Warnung vor weltweiter Gasknappheit – doch Habeck sieht in Deutschland ein Ende der „Gasmangellage“
Warnung vor weltweiter Gasknappheit – doch Habeck sieht in Deutschland ein Ende der „Gasmangellage“
Die Internationale Energieagentur IEA warnt: Geopolitische Konflikte, hohe Nachfrage in Asien und unsichere Handelsrouten könnten zu Engpässen in der Gasversorgung führen. Sind die Sorgen berechtigt?
Paris – Drohen im anstehenden Winter Engpässe bei Gaslieferungen? Laut der Internationale Energieagentur IEA ist dieses Szenario nicht so unwahrscheinlich. Geopolitische Unsicherheiten, ein höherer Bedarf an Gas in Asien sowie stockende Schiffslieferungen könnten die weltweite Gasversorgung in den kommenden Monaten erschweren.
Doch ist die Warnung tatsächlich begründet?
Deutschlands Gasspeicher fast vollständig gefüllt – Robert Habeck sieht Ende von „Gasmangellage“
Für Deutschland gelten diese Sorgen eher weniger. Aktuell sind die insgesamt 49 Gasspeicher der Bundesrepublik mit einer Auslastung von 96 Prozent gut befüllt. Laut Experten könnte Deutschland mit dem Niveau von rund 27,1 Milliarden Kubikmetern Erdgas bis zu drei normal kalte Wintermonate durchhalten. Das entspricht einem Verbrauch von 240 Milliarden Kilowattstunden. Im Fall der Fälle habe man über die LNG-Terminals eine „Puffer-Kapazität“, hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vor rund zwei Wochen am Rande eines Besuchs der Meyer Werft in Papenburg erklärt. Gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung sprach er zudem davon, dass es in Deutschland keine Gasmangellage mehr gäbe.
Aktuell liegen die Preise für eine Megawattstunde Gas stabil bei unter 40 Euro. Dieses Niveau könnte sich auch bis über den Winter halten, trotz aller Volatilität der Märkte: „Wenn wir jetzt Preisschwankungen haben, die nur einige Wochen anhalten werden, dann wird das keine Auswirkungen auf die Preise haben, die Haushalte für Erdgas bezahlen“, erklärt auch Malte Küper, Referent für Energie und Klimapolitik am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.
Ukraine kündigt Aus für Gastransit aus Russland an – mit erheblichen Folgen für Europa?
Darüber hinaus ist auch der Gasverbrauch in Deutschland recht niedrig. Dem Spiegel sagte Georg Zachmann, Energiemarktexperte beim Brüsseler Thinktank Bruegel, dass EU-weit zuletzt viel Strom aus Solarpanels erzeugt wurde – und damit Gaskraftwerke ersetze. Im ersten Halbjahr 2024 spiegelte sich dieser Trend auch in den Zahlen wider: EU-weit beliefen sich die mit Erdgas erzeugten Strommengen auf rund 150 Terawattstunden. Im selben Zeitraum 2022 lagen diese noch bei 220.
Als Hauptgrund für die Warnung führte die IEA das Auslaufen der Verträge zwischen Moskau und der Ukraine zum Gastransit nach Europa an. Durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine befürchtet die Agentur eine ausbleibende Einigung über das Laufzeitende 2024 hinaus, wodurch Europa verstärkt auf Lieferungen von Flüssiggas (LNG) zurückgreifen müsste. Und tatsächlich hat die Ukraine unlängst angekündigt, den Vertrag ab 2025 nicht mehr verlängern zu wollen, solang der Krieg anhält. Diese Nachfrageverschiebung würde in der Folge das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage beeinflussen und die Lieferkapazitäten unter Druck setzen – hieß es von Seiten der IEA weiter.

