Gegenoffensive aus der Garage: Ukraine baut heimlich Roboter-Armee auf – wegen der Verluste
Gegenoffensive aus der Garage: Ukraine baut heimlich Roboter-Armee auf – wegen der Verluste
Ein Leopard-Panzer mit autonomer Ziel-Auswahl oder eine Krankentrage mit eigenen Entscheidungen – in der Ukraine wird am Krieg der Roboter geschraubt.
Kiew – „Wo steht mein Panzer, wo stehen mein linker und mein rechter Nachbar?“ – diese Fragen wird ein Panzer wie der Leopard 2 künftig selbstständig mitteilen; an die anderen Gefechtsfahrzeuge, an die Infanterie, an die Stäbe – so jedenfalls stellt sich das Michael Volkmer vor. Im Bundeswehr-Podcast Nachgefragt hat der Brigadegeneral das Gefechtsfeld von morgen beschrieben. Künstliche Intelligenz (KI) wird eine bestimmende Waffe der Zukunft – sowohl Russland als auch die Verteidiger arbeiten im Ukraine-Krieg an Lösungen; für heute und für morgen. Die Roboter sind angetreten, um den Menschen zu verdrängen; den gegnerischen sowie den eigenen. Roboter könnten gegen Russland bereits in der nächsten Gegenoffensive aufmarschieren – angedacht ist die wahrscheinlich für 2025.
„Es gehe darum, mehr Truppen von der Frontlinie wegzuholen“, sagte Oleksandr Kamyshin dem Magazin Foreign Policy. Kamyshin ist ukrainischer Minister für strategische Industrien und insofern Motor der neuen Entwicklungen – die sind aus der Not geboren, wie beispielsweise die Nachrichtenagentur Associated Press berichtet: „Die Ukraine kämpft mit Arbeitskräftemangel, überwältigenden Übermachten und ungleichmäßiger internationaler Hilfe und hofft, in einem verlassenen Lagerhaus oder einem Fabrikkeller einen strategischen Vorteil gegenüber Russland zu finden“, schreibt die Agentur über den Versuch der Verteidiger, mittels günstiger Roboter die fehlenden Infanteristen zu ersetzen.
„Der Hyperkrieg wird kommen“: Russland und Ukraine setzen auf Robotik
Beziehungsweise, um die kämpfenden Soldaten möglichst lange am Leben zu halten, wie Kamyschin laut Foreign Policy sagt: „Wir zählen die Leute und wollen, dass unsere Leute so weit wie möglich von der Frontlinie weg sind. Das ist die Hauptphilosophie.“ „Der Fortschritt der Drohnen in der Ukraine könnte die Entstehung von Killerrobotern bewirken“, hat AP vor mehr als einem Jahr gemutmaßt. Wahrscheinlich war der Konjunktiv bereits zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der AP-Meldung überholt. John Allen spricht davon, dass „der Hyperkrieg kommen wird“. In einem Interview mit dem Italian Institute for International Political Studies (ISPI) sagte der US-General und politische Analyst, dieser werde „ein Krieg mit einer Geschwindigkeit sein, die wir Menschen uns nicht mehr vorstellen können“.
„Unter Stress in totaler Informationsüberflutung eine Entscheidung zu treffen, wie das gestern und heute in Teilen noch der Fall ist – dabei wird uns KI helfen, das zu sortieren, und Entscheidungen so vorzubereiten, dass der Mensch die bestmögliche Entscheidung treffen kann, um einen Gegner zu neutralisieren.“
Momentan läuft der Hyper-Krieg noch im ersten Gang – nimmt aber rasant Fahrt auf: „Dieses Jahr wird auch das Jahr der unbemannten Landsysteme“, sagte Kamyshin. „Wir werden mehr davon an der Front sehen. Das ist einer der bahnbrechenden Umbrüche, die wir in den nächsten zwölf Monaten erwarten.“ Auch Michael Rützel erwartet durch Drohnen jedweder Art eine Revolution auf dem Gefechtsfeld. Der Hauptmann von der Infanterieschule der Bundeswehr in Hammelburg sagte gegenüber dem Bundeswehr-Podcast Nachgefragt, bereits heute seien Drohnen die hauptsächliche Bedrohung des Infanteristen. „Sie sind ganz schwer aufzuklären und zu bekämpfen“. Diese Erfahrung aus der Luft setzt sich am Boden fort – durch Unmanned Ground Vehicles (UGV), also Bodendrohnen.
Weil die Soldaten fehlen: Russland und Ukraine füllen die Reihen mit Drohnen auf
Sie sind kleiner, kostengünstiger und unsichtbarer als andere Fahrzeuge. Darin jedenfalls sieht Jack Watling deren großen Vorteil, wie ihn Foreign Policy zitiert: „Wenn Sie durch eine Bresche vorrücken und feindliche Geschützstellungen versteckt sind, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Ihre Panzer ausschalten“, sagte der Experte für Landkriegsführung am Londoner Thinktank Royal United Services Institute (RUSI). „Wenn die UGV aber voranmarschierten und die Panzer dahinter, könne der Feind von den UGV entdeckt werden – er könne gleich von den UGV getötet werden. Aber wenn der Feind die UGV angriffe, würde der seine Position verraten und wiederum von den Panzern zerstört werden.“ Der taktische Nutzen dieser Roboter sei somit von unschätzbarem Wert.
