Indien reagiert auf Pahalgam-Terror und verweist alle Pakistaner des Landes
Kaschmir steht schon lange im Zentrum des Konflikts zwischen Indien und Pakistan. Der Terroranschlag in Pahalgam auf Touristen reißt alte Wunden auf.
Pahalgam – Nach dem tödlichen Angriff auf Touristen im indisch kontrollierten Teil von Kaschmir am Dienstag hat Indien Maßnahmen gegen Pakistan ergriffen. Pakistan unterstütze in Kaschmir „grenzüberschreitenden Terrorismus“, hieß es aus Neu-Delhi.
Indien hat die Ausweisung aller pakistanischen Staatsangehörigen bis zum 29. April angeordnet. „Alle pakistanischen Staatsangehörigen, die sich derzeit in Indien aufhalten, müssen Indien vor Ablauf der Visa verlassen“, erklärte das Außenministerium am Donnerstag in Neu-Delhi. Die Spannungen zwischen der beiden Nachbarländern verschärfen damit erneut schlagartig.
Nacht Pahalgam-Terror auf Touristen kündigt Indien Wasservertrag mit Pakistan
Außerdem wird der Indus-Wasservertrag, ein Wasseraufteilungspakt zwischen Indien und Pakistan, mit sofortiger Wirkung ausgesetzt. Dies beschloss das Sicherheitskabinett des indischen Premierminister Narendra Modi in einer Sondersitzung. Die Suspendierung des Wasservertrags wird als ein Schritt gesehen, der das Nachbarland besonders empfindlich treffen könnte. Das 1960 unter Vermittlung der Weltbank ausgehandelte Vertrag regelt die Wassernutzung des Indus und seiner Nebenflüsse. Der Indus ist der wichtigste Fluss Pakistans.
Der Indus-Wasservertrag werde so lange außer Kraft gesetzt, „bis Pakistan glaubhaft und unwiderruflich der Unterstützung des grenzüberschreitenden Terrorismus abschwört“, sagte der Staatssekretär im Außenministerium, Vikram Misri und sprach von „grenzüberschreitenden Verbindungen“ bei dem Anschlag. Er warf Pakistan vor, Terrorismus zu unterstützen. Die Regierung in Islamabad hatte zuvor jede Beteiligung an dem Anschlag zurückgewiesen
Spannungen zwischen Indien und Pakistan: Grenze geschlossen, Diplomaten ausgewiesen
Laut einem Bericht von Al Jazeera schließt Indien außerdem den Grenzübergang Attari zu Pakistan mit sofortiger Wirkung. Pakistanische Militärberater im pakistanischen Hochkommissariat in Neu-Delhi wurden zur „persona non grata“ erklärt und haben eine Woche Zeit, das Land zu verlassen. Indien wird seine eigenen Militärberater aus dem Hochkommissariat in Islamabad abziehen.

Auch Pakistan hat indische Diplomaten ausgewiesen und weitere Strafmaßnahmen gegen Neu Delhi angekündigt. Die Regierung in Islamabad erklärte am Donnerstag mehre indische Diplomaten zu unerwünschten Personen, die das Land „sofort“ verlassen müssten, wie das Büro des pakistanischen Regierungschefs Shehbaz Sharif mitteilte. Außerdem sollen alle Visa für indische Staatsbürger mit Ausnahme von Sikh-Pilgern annulliert werden, die Grenze soll geschlossen und der Handel ausgesetzt werden.
„Bitte denken Sie nicht, dass die Kaschmiris Ihre Feinde sind“ – indischer Politiker warnt vor Hass
Neben den diplomatischen Verstimmungen zwischen den beiden ohnehin verfeindeten Staaten leidet auch das gesellschaftliche Klima. Der Ministerpräsident von Jammu und Kaschmir, Omar Abdullah, drückte seine tiefe Trauer über den jüngsten Anschlag in Pahalgam aus und bat die Bevölkerung um Einheit und Ruhe. „Bitte denken Sie nicht, dass die Kaschmiris Ihre Feinde sind. Wir sind nicht schuldig. Auch wir haben in den letzten 35 Jahren gelitten“, sagte er einem Al Jazeera-Bericht zufolge.
Studierende aus Kaschmir in ganz Indien klagen über Fälle von Bedrohung und Einschüchterung. „Das ist eine bewusste und gezielte Kampagne des Hasses und der Verunglimpfung gegen Studenten aus einer bestimmten Region und mit einer bestimmten Identität“, erklärte am Donnerstag der Obmann der Vereinigung von Studenten aus Kaschmir, Nasir Khuehami.

Bei dem Anschlag im beliebten Urlaubsort Pahalgam am Dienstag waren 26 Menschen getötet worden, darunter 25 Inder. Zu dem Angriff bekannte sich zunächst keine Gruppe. In der mehrheitlich von Muslimen bewohnten Region Kaschmir sorgen Aufständische seit Jahrzehnten für Unruhen. Sie fordern die Unabhängigkeit Kaschmirs oder einen Anschluss an Pakistan, das ebenfalls einen Teil des Gebiets kontrolliert.
Nach Terror in Kaschmir: Indien soll bereits rund 1500 Personen festgenommen haben
Die Suche nach den Angreifern läuft währenddessen auf Hochtouren. Nach dem Anschlag gab es Medienberichten zufolge Hunderte Festnahmen im indisch kontrollierten Teil Kaschmirs. Wie der Sender NDTV und andere indische Medien unter Berufung auf Informanten berichteten, wurden in der Region im Kontext des Anschlags bislang etwa 1500 Personen festgenommen, um sie zu möglichen Verbindungen zu den Tätern zu befragen.
Kaschmir steht seit Jahrzehnten im Mittelpunkt eines Konflikts zwischen beiden Ländern, die jeweils einen Teil der Region kontrollieren. Beide beanspruchen das ganze Gebiet für sich. Die beiden Atommächte führten bereits zwei Kriege um die Herrschaft über das Himalaya-Tal. In der Stadt Jammu kam es am Mittwoch zu antipakistanischen Protesten. Die Teilnehmer forderten, dass Terroristen mit Gewalt aus der Region vertrieben werden sollen, wie indische Medien berichteten. Rebellengruppen kämpfen im indischen Teil Kaschmirs, der vorwiegend muslimisch geprägt ist, derweil für eine Unabhängigkeit vom mehrheitlich hinduistischen Indien – oder für einen Zusammenschluss mit Pakistan. (lm/dpa/afp)