Jungfernfahrt: Neues Floß gleitet in Schongau über den Lech – Mitfahren bis Oktober möglich
Ein neues Schongauer Floß wurde nun eingeweiht. Der Lech mit seiner atemberaubenden Landschaft und das Floß sind nicht zufällig längst Publikumsmagnete.
Schongau - Das kann kein Zufall sein. Viele Tage Regenwetter und dann das: Pünktlich zur Jungfernfahrt des neuen Schongauer Lechfloßes reißt der Himmel auf, die Sonne lässt das Wasser, durch das das brandneue Floß gleitet, in seinem tiefsten Lech-Türkis leuchten. „Das Türkis des Lechs, das Singen der Vögel: Wir sind ein Teil der Schöpfung, und hier dürfen wir Schöpfung erleben.“ Auch die evangelische Pfarrerin Julia Steller ist gekommen, um gemeinsam mit ihrem katholischen Kollegen, Pfarrer Norbert Marxer, ganz offiziell das Floß und alle zu segnen, die sich gemeinsam auf die Spuren der Lechflößerei begeben und in die wilde Schönheit der Lech-Landschaft eintauchen.
Sowohl Steller als auch Marxer erinnern an Generationen von Flößern, die dort einst ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben – noch heute zeugen davon in der Schongauer Stadtpfarrkirche Darstellungen des Heiligen Nikolaus, über die sich Marxer zunächst gewundert hatte, da sie äußerst ungewöhnlich seien. Erst mit der traditionellen Geschichte Schongaus mit der Lechflößerei hätte er dann einen Zusammenhang mit dem Patron der Seeleute herstellen können. Die Floß-Gemeinschaft betet das „Vater unser“, aus dem Bootshaus erklingt der Song „The power of love“. Es könnte nicht ergreifender sein, mit so viel Emotionen abzulegen in die grünen Fluten.
Emotionale Momente beim Bau des Floßes
Emotionale Momente gab es bereits im Vorfeld viele. Und zwar beim Bau des Floßes. Die Zahl „Drei“ spielt eine wichtige Rolle in der Entstehungsgeschichte des neuen Schongauer Lechfloßes: Drei Monate, 330 Arbeitsstunden, und das mit je drei Leuten hat es gebraucht, um das neue Floß entstehen zu lassen, rechnet Flößer Siegi Schmid stellvertretend für seine sechs Kollegen vor. Sieben Flößer mit eigener Ausbildung sind es inzwischen, die jeden Sonntag zweimal und freitags zur Feierabendstunde Fahrgäste vom Bootshaus am Lido aus über den Lech schippern.
Drei gesetzte Fahrten pro Woche plus diverse gebuchte, außertourliche Gruppen-Fahrten: Wer hätte im Jahr 2017 gedacht, dass das Lechfloß in Schongau eine solche Erfolgsgeschichte schreiben würde?
Blick zurück: Dass man sich damals dafür entschieden hatte, keine Gaudi-Touren mit „Remmidemmi“ anzubieten, sondern kulturelle, geschichtliche und Natur-Themen aufzugreifen, war nicht unumstritten. Heute kann man sicher sagen: Alles richtig gemacht.
In Zahlen bedeutet das: „Wir sind gestartet mit 35 Fahrten im Jahr“, erinnert sich Kornelia Funke, die seit Februar neue Vorsitzende des Tourismusverbands Schongau ist und die Floßfahrten auf dem Lech seit der ersten Stunde als Führerin begleitet.
2600 Floßreisende im Jahr 2024
Ein Vergleich: Im vergangenen Jahr konnte die Tourist-Info insgesamt 74 Fahrten anbieten. Mehr als doppelt so viele wie noch vor sieben Jahren. Und fast immer ausgebucht. Mehr als 2600 Gäste haben sich im vergangenen Jahr den Fahrtwind auf dem Lech um die Nase wehen lassen und sind mit grandioser Aussicht unter der Lechbrücke hindurchgeglitten.
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Übrigens: Im vergangenen Jahr wurde die Flößerei in die internationale Liste des Unesco-Weltkulturerbes aufgenommen. „Das spricht dafür, welche Geschichte sich hier widerspiegelt“, so Maximilian Geiger, Leiter der Tourist Info Schongau. Er plaudert ein wenig aus dem Nähkästchen und zeigt auf, dass die Entstehungsgeschichte des neuen Lechfloßes durchaus auch mit viel Schweiß und Nervenkitzel verbunden war. Angefangen freilich bei der Beschaffung der Holzstämme, für die Stadtförster Klaus Thien verantwortlich zeichnete. Im Schongauer Stadtwald geschlagen, entrindet und monatelang bearbeitet. „Es wurde gehämmert, gesägt und geschnitten, sehr viel Blut und Schweiß wurden vergossen.“
Als das neue Floß am 31. Mai schließlich zu Wasser gelassen wurde, schüttete es wie aus Eimern. Für die Helfer gewissermaßen ein Segen. Denn: So schnell hätte man das Floß noch nie im Wasser gehabt. Dann noch die Abnahme durch den TÜV. 20 Personen hatten anrücken müssen – ehemalige Soldaten und Kameraden, die Floßführer und Reservist Thomas Eimer organisiert hatte. Die rückten einmal alle links aufs Floß. Einmal alle rechts. Und einmal alle in die Mitte. Bis es am Ende die erlösende Nachricht und damit auch das TÜV-Siegel gab: Das Floß ist stabil.
„Kleine Wassermann“-Kinder-Floßfahrten im Repertoire
Angeheftet an der Fahnenstange der bayerischen Flagge, die im Wind weht: Der Lorbeerzweig, den Pfarrer Marxer nach der Segnung hineingesteckt hat. So gleitet das frisch-gesegnete Floß an Wäldern und Felsen vorbei. Und Schongaus Stadtführerinnen geben einen Eindruck davon, was man bei einer gebuchten Floßfahrt auf dem Lech – übersetzt mit „der über die Steine schnell Fließende“ – tatsächlich geboten bekommt. Vom Alpenfluss mit dem steilsten Gefälle berichtete beispielsweise Floßführerin Gisela Sporer.
Der Lech: Er sei schon immer eine Grenze gewesen. Eine politische. „Aber auch eine Heiratsgrenze.“ Wie schön, dass das heute anders ist. So sitzen unter anderem Schongaus Bürgermeister Falk Sluyterman und sein Peitinger Kollege Peter Ostenrieder recht einträchtig quasi in einem Boot. Von den unterschiedlichen Kulturen, die sich in der Vergangenheit auf beiden Seiten des Lechs entwickelt hätten, wie Sporer erklärt, ist an diesem Tag wenig zu spüren.
Von der Lechbrücke aus winkt eine Gruppe Radler und pfeift hinunter zum Floß. Die Gäste winken freudig zurück. Darüber freut sich auch der „Kleine Wassermann“ und sein Fisch, die ebenfalls mit an Bord sind. Zwar haben sie heute keinen offiziellen Auftritt, werden aber trotzdem von Kornelia Funke vorgestellt, die seit Jahren „Kleine Wassermann“-Kinder-Floßfahrten im Repertoire hat. „Frei erzählt nach den Geschichten vom ,Kleinen Wassermann‘ erklären wir so den Kindern die Geschichte der Flößerei.“