Nach dem BWL-Studium in der Backstube gelandet: 27-Jährige wagt außergewöhnlichen Karriereweg

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Seit Kindertagen backt die Penzbergerin Antonia Wilhelm mit Leidenschaft. Die frisch gebackene Konditormeisterin begeistert sich vor allem für Tortenkreationen in sanften Tönen, aus regionalen, natürlichen Zutaten und mit Blumendekor. © Antonia Reindl

Seine Leidenschaft zum Beruf machen – davon träumen viele. Antonia Wilhelm aus Penzberg hat diesen Traum wahr werden lassen. Kürzlich machte die junge Konditorin ihren Meister – und schloss als eine der Jahrgangsbesten ab.

Penzberg – Man möchte die Torte am liebsten unangetastet lassen. Es ist ein Kunstwerk, in dem viel Arbeit, reichlich Zutaten und eine große Portion Leidenschaft stecken. Doch Vergänglichkeit gehört zum Konditorhandwerk eben dazu. Das, was geschlagen, gebacken und geschichtet wurde, soll ja genossen werden. Antonia Wilhelm greift zum Messer und schneidet ein Stück heraus. Gleichmäßige Schichten treten zum Vorschein. Nougat, Schokolade, Himbeeren. Auf die schöne Optik folgt eine buttercreme-ummantelte Gaumenfreude. Das überrascht nicht: Die 27-Jährige hat vor kurzem die Meisterschule für das Konditorhandwerk in München abgeschlossen, und zählte dabei zu den Jahrgangsbesten.

Maulwurfkuchen im sicheren Expressverfahren. Antonia Wilhelms erste Backkreationen waren keine Meisterwerke. Wie sollten sie auch, griff die Penzbergerin doch schon als Neunjährige zu Teigspachtel und Rührstäben. Damals startete sie erst einmal sachte, mit Fertigbackmischungen. „Nach und nach“ habe sie sich ans Backen „rangetastet“, erzählt die heute 27-Jährige. Als Teenie versuchte sie sich an ihrer ersten Schwarzwälder Kirschtorte. Sie muss lachen, wenn sie daran zurückdenkt. Damals hätten ihre Freundin und sie nicht gewusst, wie Stärke verarbeitet werde. Viel zu viel davon landete in der Backmasse. Am Ende musste man sich zumindest keine Gedanken hinsichtlich der Stabilität machen. Vermutlich hätte nicht einmal ein Sturz die feste Torte aus der Form gebracht. Ganz lange habe sie von einem eigenen Café geträumt, erzählt Wilhelm. Davon hat sie sich mittlerweile verabschiedet, nicht aber vom Backen und auch nicht vom Selbstständigkeitsbestreben.

In einem Luxushotel gearbeitet

Schon früh wusste die Penzbergerin, dass es sie in die Selbstständigkeit ziehen wird. „Ich bin gerne am Organisationsprozess beteiligt“, erklärt die Konditormeisterin. Ihr betriebswirtschaftliches Studium dürfte die Organisationsfreude noch befeuert haben. Nach ihrem Schulabschluss wollte Wilhelm erst einmal studieren. Sie zog nach München, fürs Mathematikstudium. Das aber war ihr zu theoretisch. Sie wechselte zu BWL. Nach ihrem Bachelorabschluss besann sie sich auf ihre Leidenschaft zurück: Backen. Die Penzbergerin absolvierte eine Ausbildung zur Konditorin in einem kleinen Münchner Betrieb. Anschließend arbeitete sie als Gesellin in der Patisserie eines Luxushotels. Zwei Auslandsaufenthalte stehen in ihrem Lebenslauf: Schweden, Portugal. So habe sie ihr Spektrum erweitern können, sagt die 27-Jährige. In der ältesten Patisserie Lissabons holte sie „Pasteis de Nata“ aus dem Ofen, in Göteburg formte sie Kardamomknoten. Die ganze Backstube habe nach Kardamom geduftet, erinnert sich die 27-Jährige gerne an die Zeit zurück.

Torte zum Thema „Piraten in der Karibik“

Nach Studium und Lehre blieb Wilhelm in München. Sie bewarb sich an der städtischen Meisterschule für das Konditorenhandwerk und wurde wie 23 weitere Gesellen angenommen. Ein intensives Jahr, das nun mit der Meisterprüfung endete. Die Konditorin zeigt ein Foto ihrer praktischen Prüfungsarbeit: in zweieinhalb Tagen galt es verschiedene Marzipanfiguren, Petit Fours, Pralinen und Plundergebäckstücke herzustellen – außerdem eine Torte, einen Baumkuchen, eine Eistorte und ein Schaustück. Wilhelm setzte ihr Thema „Piraten in der Karibik“ unter anderem in einer Ananas-Kokos-Torte, in Rum-Trüffel-Pralinen sowie in Rumfässern und Papageien aus Marzipan um. Die karibischen Vibes kamen offenbar an: Die 27-Jährige schloss als eine der Jahrgangsbesten ab und wurde mit dem Joseph-Derenda-Preis ausgezeichnet.

Wie in anderen Handwerksberufen auch, werden in der Konditorei „immer gute Leute gesucht“, weiß die Konditormeisterin. Dazu, diesen facettenreichen Beruf zu ergreifen, könne sie nur raten. Man könne sich „total austoben“, kreativ kombinieren und viel über Rohstoffe lernen. Feinarbeiten wechseln sich mit groben Arbeitsschritten ab. Manche Tage seien wie Fitnesstraining.

Bei der Prüfung gesungen

Für die Penzbergerin bedeutet Backen „Me-Time“. Sie sei dann in ihrer eigenen Welt. Wilhelm verschreibt sich vor allem dem Kreieren von Torten. „Mit gefällt der ganze Prozess“, vor allem aber das Schichten. Vorm Backen mache sie alles sauber, räume alles frei und wiege die Zutaten ab. So schafft sie sich ein ruhiges Arbeitsumfeld. Aber ein bisschen Chaos zwischendrin gehöre dazu, sagt sie schmunzelnd. Akustisch geht es nicht so ruhig zu. Gebacken wird zu Hörspielen und Podcasts. Das war bei der Prüfung nicht möglich. Sie habe dann ein bisschen vor sich hin gesungen, erinnert sie sich und lächelt.

Momentan sitzt Wilhelm an einem Businessplan. Sie möchte ihr eigenes Unternehmen gründen. Bestelltorten für das Voralpenland bis an den Starnberger See. Gerade Hochzeitstorten haben es ihr angetan. Bei dem „Fest der Liebe“ beginne mit dem Tortenanschnitt die Party. Die Torte, meint die Konditormeisterin, sei das „I-Tüpfelchen“. Aktuell schaut sich die junge Frau nach einer Mietimmobilie um. Im September zieht es sie mit ihrem Partner noch in die Ferne. Eineinhalb Monate Vietnam. Zur neuen Hochzeitssaison möchte die Penzbergerin dann mit ihrem Business starten. Den Weg von der Uni in die Backstube hat die 27-Jährigen zu keiner Zeit bereut. Im Gegenteil.

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