„Es ist absurd“: Rettungswagen fehlen wegen Putz-Regel - Noch ein Grund führt zu Verzögerungen
Ein Notarzt schlägt Alarm: Immer wieder fehlen Rettungswagen. Entweder, weil sie Endlos-Fahrten erledigen müssen, oder wegen eines Erbes aus der Corona-Pandemie.
Im Zweifel zählt bei einem Einsatz jede Sekunde. Die wertvollen Minuten nach dem Notruf sollten BRK-Retter nicht unbedingt mit Putzen, sondern bestenfalls mit Retten verbringen. Dr. Christoph Preuss übt deshalb Kritik. Er sieht mehrere vermeidbare Verzögerungen bei Notfällen.
„Es ist absurd“: Fehlen Rettungswagen wegen Putz-Regel? Noch ein Grund führt zu Verzögerungen
Wenn Menschen den Notruf wählen, geht‘s um Tempo. Das weiß jeder, der im Rettungswesen arbeitet. Preuss ist so einer. Der Ickinger ist Leitender Notarzt an der Wolfratshauser Kreisklinik, ehrenamtlicher Lebensretter beim BRK und leidenschaftlicher Skeptiker gegenüber Bürokratismus und Gesetzesnovellen. Neu auf seiner persönlichen Mängelliste: gesetzlich vorgeschriebener Putzwahn im Rettungswagen. Das sei ein Erbe der Corona-Pandemie, erklärte Preuss jüngst bei einem Rundgang mit CSU-Politikern durch die Klinik. „Die Wagen werden jetzt nach jedem Einsatz erst gewischt und gescheuert, bevor sie wieder losdürfen“, klagte Preuss. Das bedeute: „Weil unsere Wagen noch nicht fertig geputzt sind, müssen Rettungswagen aus Starnberg oder Sauerlach nach Wolfratshausen.“ Das benötigt Zeit. Viel Zeit. Kostbare Zeit.
Mehr Rettungswagen werden gebraucht: Fahrten dauern länger und sind häufiger
Auf Nachfrage unserer Zeitung sagt Preuß, Sprecher der Notärzte: „Das ist absurd. Aber es ist leider so.“ Obwohl mehr Wagen gebraucht würden, sei der Fuhrpark der Rettungsleitstelle Wolfratshausen seit Jahren weitestgehend gleich groß.
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Thomas Schnubel sieht das Problem nicht so gravierend. Er ist Leiter der Rettungsdienste im Landkreis. „Die Fahrzeuge müssen ja nicht jedes Mal von Grund auf geputzt werden“, schränkt er ein. Die Flächen und Geräte, mit denen der Patient Kontakt hatte, müssten gesäubert werden. „Wenn der Patient auf der Trage gelegen hat, reicht es halt nicht, die Papierauflage zu wechseln. Dann muss man eben einmal drüberwischen“, sagt Schnubel. Eine grundlegende Desinfektion sei nur in Ausnahmefällen nötig. „Zum Beispiel, wenn es einen Verdacht gibt, dass der Patient mit multiresistenten Keimen eingeliefert wurde, bei Tuberkulose oder Atemwegserkrankungen“, müsse der Wagen genauer gereinigtwerden. Die Regel sei es nicht, dass dies lange und ausgiebig getan werden muss.
Wagen aus Sauerlach und Starnberg müssen aushelfen
Schnubel räumt jedoch ein, dass immer mal wieder auch auswärtige Rettungswagen durch den Landkreis fahren und Engpässe ausbügeln. Das kann zum Beispiel daran liegen, dass die eigenen Wagen auf langen Fahrten sind. Meldet eine Klinik nämlich Überlastung an und nimmt keine weiteren Patienten auf, steuern die Fahrzeuge ein weiter entferntes Krankenhaus an. „Die Einsatzfahrten und die Dauer haben sich teilweise verdoppelt“, sagt Preuss.
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Der Fuhrpark aber sei unverändert. Schnubel hat auch diesen Eindruck. „Die Autos sind in solchen Fällen länger gebunden.“ Der BRK-Mitarbeiter sorgt sich deshalb noch mehr als ohnehin über die drohende Ausdünnung des Kliniknetzes im ländlichen Raum. „Wenn Kliniken wegbrechen, verzögert das den Rettungsdienst.“ Und da zählt jede Sekunde.