Berater, Partner, Freunde - Das Machtnetzwerk hinter Friedrich Merz! Auf wen der CDU-Boss gerade besonders hört

Wäre alles anders gekommen in der zurückliegenden Woche, wenn Wolfgang Schäuble noch da wäre? Der Ende 2023 verstorbene Grandseigneur der CDU war für deren heutigen Parteichef über Jahrzehnte Mentor und väterlicher Freund, der auch bei der Rückkehr von Friedrich Merz auf die politische Bühne eine zentrale Rolle spielte. Merz betont häufig, wie sehr ihm Schäuble fehlt – auch als Berater.

Davon hat der Kanzlerkandidat freilich auch in der Gegenwart genug. Nur haben jene in der Partei, die das Abstimmen mit der AfD zuletzt für einen großen Fehler gehalten haben, das Gefühl, ihr Bundesvorsitzender umgebe sich mit einer Truppe, die zu ähnlich denke wie er selbst und Ratschläge nur aus einer Richtung gebe.

Weil Merz lange aus dem politischen Geschäft draußen war, sind viele seiner engen Arbeitsbeziehungen erst in seiner Zeit an der Partei- und Fraktionsspitze entstanden. Das betrifft insbesondere CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei, die in der jeweiligen Struktur als seine „rechten Hände“ gelten dürfen. Ob Grundsatz- oder Wahlprogramm, aktuelle oder strategische Entscheidungen – die beiden sind stets eng eingebunden.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt als Merz’ erster Stellvertreter in der Fraktion gilt als wichtiger Brückenbauer zur bayerischen Schwesterpartei. Das gilt umso mehr, als das Verhältnis zu deren Parteichef Markus Söder rein funktional und von wenig persönlicher Sympathie geprägt ist.

Mit gewissen Abstrichen nehmen auch die beiden Fraktionsvize Julia Klöckner und Jens Spahn Einfluss – Letzterer wurde auch zeitweise im Büro von Merz gesichtet, als dieser am Freitag mit SPD, Grünen und FDP über eine letztlich gescheiterte Last-minute-Einigung zur Migrationspolitik verhandelte.

Mit Wüst hat Merz eher eine Arbeitsbeziehung

Die jeweilige Ausgangslage der beiden hätte kaum unterschiedlicher sein können: Während Klöckner Merz schon bei dessen erster Kandidatur für den Parteivorsitz unterstützte, nun ihre Loyalität gedankt bekommt und als für Parteispenden zuständige Schatzmeisterin eine wichtige Rolle im Wahlkampf spielt, war Spahn 2018 und 2020 Konkurrent von Merz. Man hat sich jedoch arrangiert.

Gegenüber Spahns damaligem Teampartner Armin Laschet verhielt sich Merz stets loyal. Der frühere NRW-Ministerpräsident holte Merz als Brexit-Berater an die Seite der Landesregierung, als der sein Comeback noch gar nicht gestartet hatte. 

Mit Hendrik Wüst, Laschets Nachfolger als Chef von Merz’ CDU-Landesverband, stimmt sich der Bundesvorsitzende ebenfalls eng ab. Auch wenn es eher eine Arbeitsbeziehung ist, war Wüsts Unterstützung für die Kanzlerkandidatur zentral.

Handlungsoptionen kommen von Jörg Semmler und Jacob Schrot

Mindestens so wichtig für Merz sind diejenigen, die ihm aus der zweiten Reihe nicht nur zuarbeiten, sondern ihn auch mit möglichen Handlungsoptionen versorgen. Im Bundestag sind das Fraktionsdirektor Jörg Semmler und insbesondere Merz’ Stabschef Jacob Schrot

Mit ihm, der schon in der außenpolitischen Abteilung des Kanzleramts gearbeitet hat, teilt Merz das große Interesse am Weltgeschehen. Beide sind bei den täglichen Abstimmungsrunden stets mit von der Partie.

Im Konrad-Adenauer-Haus ist für die Kommunikation des Kanzlerkandidaten der frühere TV-Journalist Hero Warrings zuständig, der von Vorvorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer geholt worden war. 

Mittlerweile spielt er eine größere Rolle als Armin Peter, der Merz mit am längsten begleitet und schon in dessen Zeit beim Wirtschaftsrat der CDU und in der Phase seines Comebacks für ihn sprach.

Mit dem Politologen Michael Eilfort bespricht sich Merz regelmäßig

Wirklich alte Bekannte führen die beiden Büros von Merz in der Parteizentrale und in seinem Wahlkreis, dem Hochsauerlandkreis – dementsprechend gehören sie zu jenen, auf die Merz hört und denen er vertraut. In der Berliner Klingelhöferstraße heißt die Büroleiterin Barbara Götze. Sie hat schon im Forschungsministerium gearbeitet und ist mit einem langjährigen Wegbegleiter von Merz verheiratet.