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Im Dezember hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj davon berichtet, dass der Ukraine bis zu 500.000 Mann fehlen würden, um Wladimir Putin Einhalt zu gebieten – diese Lücke soll mittels des im Mai in Kraft getretenen Mobilisierungsgesetzes geschlossen werden; beispielsweise durch Herabsetzung des wehrfähigen Alters. Mitte August hatte die New York Times die militärischen Verluste der Ukraine auf rund 70.000 Tote und bis zu 120.000 Verletzte beziffert. Diese gelichteten Reihen an Soldaten versucht die Ukraine offenbar immer intensiver durch autonome Fahrzeuge zu kompensieren, vermutet beispielsweise der britische Telegraph.
„Seit Monaten werden die Roboter von den ukrainischen Streitkräften für alle möglichen Zwecke eingesetzt, vom Abriss von Brücken über den Transport von Versorgungsgütern an die Front bis hin zur Evakuierung verwundeter Soldaten.“ Das deckt sich mit der Meldung der Kyiv Post, dem ukrainischen militärischen Innovations-Cluster „Brave1“ lägen beinahe 150 Anträge zur Förderung und Entwicklung von UGV vor. Allerdings sind dem Einsatz aktuell Grenzen gesetzt, wie auch Bundeswehr-Infanterist Michael Rützel andeutet.
Gräben wie in den Weltkriegen: Für Roboter im Ukraine-Krieg noch wenig Platz
Infanteristische Auseinandersetzungen finden vor allem im Orts- und Häuserkampf sowie im Waldkampf statt, erläutert der Hauptmann. Der Waldkampf mit seinen Gräben ähnelt den Gefechten wie im Ersten oder Zweiten Weltkrieg. Die Technik der UGV steckt noch in den Kinderschuhen bezüglich deren Fähigkeiten in wechselndem Gelände, gegenüber Hindernissen und bezüglich des Stands von deren Technik: Die Widerstandsfähigkeit der zur Entscheidungsfindung notwendigen Sensoren sowie die Kapazität der Batterien ist von der uneingeschränkten Kriegstüchtigkeit noch weit entfernt. Möglicherweise sind die Roboterfahrzeuge zumindest auf bestimmten Gefechtsfeldern einsetzbar.
Die Roboter sollen künftig Nachschub heranrollen, abschleppen, Minen legen oder räumen sowie Kamikaze-Einsätze fahren, berichtet der Sender CBS über einen Spenden-Aufruf auf einer Website der ukrainischen Regierung. „Die Topografie in Teilen der Ukraine mit viel flacher und wenig bewachsener Fläche scheint mir, anders als urbanes Gelände, eher günstig für den Einsatz solcher Drohnen“, sagte Frank Sauer dem Spiegel. Im Gegensatz zum Politikwissenschaftler Universität der Bundeswehr in München mit dem Schwerpunkt Autonome Waffensysteme bleibt das Nachrichtenmagazin vorsichtig:
„Im Grunde sind diese Wagen nichts anderes als ferngesteuerte Modellautos mit einer Kamera.“ Den Krieg der Terminatoren werden die Armeen erst in ferner Zukunft ausfechten. Jedenfalls hatte das Johann Frank im Jahr 2020 gegenüber dem österreichischen Standard behauptet: „Es ist aber natürlich ein Unterschied, ob es nur um die Entwicklung von Prototypen geht oder ob man moderne Technologien strukturell in die Organisation integriert hat.“
Aufruf des Ministers: Ukrainer sollen eine Million Drohnen bauen – pro Jahr
„Bis ein entwickeltes und getestetes System eingeführt ist, dauert es mindestens zehn bis 15 Jahre“, sagte der Generalmajor des österreichischen Instituts für Friedenssicherung und Konfliktmanagement. CBS berichtet davon, dass die ukrainische Roboterarmee aber immerhin Formen annimmt: „Schätzungen zufolge produzieren landesweit rund 250 Start-ups im Verteidigungssektor diese autonomen Killer an geheimen Standorten, die in der Regel an ländliche Autowerkstätten erinnern“, berichtet der Sender.
Mychajlo Fjodorow ermutigt die ukrainischen Bürger demnach, kostenlose Online-Kurse zu belegen und Drohnen zu Hause zusammenzubauen. Der stellvertretende Ministerpräsident der Ukraine und Minister für digitale Transformation möchte, wie CBS berichtet, dass die Ukrainer jährlich eine Million Geräte bauen. Die Entwicklung verläuft so rapide wie die Empörung darüber – Menschenrechtsorganisationen und Teile der Wissenschaft blicken skeptisch auf Maschinen, denen eine den Menschen ähnliche Entscheidungsfähigkeit anerzogen wird.
Wie beispielsweise der künftig mit KI aufgemotzte Leopard, der vielleicht bald schon Vorschläge machen wird, welcher Gegner wie zu vernichten sei – wie Brigadegeneral Michael Volkmer erläutert: „Unter Stress in totaler Informationsüberflutung eine Entscheidung zu treffen, wie das gestern und heute in Teilen noch der Fall ist – dabei wird uns KI helfen, das zu sortieren, und Entscheidungen so vorzubereiten, dass der Mensch die bestmögliche Entscheidung treffen kann, um einen Gegner zu neutralisieren.“