„Putin kann baltische Staaten zerstören“ – Regierungschefin reißt auf der Siko-Bühne der Geduldsfaden
An Tag zwei der Münchner Siko ist mehrfach von einer „Zerstörung“ der baltischen Länder die Rede – Estlands Regierungschefin bekommt zu viel.
München – Der zweite Tag der Münchner Sicherheitskonferenz hat nicht zuletzt eindringliche Mahnungen geliefert: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnte in seiner Rede vor eine durch Wladimir Putin drohenden globalen „Katastrophe“. Er betonte auch: Russland könne die baltischen Staaten oder auch Polen „zerstören“, es sei dazu in der Lage.
Diese Vorlage griffen weitere Diskutanten auf, unter anderem der republikanische US-Senator Pete Ricketts. Einer direkt Betroffenen riss angesichts solcher Debatten auf offener Bühne der Geduldsfaden: Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas setzte in der Runde mit Ricketts und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ein Stoppschild – und warnte zugleich Deutschland. Der kleine Missklang wirft wohl auch ein Schlaglicht auf den Zustand des Nato-Bündnisses.
Russland kann „baltische Staaten zerstören“: Estlands Ministerpräsident bekommt bei der Siko zu viel
Kallas intervenierte. „Wir sind keine Nato-Staaten zweiter Klasse“, stellte sie in dem Siko-Panel zum Thema „Zukunft der ukrainischen und transatlantischen Sicherheit“ klar. Die Ministerpräsidentin der liberalen Reformpartei blieb äußerlich gefasst, spielte den Ball aber in Richtung Deutschland zurück. Russland hatte Kallas zuletzt auf eine Fahndungsliste gesetzt.

Ein Angriff auf ein Nato-Land sei ein Angriff auf alle Nato-Länder, betonte Kallas – offenbar unter Berufung auf Nato-Artikel 5. Sie blickte ins Münchner Plenum: Sie habe sich die genauen Kilometerzahlen angesehen, erklärte Kallas, „Sie sind viel näher am Krieg, als wir es sind“, mahnte Kallas die Anwesenden. Estlands Außenminister Hanno Pevkur hatte schon im Herbst im Münchner Merkur zumindest gewarnt: „Tut mir leid, das so sagen zu müssen. Aber wenn die baltischen Staaten fallen, ist Berlin als Nächstes dran.“
Kallas‘ Rechnung lässt sich je nach genauer Verortung des Kriegsgeschehens nachvollziehen. Gleichwohl teilt Estland im Gegensatz zu Deutschland eine direkte Landgrenze mit Russland. Das gilt in der EU ansonsten nur für Finnland, Lettland und mit Blick auf die Exklave Kaliningrad für Litauen und Polen. Litauen fürchtete zuletzt, Russland übe in der Ukraine auch einen Angriff auf Nato-Mitglieder.
Putin-Angriff auf Nato-Staaten? Stoltenberg beschwichtigt und mahnt bei der Siko
Stoltenberg hatte in der Diskussionsrunde schon zuvor versucht, die Wogen etwas zu glätten – wohl auch mit Blick auf Aussagen Donald Trumps. „Wir sehen keine direkte Bedrohung gegen ein Nato-Mitglied“, betonte er. Solange die Nato geschlossen stehe, werde es auch keine Gefahr geben.
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Es dürfe für Putin und Russland allerdings keinerlei Spielraum für „Fehlkalkulationen“ geben, mahnte Stoltenberg zugleich. Trump, mutmaßlich erneut Präsidentschaftskandidat der Republikaner für die US-Wahl, hatte zuletzt indirekt angedeutet, er könne als US-Oberbefehlshaber einen Angriff Russlands auf nicht ausreichend aufrüstungswillige Nato-Partner tolerieren.
Estland gehört – gemessen am Bruttoinlandsprodukt – zu den entschlossensten Unterstützern der Ukraine. Allerdings hätte das kleine Land alleine wohl keine ausreichenden militärischen Kapazitäten, um einem hypothetischen Angriff aus Russland Stand zu halten. (fn)