.
Die Krim, das Schwarze beziehungsweise auch das Asowsche Meer böte der Flotte Russlands keine sichere Zuflucht mehr, sagte Dmitri Pletentschuk dem ukrainischen Sender Kyiv24. Ihm zufolge hat jetzt das letzte russische Patrouillenschiff samt zweier Begleitschiffe die Krim verlassen und sei in Richtung des in Russland gelegenen Noworossijsk abgedampft. Der Hafen liegt rund 350 Seemeilen von der Simferopol entfernt. Anfang Juni hatte das Magazin Militarnyj berichtet, dass ein größerer Konvoi nach Noworossijsk verlegt worden sei. Pletentschuk hatte wiederholt angekündigt, dass Russland Schwierigkeiten bekommen werde, die Krim zu halten – „früher oder später“, wie ihn beispielsweise die Euromaidan Press zitiert.
„Westliche Politiker ziehen es offenbar vor, die überwältigenden Beweise aus der Schlacht am Schwarzen Meer zu ignorieren, die bestätigen, dass Putin angesichts entschlossener Opposition eher nachgibt als eskaliert.“
Darüber hinaus hat das Magazin Naval News kürzlich von einer anscheinend neuen Entwicklung berichtet: Ein Schiff der russischen Marine, das normalerweise in Noworossijsk stationiert sein soll, habe im Hafen von Otschamtschire in Georgien angelegt hat, also in der von Russland kontrollierten Region Abchasien. „Die von Russland unterstützte lokale Regierung hat erklärt, dass die russische Marine dort einen dauerhaften Stützpunkt errichten werde“, schreibt Naval News. Allerdings sind die Pläne schon seit vergangenem Winter öffentlich. Seitdem wird vermutet, dass sich Russland dort neu formieren und zur Gegenoffensive antreten könnte gegen die ukrainischen Vorstöße auf der Krim.
Putins Albtraum: Sea Baby trägt jetzt mehr Sprengstoff über eine längere Distanz
Auch rhetorisch geht die Ukraine auf dem Schlachtfeld auf der Krim offensiv gegen Russland vor: „Die Ukraine sagt, ihre Sea Baby-Drohnen seien ‚viel‘ leistungsfähiger geworden und könnten russische Schiffe überall im Schwarzen Meer treffen“, schreibt der Business Insider. Möglicherweise nähert sich der Ukraine-Krieg auf der Krim einer Wende. Russland könne die Ukraine immer noch von den östlichen Teilen des Schwarzen Meeres aus angreifen. Aber die Entwicklung verdeutliche, dass die Ansätze der Verteidigung der Russen, um den unkonventionellen Ansatz der Ukraine in der Seekriegsführung abzumildern, nicht wie beabsichtigt funktioniere, konstatiert beispielsweise das britische Verteidigungsministerium.

Das Schwarze Meer ist wohl der einzige militärische Hotspot, auf dem die Ukraine uneingeschränkt die Initiative behält – vor allem auch aufgrund ihrer Sea Baby-Drohnen, die die Schwarzmeer-Flotte bereits mehrfach empfindlich getroffen hatten. Die Drohnen seien inzwischen aufgerüstet worden, um mehr als eine Tonne Sprengstoff über eine Entfernung von mehr als 1.000 Kilometern zu transportieren, sagte Artem Dehtiarenko laut dem Business Insider. Der Sprecher des ukrainischen Geheimdienstes (SBU) erklärt, das entspräche einer Steigerung von 800 Kilogramm und einer Entfernung von rund 497 Meilen (ca. 800 km). „Heute kann die SBU feindliche Schiffe praktisch überall im Schwarzen Meer angreifen“, zitiert der Business Insider aus einer Ukrinform-Meldung.
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Selenskyjs Erfolg: Ukraine hat mit ihren Überwasserdrohnen den Seekrieg neu definiert
Die Schwarzmeer-Flotte beansprucht die Herrschaft über das Schwarze Meer mit seiner Größe von fast einer halben Million Quadratkilometern. Russland verfolgt im Schwarzen Meer seit Jahrhunderten sein Interesse an einem eisfreien und möglichst ganzjährig warmen Zugang zu den vitalen Seeverbindungswegen um Europa herum. Ein solcher Zugang soll Russlands Anspruch als Seemacht untermauern, schreibt Fregattenkapitän Göran Swistek für den Thinktank Stiftung Wissenschaft und Politik. Laut dem deutschen Autor und Kapitän zur See, Axel Stephenson, bräuchte die russische Marine im Schwarzen Meer tatsächlich allerdings das Doppelte an Material, um diesem Anspruch gerecht zu werden.
