Energieunternehmen schlagen Alarm: Gasspeicher sind zu leer
Risiko Mangellage: Nur 51 Prozent der Gasspeicher gefüllt – Experten warnen
Sollte der kommende Winter sehr kalt werden, könnten die Gasspeicher in Deutschland im Januar leerlaufen. Die Befüllung liegt deutlich unter dem Schnitt.
Berlin – Der kommende Winter könnte ungemütlich werden: Betreiber warnen, dass der Füllstand der Gasspeicher in Deutschland deutlich zu niedrig liegt. Das Problem: Selbst wenn die Regierung nun eingreift, ist eine vollständige Befüllung der Gasspeicher bis zum Beginn der Heizsaison technisch nicht mehr machbar.
Warnung vor dem Winter: Warum die aktuellen Füllstände der Gasspeicher nicht ausreichen
Die Initiative Energien Speichern (Ines) veröffentlichte am Mittwoch (9. Juli) ein Update zur Gasversorgungslage in Deutschland. Demnach lagen die Füllstände zum 1. April im Schnitt bei nur 29 Prozent. Bis Ende Juni stiegen sie auf 51 Prozent – das ist deutlich weniger als üblich und liegt auch unter dem EU-Schnitt. Das langjährige Mittel liegt demnach bei knapp 70 Prozent zu diesem Zeitpunkt. Außerdem sind laut Ines nur „rund 70 Prozent der deutschen Gasspeicherkapazitäten durch Marktakteure gebucht – entsprechend können sie zu diesem Anteil befüllt werden.“
Für eine sichere Versorgung bei sehr niedrigen Temperaturen reiche dieser Füllstand aber nicht aus, warnen die Experten. Zwar kann die Bundesregierung eingreifen, um den Füllstand zu steigern. Eine vollständige Befüllung der Gasspeicher bis zum 1. November 2025 – dem Beginn der Heizsaison – sei laut den Experten allerdings „bereits heute technisch nicht mehr möglich.“ Wären die Speicher dann wie absehbar nur zu 70 Prozent gefüllt, würden sie bei einem „extrem kalten Winter“ bis Ende Januar leerlaufen.

Vorgabe gesenkt, doch Risiko bleibt: Gasbetreiber bezweifeln Versorgungssicherheit
Die Bundesregierung war zuletzt zu der Einschätzung gelangt, dass die Gasversorgung in Deutschland gesichert ist. Im Zuge der Energiekrise nach Beginn des Ukraine-Kriegs hatten die EU und Deutschland hohe Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen festgelegt. Zuletzt wurden die Vorgaben für Gasspeicheranlagen in Deutschland aber reduziert. „Die Füllstandsvorgaben werden zum 1. November eines Jahres für alle Kavernenspeicher von 90 Prozent auf 80 Prozent abgesenkt – unter Beibehaltung eines hohen Maßes an Versorgungssicherheit“, hieß es im April in einer Mitteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft. Kavernen sind die reaktionsfähigeren Speicher, Porenspeicher hingegen können nur langsamer befüllt und entleert werden.
„Die Gasversorgungssituation hat sich inzwischen durch zahlreiche Maßnahmen, unter anderem durch die LNG-Terminals an Nord- und Ostsee sowie durch die Erhöhung der Pipeline-Importe aus Norwegen, deutlich stabilisiert“, erklärte das Wirtschaftsministerium die Entscheidung. Deshalb senkte man auch die im Jahr 2022 eingeführte Alarmstufe zum 1. Juli 2025 auf „Frühwarnstufe“ ab. Aus Sicht der Gasspeicherbetreiber könnte allerdings durchaus eine Mangellage drohen: Es stelle sich die Frage, „wie die Bundesregierung Gas-Versorgungssicherheit im kommenden Winter vollständig gewährleisten wird“, sagte Ines-Geschäftsführer Sebastian Heinermann am Mittwoch.
Der Markt soll’s richten: Reiche vertraut auf Preisanreize
Katherina Reiche (CDU) hatte das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) übernommen und kräftig umgebaut. Mehr Marktwirtschaft ist die Devise. Geht es nach der neuen Ministerin, soll der staatliche Gaseinkäufer Trading Hub Europe (THE) nur noch im Notfall Gas einkaufen. Unter Habeck hatte die THE schon im Sommer vorsorglich Gas gekauft, um die Speicher früh zu füllen. Reiche setzt nun stattdessen auf Investitionsanreize durch die Preisdifferenz zwischen Sommer- und Winterpreisen. Derzeit sind die Preise jedoch vergleichsweise hoch: Die Gaspreise für Sommerlieferungen 2025 lagen zuletzt bei 52 Euro und damit über jenen für den Winter 2025/26 (49 Euro).
Die Preisdifferenz zwischen Sommer und Winter habe in diesem Jahr kaum Anreize geboten, viel Gas einzuspeichern, räumte auch das Wirtschaftsministerium auf eine Anfrage von Welt ein. Eine der Folgen: Der größte Gasspeicher Deutschlands in Rehden ist derzeit nur zu etwa zwei Prozent gefüllt. Niedriger war der Stand zuletzt vor Beginn des Ukraine-Kriegs. Eine Anfrage des NDR an die Bundesnetzagentur ergab mit Blick auf eine mögliche Gasmangellage kein klares Dementi, wie das Medium berichtet. Die Agentur habe aber darauf verwiesen, dass man nicht einzelne Speicher, sondern alle zusammen betrachten müsse.
Es gebe außerdem LNG-Terminals, etwa in Wilhelmshaven, Brunsbüttel und in Mukran auf Rügen, zitiert NDR die Bundesnetzagentur weiter. Darüber ließe sich das Flüssigerdgas LNG im Notfall schnell besorgen, beispielsweise über Tankschiffe. „Die Speicheraktivitäten haben nun aber deutlich zugenommen“, teilte indes das Wirtschaftsministerium gegenüber Welt mit. „Eine Vielzahl der Speicher ist jetzt zu über 70 Prozent, zum Teil zu über 90 Prozent bereits gefüllt“, hieß es in dem Bericht am Mittwoch.