Österreich als Beispiel kolossaler Gas-Abhängigkeit: Preisanstieg von zehn bis zwanzig Prozent
In Europa beziehen allerdings nur noch Österreich, Ungarn und die Slowakei russisches Pipelinegas. Besonders die Alpenrepublik ist nach wie vor stark abhängig von russischem Gas und deckt ihren Bedarf zu 80 Prozent aus Russland. Sollte der Gastransit durch die Ukraine wegfallen, gibt es dennoch mehrere Varianten, diesen zu ersetzen. Etwa durch LNG-Flüssiggas-Lieferungen aus Russland, die bereits Frankreich, Spanien, Belgien und die Niederlande aktuell beziehen. Dafür müsste auch Österreich stärker in die Infrastruktur investieren und mehr LNG-Terminals aufziehen. Eine weitere Möglichkeit wären Gas-Importe aus Norwegen oder den USA, die zum Beispiel Deutschland in den vergangenen Monaten im großen Stil die Gasspeicher befüllten. Im zweiten Quartal 2024 war Norwegen mit 23,9 Milliarden Kubikmetern der größte Gaslieferant der EU, gefolgt von Russland mit 12,7 Milliarden Kubikmetern sowie den USA mit 12,3 Milliarden Kubikmetern.
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Laut Informationen des Spiegel rechne die österreichische Regierung im Falle eines Pipeline-Aus mit rund zehn bis zwanzig Prozent höhere Preisen für den Endkunden. Das liegt auch daran, weil importiertes Flüssiggas teurer wäre als das nach wie vor billige Transit-Gas aus Russland.
Indien profitiert von niedrigen LNG-Preisen – ist aber nicht von diesen Abhängig
Aufgrund der hohen Lieferungen aus Norwegen gingen in der EU im ersten Halbjahr die LNG-Importe um rund elf Prozent zurück. Das hat auch Folgen für den Weltmarkt – allerdings weniger negative, wie es die IEA prophezeit. Die hohe Nachfrage aus Asien sieht die Agentur dabei als Faktor. Als viertgrößter Importeur von LNG profitiert etwa Indien derzeit sogar vom billigen Preis für Flüssiggas. Zwischen April und Juli 2024 stieg der Verbrauch von Erdgas im Vergleich zum Vorjahr um 8,8 Prozent auf 23,4 Milliarden Kubikmetern.
Laut Zahlen der Petroleum Planning and Analysis Cell des Ölministeriums in Indien machten davon rund ein Drittel Importe aus. Sollte der volatile Markt wieder anziehen und die Preise steigen, könne Indien aber problemlos wieder auf Kohlekraftwerke umsteigen – und darüber ihren Strom beziehen. Die Sorge vor einer Überlastung des LNG-Marktes wäre damit vom Tisch.
IEA-Direktor: Energiemärkte und -sicherheit sind sehr fragil – erholen sich allerdings langsam wieder
Ein realistischer Faktor für potenzielle Versorgungsengpässe sind hingegen die unsicheren Handelsrouten im Panamakanal und im Roten Meer. Da die Attacken auf vor allem westliche Frachtschiffe durch Huthi-Rebellen, sonstige Terroristen oder Piraten weiter anhalten würden, rate die Energieagentur zu einer flexiblen Gas- und Flüssiggas-Versorgungskette. Die Balance zwischen Angebot und Nachfrage von Erdgas schätzt Keisuke Sadamori, IEA-Direktor für Energiemärkte und -sicherheit, als sehr fragil ein. Speziell, wenn ein kalter Winter über Europa hereinbrechen sollte.
Auch deshalb sollten alle Beteiligten enger zusammenarbeiten und etwa das ukrainische Gasspeichersystem in den globalen Markt integrieren. Trotz aller Warnungen verkündete der IEA-Direktor aber auch eine positive Nachricht: „Das Wachstum der weltweiten Gasnachfrage in diesem und im nächsten Jahr spiegelt die allmähliche Erholung von der globalen Energiekrise wider, die die Märkte hart getroffen hat.“