Die Ukraine hat mit ihren Überwasserdrohnen den Seekrieg neu definiert. Im Mai hatte der ukrainische Geheimdienst gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters mitgeteilt, die Ukraine habe einige ihrer Marinedrohnen mit Mehrfach-Raketenabschusssystemen ausgestattet und nutze die für den Angriff auf russische Stellungen statt nur auf Seeziele. Laut dem Magazin Army Recognition seien das sowjetische Grad-Raketen. Diese von einem Mehrfachraketenwerfer abgeschossenen 122-Millimeter-Raketen hätten eine Schussreichweite von bis zu 50 Kilometern. „Die psychologische Wirkung dieser Drohnen ist erheblich; ihre Unberechenbarkeit und das Potenzial für Angriffe mit hohem Schadenspotenzial zwingen feindliche Flotten zu vorsichtigeren und defensiveren Haltungen, was ihre operative Freiheit einschränkt“, schreibt Army Recognition.
Russlands letzte Zuflucht: Kein Hindernis für Offensiven der Ukraine
Am 3. Juli soll die Ukraine zuletzt einen Drohnen-Angriff auf Noworossijsk unternommen, aber scheinbar nur geringen Schaden angerichtet haben, wie das Magazin The Maritime Executive berichtet. Ein Angriff Mitte Mai mit See- und Bodendrohnen auf den Handelshafen war ebenfalls der Ukraine zugeschrieben worden. Damit hat dieser Ausweichstützpunkt der Schwarzmeer-Flotte seinen Nimbus als sicherer Hafen endgültig eingebüßt. Der Hafen sei mit schwimmenden Barrieren, Taucher-Erkennungseinheiten, Kampfhubschraubern und Küstenbatterien schwer verteidigt, schreibt der Executive.
Allerdings wäre verfrüht zu glauben, dass mit Russlands Verlust seiner Seeüberlegenheit und Kontrolle über das Schwarze Meer, der Ukraine die Kontrolle über das Schwarze Meer zugefallen sei, sagte Basil Germond laut dem Business Insider. Der Experte für internationale Sicherheit an der britischen Lancaster University sieht die Operationsfähigkeit Russlands auf dem Wasser beziehungsweise als Unterstützung für Landoperationen lediglich eklatant geschrumpft.
Dennoch: Russlands Rückzug von der Krim lasse die Eskalationsängste des Westens lächerlich erscheinen, schreibt aktuell Peter Dickinson für den Thinktank Atlantic Council: „Der Abzug russischer Kriegsschiffe von der Krim ist der jüngste Hinweis darauf, dass die Ukraine allen Widrigkeiten zum Trotz den Seekrieg tatsächlich gewinnt“, behauptet der Chefredakteur des Business Ukraine Magazine. Ihm zufolge sei das eine klare Botschaft an den Westen: Mit jedem Schiff, das sich von der Krim entferne, verliere der russische Diktator seine Glaubwürdigkeit.
Experte: Erfolge der Ukraine lassen Putins rote Linien zur Farce verkommen
„Die Bereitschaft der russischen Marine, sich aus ihren angeblich heiligen Heimathäfen auf der Krim zurückzuziehen, hat Moskaus sogenannte rote Linien zur Farce gemacht und die Leere von Putins nuklearen Drohungen offengelegt. Dennoch zögern Kiews internationale Verbündete, die offensichtlichen Schlussfolgerungen zu ziehen. Stattdessen wird die westliche Unterstützung für die Ukraine weiterhin von selbstzerstörerischen Ängsten vor einer Eskalation bestimmt“, schreibt er. Die Verteidiger aus der Ukraine wollen mit ihren Attacken gegen die russische Marine nicht nur Material zerstören und die Operationsfähigkeit der Schwarzmeer-Flotte schwächen, sondern das System von Russlands Präsident Wladimir Putin stürzen.
Die Krim wurde bereits 2014 von Russland besetzt und bildet den Brückenkopf von Putins Fantasien, die Ukraine in die Russische Föderation einzugliedern – und genauso von seinem Vorhaben, international wieder als Seemacht aufzutrumpfen. Die beiden deutschen Altkanzler Helmut Schmidt und Gerhard Schröder (beide SPD) hatten damals Verständnis für Putins Verhalten gezeigt: Viel wichtiger als das Völkerrecht sei die Geschichte der Krim für die Bewertung der Krise. „Bis Anfang der 1990er-Jahre hat der Westen nicht daran gezweifelt, dass die Krim und die Ukraine – beide – Teil Russlands seien.“ Zwischen Historikern sei umstritten, ob es überhaupt eine ukrainische Nation gebe, sagte er.
Gerade deshalb hält Autor Dickinson die Reaktion des Westens auf den Rückzug der russischen Truppen für falsches Eskalationsmanagement: „Westliche Politiker ziehen es offenbar vor, die überwältigenden Beweise aus der Schlacht am Schwarzen Meer zu ignorieren, die bestätigen, dass Putin angesichts entschlossener Opposition eher nachgibt als eskaliert.“