Mobbing, Diebstahl, Sachbeschädigung – alles wegen Tempo 30 – und das Rathaus schaut zu
Weil sich kaum jemand ans Tempolimit vor dem Kindergarten hält, wollte das Rathaus etwas unternehmen. Seitdem ist Lorenzenberg bei Aßling Konfliktzone – ein Durchgreifen der Gemeinde scheint keine Option zu sein.
Lorenzenberg – Diebstahl und Zerstörung in Serie – das erntet die Gemeinde Aßling für ihre Bemühungen, eine Gefahrenstelle im Ortsteil Lorenzenberg zu entschärfen. Wehren will sie sich nicht, obwohl der Streit schon Menschen aus dem Ort vertrieben hat. Lange schon gilt am Kindergarten und dem Dorfgemeinschaftshaus vorbei Tempo 30. Wer aber zehn Minuten entlang der schmalen, teils abschüssigen, schnurgeraden Strecke zwischen Ortsschild und Kirche verbummelt, sieht neben Ebersberger Kennzeichen auch alle möglichen auswärtigen. Und nahezu allen ist gemein: Sie sind offensichtlich zu schnell dran. Doch eine Konfliktzone ist die Eichhofener Straße aus einem anderen Grund.
Strecke vorm Kindergarten ist gefährlich: Schwere Gefährte, hohes Tempo, enge Straße
Die Polizei Ebersberg ordnet die Strecke als Gefahrenzone ein, nicht nur, weil zu schnell gefahren werde. Auch ist teils kein Gehweg vorhanden und wo es einen gibt, ist er so weit abgesenkt, dass Fahrzeuge im Begegnungsverkehr gerne darauf ausweichen. Gerade landwirtschaftliche Gespanne nähmen viel Raum ein, weshalb die Polizei 2022 ein Durchfahrverbot für diese anregte.
Auch Bürgermeister Hans Fent bekannte damals: „Die Stelle ist gefährlich.“ Und setzte das angeregte Verbot um. Es hielt sich nur niemand daran – und als die Polizei tatsächlich ein erstes Bußgeld gegen einen örtlichen Landwirt verhängte, dauerte es gut eine Woche, dann waren die Schilder gestohlen. „Wir spekulieren nicht“, sagte der zuständige Sachbearbeiter über einen möglichen Zusammenhang.
Verbaler Schlagabtausch zwischen Anwohnern und Landwirten – Gemeinderat kassiert Tonnage-Beschränkung
In einer denkwürdigen Sondersitzung im September 2022 kassierte der Gemeinderat die Anordnung des Bürgermeisters größtenteils, mit Fents Einverständnis. Anlieger, Land- und Forstwirte dürfen die Straße seitdem wieder mit schwerem Gefährt passieren. Zuvor war es zu einem heftigen verbalen Schlagabtausch zwischen Anwohnern der Straße und örtlichen Bauern gekommen, die jeweils knapp in Dutzendstärke im Zuschauerraum saßen.
„Es werden unsere Kinder gefährdet“, hieß es in einer Anwohner-Erklärung mit 17 Unterschriften zur Verkehrssituation vor dem Kindergarten und entlang ihrer Hecken und Gartenzäune. „Dann zieht doch woanders hin“, schallte es von Landwirtsseite zurück. Ein vierminütiger Umweg mit gefährlicher Linksabbiege-Situation über den Ortsteil Dorfen sei angesichts der vielen nötigen Fahrten bei der Feldarbeit nicht zumutbar, argumentierten die Landwirte – der Gemeinderat folgte dem einstimmig.
Allerdings einigten sich die Räte auf eine neue Sicherheitsmaßnahme: Sechs Poller am Straßenrand sollten den Gehsteig besser schützen, das Ausweichen von Fahrzeugen dorthin zumindest erschweren. Feste Blitzer oder Bremsschwellen seien nicht praktikabel.
