Vater (50) wegen „Misshandlung“ angeklagt

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Gewalt gibt es auch im häuslichen Umfeld, wie dieses Symbolbild zeigt. © Fabian Sommer

Von einer „schwierigen Zeit“ seines Sohnes berichtete der 50-jährige Angeklagte vor dem Weilheimer Amtsgericht. Als dieser einmal nachts ausgebüxt war, hatte er ihn geschlagen. Dass er dem Jugendlichen aber einen Mülleimer in die Hand gedrückt und ihn in seinem Zimmer eingesperrt haben soll, dementierte der Weilheimer.

Nicht nur geschlagen, sondern auch für mehrere Stunden in seinem Kinderzimmer eingesperrt haben, soll ein 50-jähriger Weilheimer seinen heute 15-jährigen Sohn. „Zur Verrichtung der Notdurft“ habe der damals 12-Jährige von seinem Vater lediglich einen Mülleimer bekommen, hieß es in der Anklage. Folglich waren gegen den Beschuldigten Ermittlungen eingeleitet worden: „Misshandlung von Schutzbefohlenen“ lautete der durchaus dramatisch klingende Vorwurf vor dem Weilheimer Amtsgericht.

Eine „Watschn“ verteilt zu haben, räumte der 50-Jährige umgehend ein, wehrte sich aber gegen den zweiten Vorwurf: Dass er seinen Sohn nur mit einem Abfalleimer ausgestattet eingesperrt haben soll, „stimmt einfach nicht“, sagte er. Nicht die Kinderzimmertür, sondern lediglich die Haustür will er – aus gutem Grund, wie er anschließend erklärte – nachts verschlossen haben. Der damals 12-Jährige „musste zwar in der Wohnung bleiben, durfte aber alle Zimmer nutzen“, stellte der Vater klar.

Mülleimer für die Notdurft

„2022 hat er nicht mehr gefolgt“, erinnerte sich der 50-Jährige anschließend an eine „schwierige Zeit“ seines Sohnes. In diesem Zeitraum sei er sogar einmal vom Balkon gesprungen und habe sich klammheimlich aus dem Staub gemacht. Stundenlang will er seinen Sohn damals mit einer Taschenlampe in der Dunkelheit gesucht und auf dem Stadtgebiet nahezu jeden Stein umgedreht haben. Um den Bub zu finden, hatte er schließlich sogar die Polizei eingeschaltet, berichtete der Angeklagte. Dass er im Nachgang eine „Watschn“ ausgeteilt hatte, damit habe er sich später „ewig beschäftigt“, bedauerte er seine damalige Kurzschlussreaktion. „Ich hatte einfach Angst, dass ich ihn irgendwo im Bach finde“, ergänzte der 50-Jährige.

Aufgrund von prägenden Erfahrungen, die der Angeklagte zu Kriegszeiten auf dem Balkan gemacht haben will, bereite es ihm schlichtweg ein ungutes Gefühl, wenn die Haustür nachts nicht abgeschlossen ist oder „wenn die Kinder irgendwo hingehen, wo ich es nicht weiß“, erzählte er.

Der 15-Jährige lebe nun schon seit einiger Zeit bei seiner Schwester im Kosovo, erklärte der Weilheimer. Nicht selten erzähle der Jugendliche „unglaubliche Geschichten, die nicht stimmen“– und auch sonst „viel Schmarrn“, spielte er auf den Sachverhalt mit dem Mülleimer an.

Überraschenderweise wollte sich der 15-Jährige nicht zu dem Vorfall äußern. Extra aus dem Kosovo angereist, verweigerte er im Zeugenstand die Aussage. Per Gesetz hat er als Familienangehöriger allerdings auch das Recht dazu. Auf einen Polizisten, der die Familie vergleichsweise gut kennen soll, wollte die Richterin aber nicht verzichten. Ihr ging es vorrangig um die Glaubwürdigkeit der beiden Parteien.

Wie der Beamte erklärte, habe sich der Sohn zuletzt bemüht, seinen Vater nicht weiter anzuschwärzen. Im Gespräch mit dem Polizisten sei der 15-Jährige sogar noch einen Schritt weiter gegangen und habe die Watschn tatsächlich sogar gutgeheißen. Bei dem, was er seinem Vater häufig angetan hätte, habe dieser in seinen Augen das Recht dazu, ihn bei Bedarf zu verprügeln, gab der Polizist die Unterhaltung mit dem Zeugen wieder. Der 15-Jährige habe ihm mitgeteilt, dass im Kosovo ohnehin viel stärker durchgegriffen werde. „Ganz anders“ sei es dort. Ein zeitweiliges, etwas gewaltsameres Einschreiten sei nach Überzeugung des Jugendlichen deshalb durchaus in Ordnung gewesen.

Einem Nachbar zufolge habe es innerhalb der Familie im Übrigen häufiger Streit gegeben, sagte der Polizeibeamte. Mit dem 15-Jährigen überfordert sei vor allem dessen Stiefmutter gewesen.

„Unglaubliche Geschichten“ erzählt

Ob man den damaligen Angaben des 15-Jährigen nun Glauben schenken soll oder nicht, darüber waren sich auch die Verfahrensbeteiligten nicht ganz einig: „Irgendwas muss dran sein“, vermutete der Polizeibeamte, zeigte im gleichen Zug aber auch für die Besorgnis des Vaters Verständnis. Von der Geschichte des Jugendlichen, eingesperrt worden zu sein, habe der Polizist ebenfalls gewusst. Der Sohn habe sich damals große Sorgen gemacht, sagte er: „Kommt der Vater heute wieder oder erst morgen.“ Die Erziehung des Jugendlichen sei wohl „nicht ganz leicht“ gewesen. Immerhin zeichne sich der 15-Jährige durch ein „leicht verschobenes Weltbild“ aus, merkte der Polizist abschließend an.

Dass der Prozess mit einem Urteil enden wird, wurde im Laufe der Beweisaufnahme immer unwahrscheinlicher. Vieles deutete letztlich auf eine Einstellung hin. Dennoch betonte auch der Verteidiger, „ein Verfechter der gewaltfreien Erziehung“ zu sein. Jemanden nur mit einem Eimer einzusperren, sei in jedem fall ein „No-Go“. „Schlagen gehört nicht in das Repertoire eines elterlichen Baukastens“, verkündete Richterin Claudia von Hirschfeld.

Die Beteiligten einigten sich schließlich auf eine Einstellung des Verfahrens – gegen Geldauflage. 900 Euro hat der 50-Jährige nun an die Brücke Oberland zu zahlen.

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