FDP-Basis wütet: Ampel-Aus oder Lindner-Rücktritt – „Die Wähler haben die Nase voll“
Die FDP-Gruppe „Weckruf“ macht Druck auf Christian Lindner. Im Interview erklärt ihr Sprecher: „Wenn er die Ampel nicht beenden will, muss er Platz machen.“
12.462 Menschen haben in Brandenburg die FDP gewählt. Das waren 0,83 Prozent. Die Regierungspartei hat es geschafft, die desaströsen 1,1 beziehungsweise 1,4 Prozent bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen zu unterbieten. Es ist der Tiefpunkt mehrerer vergeigter Landtagswahlen in Folge.
Einige innerhalb der Partei haben den Schuldigen für die Misere schnell ausgemacht: die unliebsame Ampel, deren Teil die FDP ja ist. Ampel-Kritik gab es immer innerhalb der FDP. So offensiv wie aktuell wurde sie aber selten geäußert. Parteigrößen wie Wolfgang Kubicki sprechen ganz offen vom Ampel-Ende bis Weihnachten.
In Teilen der Basis kommt das gut an – so etwa bei der FDP-Gruppe „Weckruf“. Die Vereinigung hatte sich 2023 gegründet. Seitdem fordert sie immer wieder das Regierungsende. Vor einem Jahr hatte „Weckruf“ gemeinsam mit einer anderen Basisinitiative eine Mitgliederbefragung initiiert. Darin konnten die FDP-Mitglieder über den Ampel-Verbleib abstimmen. Eine knappe Mehrheit entschied sich dafür, in der Ampel zu bleiben. Die Gruppe bleibt dennoch bei ihren Forderungen – erst recht nach den Ost-Wahlen, wie Mitinitiator Alexander Rackow im Interview mit IPPEN.MEDIA erklärt.
FDP-Mitglied Rackow ist Sprecher der Bewegung und sitzt im Kreistag von Segeberg im Süden Schleswig-Holsteins. Bei den Wahlen zum Kreistag 2023 holte die FDP hier 8,5 Prozent. Bundesweit ist sie davon derzeit weit entfernt. Schuld hat laut Rackow vor allem: die Ampel. Die Forderung von „Weckruf“: Entweder raus aus der Ampel oder Rücktritt von Christian Lindner. „Wenn er die Ampel nicht beenden will, muss er Platz machen für jemanden, der das tut.“
Ampel-Frust: „Es ist nicht möglich, FDP-Positionen durchzusetzen“
Herr Rackow, wie blicken Sie auf das Ergebnis in Brandenburg?
Aus unserer Sicht war das vorhersehbar. Die Wähler haben die Nase voll von der Ampel-Regierung. Dieses Ergebnis ist die Konsequenz davon, dass die Bundespartei weiterhin darauf beharrt, in der Ampel mitzuspielen. Dabei läuft das den Grundideen des Liberalismus zuwider.
Inwiefern?
Wir sind mit zwei Staats-gläubigen Parteien in der Koalition, mit einer Ökopartei und mit der Sozialdemokratie. Es ist völlig klar, dass da eine komplette Unruhe entsteht. Ich fand es durchaus ok, dass man diese Koalition ausprobiert hat. Man hätte aber rechtzeitig sagen müssen: es geht einfach nicht.
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Was stört Sie an der Ampel?
Die FDP kann in der Regierung, wenn überhaupt, nur als Verhinderer in Erscheinung treten und somit überhaupt keine positiven Akzente setzen. Die Rolle des Verhinderers ist für niemanden attraktiv, auch nicht für unsere Kernwählerschaft. Und dann gehen elementare Dinge wie Atomausstieg, Heizgesetz oder Verbrenner-Aus trotzdem durch. Es ist offenbar nicht möglich, in dieser Koalition FDP-Positionen durchzusetzen.
Würde eine Jamaika-Koalition der FDP besser zu Gesicht stehen?
