„Jeder weiß, das wird der Knackpunkt“: Daran entscheidet sich die Zukunft der Ampel

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Mehrere FDP-Politiker fordern das Ende der Ampel. Zerbricht die Regierung nun endgültig? Im November kommt es zum Showdown. Das kann auch eine Chance sein.

12.462 Menschen haben in Brandenburg die FDP gewählt. 0,83 Prozent. Bei den Hochrechnungen zur Brandenburg-Wahl führten ARD und ZDF die Liberalen unter den „Sonstigen Parteien“. Am Ende erhielten sie weniger Stimmen als die Tierschutzpartei oder das Bündnis „Plus“, ein Zusammenschluss aus Piratenpartei, ÖDP und Volt.

Ampel-Zukunft: „Jeder weiß, dass der Haushalt im November der Knackpunkt sein wird“

Es ist nicht das einzige desaströse Ergebnis, das die FDP zuletzt bei Landtagswahlen einstecken musste: 1,1 Prozent in Thüringen, 1,4 Prozent in Sachsen. Dazu raus aus den Landtagen von Berlin, Bayern, Saarland und Niedersachsen. Den Schuldigen für die Dauermisere haben sie bei den Liberalen bereits ausgemacht: Es ist die Bundesregierung. Jene Bundesregierung, der die FDP selbst angehört. Das könnte man dieser Tage jedoch leicht vergessen.

In unverblümter Oppositionsmanier sticheln die Freien Demokraten gegen die Ampel-Koalition. Erste Parteigrößen rufen einen „Herbst der Entscheidung“ aus und sprechen ganz unverhohlen vom Ende der Regierung. Die Ampel wackelt einmal mehr – ist aber noch nicht eingestürzt. Entschieden wird im November. Dann droht die nächste, wohl entscheidende Zerreißprobe, wie der Politikwissenschaftler Martin Gross vom Geschwister-Scholl-Institut der LMU München erklärt. „Jeder weiß, dass der Haushalt im November der Knackpunkt sein wird“, sagte Gross nach der Brandenburg-Wahl IPPEN.MEDIA.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP).
Ampel am Ende? Finanzminister Christian Lindner (FDP), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). © Kay Nietfeld/picture alliance

Haushalt 2025: Zerbricht die Ampel im November?

Bis Ende November muss der Bundeshaushalt für das Jahr 2025 stehen. Einen ersten Regierungsentwurf gibt es bereits. Vorgesehen sind Ausgaben von insgesamt 488,61 Milliarden Euro – etwas weniger als aktuell für dieses Jahr eingeplant. Den größten Teil nimmt der Bereich Arbeit/Soziales ein (siehe Grafik). Aktuell befindet sich der Entwurf im Haushaltsausschuss. Hier wird es wohl noch einige Änderungen geben.

Streit gibt es innerhalb der Koalition unter anderem über Kindergrundsicherung und Bürgergeld, zudem fordert Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mehr Mittel für die Bundeswehr. Von SPD und Grünen gibt es weiter Rufe nach einer Reform der Schuldenbremse. FDP-Finanzminister Christian Lindner lehnt das vehement ab. „Wir müssen lernen, mit dem Geld auszukommen, das uns zur Verfügung steht.“

Der Entwurf des Bundeshaushalts 2025.
Der Entwurf des Bundeshaushalts 2025. © Grafik: J. Reschke/P. Massow, Redaktion: J. Schneider/B. Schaller

FDP-Vize Kubicki zweifelt an Ampel: „Glaube nicht, dass Koalition Weihnachten noch erreicht“

Die FDP agiert immer wieder als Treiber der Unstimmigkeit. Beim Haushalt scheint sie nun auf ein neues Druckmittel zu pochen. Will sie raus aus der Ampel, wird sie dem Etat wohl nicht mehr zustimmen. Erste FDPler bringen sich bereits in Stellung. Parteivize Wolfgang Kubicki sagte im Sender Welt TV: „Ich glaube nicht, dass bei der jetzigen Performance diese Koalition Weihnachten noch erreicht.“ Bayerns FDP-Chef Martin Hagen sprach ebenso offen über ein Ampel-Ende. Andere Parlamentarier wie Fraktionsvize Konstantin Kuhle äußerten sich defensiver. Man sollte „nicht leichtfertig oder spielerisch mit einem Aus dieser Koalition kokettieren“, sagte er im ZDF.

Dabei könnte der Haushalt auch eine Chance sein. Schafft es die Regierung, ihn ohne Störgeräusche zu verabschieden, könnte das Auftrieb geben. Nur so recht glauben mag daran niemand. Vor allem nicht in der FDP. In der Partei tobt ein Richtungsstreit: in der Regierung bleiben und weitere Zustimmungsverluste hinnehmen? Oder austreten, Neuwahlen in Kauf nehmen und dabei womöglich schlechter als 2021 abschneiden? Die FDP befindet sich in einem Dilemma. Aktuell scheint die Ampel dabei mehr Fluch als Segen.

Denn die Scholz-Regierung ist historisch unbeliebt. Nur noch drei Prozent (!) gaben in einer am Donnerstag veröffentlichten Allensbach-Studie an, dass die Ampel gut für Deutschland sei. Alle drei Ampel-Parteien verlieren in Umfragen Woche für Woche an Zuspruch. Laut aktueller Insa-Sonntagsfrage kommt die FDP nur noch auf 3,5 Prozent – und wäre damit nicht im Bundestag. Die Grünen sind mit 9,5 Prozent erstmals seit sieben Jahren zweistellig und die SPD ist mit 15,5 Prozent deutlich davon entfernt, stärkste Kraft zu werden.

Niedergang der Volksparteien: AfD profitiert von Verlusten von SPD, CDU & Co.

Es gab Zeiten, da hätten 15,5 Prozent für die SPD eine Staatskrise ausgelöst. Heute ist man im Willy-Brandt-Haus fast schon zufrieden mit diesen Zahlen. Denn: Seit Jahren verlieren die etablierten Volksparteien an Zuspruch, wie unsere Grafik zu den stimmenstärksten Parteien bei Landtagswahlen zeigt. Das betrifft bei Weitem nicht nur die SPD. Auch die CDU hat in den vergangenen Jahren deutlich eingebüß. Profiteur des Niedergangs der Volksparteien nicht zuletzt: die AfD. In Thüringen gewannen die Rechtspopulisten erstmals eine Landtagswahl. (as)

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