Meine news
Poller als Kompromisslösung: Mehrfache Zerstörung folgt
Ein Kompromiss – mit dem aber offenbar jemand nicht einverstanden ist. Und damit sind wir in der Gegenwart angekommen: Mehrfach mussten die Poller ausgetauscht werden. Immer wieder werden sie Opfer von Vandalismus, werden umgefahren, umgetreten oder herausgedreht. Bei einer Kontrolle Ende 2023 etwa waren von sechs Pfosten zwei verschwunden und drei beschädigt, war in der jüngsten Gemeinderatssitzung zu erfahren. Die Kosten pro Arbeitseinsatz des Bauhofs Aßling, um Ersatzpoller aufzustellen, liegen demnach durchschnittlich bei rund 500 Euro. Auch das Zusatzschild, das Land- und Forstwirten die Durchfahrt erlaubt, wurde gestohlen und musste ersetzt werden.
(Übrigens: Alles aus der Region gibt‘s jetzt auch in unserem regelmäßigen Ebersberg-Newsletter.)
Trotz des offenkundigen Unmuts vor allem über die Pfosten hält der Aßlinger Gemeinderat daran fest: Die Maßnahme habe sehr zur Verkehrsberuhigung beigetragen. Um die Situation weiterhin zu verbessern, sollen nun stabilere Fahrbahntrenner installiert werden, die nicht mehr ohne weiteres entfernt werden können. Statt sechs nun aber nur noch drei. „Ich hab viel mit den Lorenzenbergern gesprochen“, erklärte Ernst Sporer-Fischbacher (UNL). „Die sagen: Poller bitte, aber wenn, dann sinnvoll.“ In erster Linie gehe es ja darum, die Fußgänger auf dem Gehsteig zu schützen. Die Möglichkeit, weniger Pfosten zu platzieren, könne geprüft werden, bestätigte Bürgermeister Hans Fent (parteilos). Der Gemeinderat beschloss einstimmig, den Austausch von zwei bis drei starren Fahrbahntrennern, Brutto-Stückkosten 510 Euro. Die genaue Positionierung werde noch entsprechend festgelegt; Ziel sei aber eine Variante, die Übersichtlichkeit garantiere.
Die Rede ist von massiven Anfeindungen gegenüber Anwohnern – eine Familie zieht deshalb weg
Das wünschen sich auch die Anwohner, wie die EZ vor Ort erfährt. Die Kinder könne man kaum hinaus auf den Gehweg lassen, weil der konsequent beim Ausweichen überfahren werde. Eine Familie mit Kindern, die sich für die Durchsetzung von Tempolimit und Durchfahrverbot eingesetzt hat, ist weggezogen. Den Anwohnern sei das Kinderspielzeug versteckt worden, nachts seien Fahrzeuge hupend vorbeigefahren, sie seien im Ort angefeindet und gemobbt worden, ist zu hören. „Es waren ganz massive Anfeindungen.“ Dafür rolle auch der überregionale Schwerverkehr weiterhin unbehelligt durch den Ort, weil selten geblitzt und noch seltener kontrolliert werde. „Es ist überlebensnotwendig“, sagt jemand über den Fußgängerschutz in der schmalen Straße und schildert, dass bereits eine Frau auf dem Gehweg von einem Autospiegel touchiert worden sei.
Gemeinde erstattet keine Anzeige, stellt aber neue Poller auf
Gegen all das wehrt sich die Gemeinde nicht, scheint den Widerstand gegen die von ihr selbst angestrebte Verkehrsberuhigung einfach hinzunehmen. Man gehe in mehreren Fällen von Vorsatz aus, so Bürgermeister Fent über den Poller-Vandalismus auf EZ-Anfrage. Anzeige habe man nicht erstattet, Ermittlungen habe es nicht gegeben, Hinweise, wer es gewesen sein könnte, habe man auch keine. Entsprechend bestätigt auch die Polizei, dass sie kein Verfahren vorliegen habe. Warum die Gemeinde sich die Diebstähle und Beschädigungen gefallen lässt, beantwortet Bürgermeister Fent gar nicht. Stattdessen schreibt er: „Man kann die Poller nicht dauerhaft überwachen! Die neuen Poller sind stabiler!“