Absolut. Dann hätten die Grünen die unrühmliche Rolle, die jetzt die FDP hat. Mit zwei bürgerlichen Parteien hätten unsere Positionen deutlich mehr Gewicht.
Seit Ampel-Beginn hat die FDP mehrere Landtagswahlen vergeigt. Macht man es sich nicht etwas zu leicht, das nur auf die Ampel zu schieben?
Naja, die Großwetterlage ist derzeit generell nicht einfach – egal für welche Regierung. Aber in der Ampel-Regierung brechen die Probleme viel schneller und intensiver auf, egal bei welchem Thema. Das schwächt massiv und sorgt für Unzufriedenheit bei den Wählern. Wir verlieren laut Wählerwanderung massiv an die AfD, weil diese Leute der Ampel einen Denkzettel verpassen wollen.
FDP-Basis macht Druck auf Lindner: „Dann muss er Platz machen“
Sie haben nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen einen offenen Brief veröffentlicht. Darin heißt es: „Herr Lindner: Raus aus der Ampel oder Rücktritt“. Ist diese Position noch aktuell?
Ja, absolut. Zieht Christian Lindner der Ampel den Stecker, stehen wir alle geschlossen hinter ihm. Wir sagen auch nicht: Christian Lindner hat alles falsch gemacht, denn er hat wahnsinnig viel für die Partei getan. Wir finden aber: Wenn er die Ampel nicht beenden will, muss er Platz machen für jemanden, der das tut.
Einer, der immer wieder gegen die Ampel wettert, ist Parteivize Wolfgang Kubicki. Nun sprach er davon, dass diese Regierung Weihnachten nicht überleben werde. Wäre Ihnen das zu spät?
Ja, jeder Tag ist einer zu viel. Das Ende der Ampel ist die einzige Möglichkeit, wie wir bei unserer Kernwählerschaft wieder Glaubwürdigkeit gewinnen können. Wenn wir bis zum Schluss in der Koalition bleiben, haben wir keinerlei Narrativ für die nächste Bundestagswahl. Was soll die FDP den Leuten denn erzählen? Niemand wählt die FDP und sagt: ach danke, das habt ihr aber schön gemacht, dass ihr bis zum Ende in der Ampel durchgehalten habt. Wahlkämpfe gewinnt man, indem man Hoffnung und positive Emotionen verkauft. Und das funktioniert nur, wenn wir ein Narrativ haben.
Wie soll dieses Narrativ aussehen?
Das kann nur sein: „Wir haben gesehen, dass es mit der Ampel nicht funktioniert und deshalb das Projekt beendet. Wir haben Verantwortung für Deutschland übernommen. Vielleicht spät, aber nicht zu spät.“
Ampel-Aus? „Die FDP muss schnellstmöglich die Regierung aufkündigen“
Glauben Sie wirklich, das hilft der FDP? Aktuell steht die Partei in Umfragen bei 3,5 Prozent. Nicht die besten Aussichten für mögliche Neuwahlen...
Ja, dann würde es einen Ruck geben und die FDP würde über der Fünf-Prozent-Hürde landen. Davon bin ich überzeugt.
Muss es wirklich gleich das Ampel-Ende sein? Könnte man nicht einfach durch gute Regierungsarbeit die Wähler zurückgewinnen?
Keine Chance, das halte ich für aussichtslos. Da müsste die FDP schon eine echt wichtige Position kompromisslos durchsetzen, um da noch irgendein Signal zu setzen.
Was könnte das für eine Position sein?
Das müsste schon in der Größenordnung einer Steuerreform sein. Irgendetwas, bei dem die Leute wirklich einen Aha-Moment haben. Solche Projekte gibt es momentan gar nicht. Es wird einfach nur an dem herumgedoktert, was auf dem Tisch liegt. Die Partei wird dann versuchen, die üblichen Teilerfolge als große Siege zu verkaufen. Das wird ihnen aber niemand abnehmen. Ich bleibe dabei: Die FDP muss schnellstmöglich die Regierung aufkündigen.
Interview: Andreas Schmid