Der Politologe Michael Eilfort, der heute der Stiftung Marktwirtschaft vorsteht, führte im Büro des Sauerländers die Geschäfte, als dieser in den Jahren 2000 bis 2002 schon einmal Unionsfraktionschef war. Noch immer, so ist zu hören, wird regelmäßig miteinander telefoniert und über die aktuelle Lage gesprochen.

Zu Hause im sauerländischen Wahlkreis regelt Petra Schauerte die Dinge – und nicht nur dort. Ihr wird auch insgesamt ein großer Einfluss darauf zugeschrieben, wen Merz wann trifft, wer zu ihm durchdringt und welche Termine er wahrnimmt.

Im Sauerland lebt natürlich auch Ehefrau Charlotte Merz. Ihr, der erfolgreichen Juristin und Direktorin des Amtsgerichts in der gemeinsamen Heimatstadt Arnsberg, wird wie in allen gut funktionierenden Beziehungen großer Einfluss auf das Denken und Handeln ihres Partners nachgesagt. Das passiert freilich hinter den Kulissen und nicht im Tagesgeschäft.

Auch zwei alte Männerfreunde spielen eine wesentliche Rolle

Im aktuellen Betrieb sind auch zwei alte Männerfreunde nicht präsent, denen aber von Merz gleichermaßen viel Gehör geschenkt wird. Die Rede ist von den beiden früheren CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch und Günther Oettinger. Beide gehören dem sogenannten „Andenpakt“ an, einer Art Treuebund einst junger Christdemokraten, die einander unterstützen wollten. Merz soll erst einige Jahre nach dessen Gründung zum Club der Kohl-Enkel hinzugestoßen sein, die die parteiinterne Macht unter sich aufteilen wollten – bis Angela Merkel kam.

Die Freundschaften haben überdauert. „Ich stehe mit Friedrich Merz im regelmäßigen Austausch“, sagte der frühere EU-Kommissar Oettinger dem Tagesspiegel, „allerdings nicht zu tagesaktuellen Themen:“

Mehr noch als Oettinger soll Koch in letzter Zeit mehr als nur ein Politikfreund, sondern auch ständiger Berater und Gesprächspartner gewesen sein. In CDU-Kreisen heißt es beispielsweise, dass der Merz-Vorstoß zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit für Doppelstaatler, die schwere Straftaten begehen, direkt auf Koch zurückgehen könnte. Dieser hatte einst im hessischen Wahlkampf 1999 mit einer Unterschriftenkampagne gegen den „Doppelpass“ reüssiert.

Zu den langjährigen Freunden aus dem politischen Betrieb, mit denen es auch gelegentlich auf den Golfplatz gehen soll, gehört Parteikreisen zufolge auch der konservative Publizist und Verleger Wolfram Weimer.

Nicht wirklich zu den ganz engen Beratern gehören jene in dem Netzwerk, das Merz sich im Laufe der Jahre in Politik und Wirtschaft aufgebaut hat und dessen Expertise er für sich nutzen will.

Kontakt besteht auch zum Bundespolizeichef

Gerade jetzt im Wahlkampf wird häufig mit Renate Köcher vom Meinungsforschungsinstitut Allensbach telefoniert, in dessen Umfragen die CDU zurzeit deutlich besser dasteht als bei der demoskopischen Konkurrenz. Köcher war zuletzt auch bei der Vorstandsklausur in Hamburg zu Gast.

Dort hörte die Partei auch von Bundespolizeichef Dieter Romann, was besonders im Zusammenhang mit den von Merz befürworteten Zurückweisungen von Asylbewerbern an der Grenze eine wichtige Rolle spielt. Der CDU-Chef fühlt sich vom Chef der Organisation, die das umsetzen müsste, in seiner Linie bestätigt.

In wirtschaftspolitischen Fragen steht Friedrich Merz in einem regelmäßigen Austausch mit Peter Leibinger, dem Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, wie es im Adenauerhaus heißt – natürlich nicht ohne zu betonen, dass auch Kontakte mit Gewerkschaften gepflegt werden. Am liebsten aber hört Merz direkt von Unternehmern.

Einer von jenen, die das Ohr des Kanzlerkandidaten haben, ist Martin Herrenknecht aus Baden-Württemberg. Der Gründer des gleichnamigen Tunnelbohrmaschinen-Herstellers fordert seit vielen Jahren einen radikalen Bürokratieabbau. Friedrich Merz hat das zu einem zentralen Punkt seiner sogenannten „Agenda 2030“ gemacht, mit der er die Wahl gewinnen will.

Von Christopher Ziedler

Das Original zu diesem Beitrag "Wer berät Friedrich Merz?: Auf wen der Unions-Kanzlerkandidat hört" stammt von Tagesspiegel.