Täglicher Kampf ums Überleben: Klinikärzte sorgen sich um die Zukunft - wegen Krankenhaus-Reform
Die Kreisklinik sorgt sich um die Zukunft. Lauterbachs Krankenhausreform ist eine große Unbekannte. Viele Kliniken werden dichtmachen.
Angst sollte Ärzte nicht haben. An der Kreisklinik in Wolfratshausen spricht man deshalb von einer Sorge. Nicht vor Krankheitswellen oder schwierigen Eingriffen ist den Fachleuten bang. Sorgen haben die Mediziner wegen des Bundesgesundheitsministeriums und der Zukunft. Die Klinikreform wird sich auswirken, bloß wie genau, das wissen Ärzte und Geschäftsführung noch nicht. Beim Besuch der CSU-Bundestagsabgeordneten Alexander Radwan und Dr. Stephan Pilsinger sprechen Verantwortliche über ihre Qualitätsoffensive und die Frage, ob sie ausreichen wird. Für Pilsinger, den Münchner Mediziner im Bundestag, ist der Termin eine Rückkehr an eine alte Wirkungsstätte.
Neues Röntgengerät, neue Abteilungen: Kreisklinik rüstet auf
Seit Pilsinger vor über zehn Jahren während seines Studiums ein halbes Jahr an der Klinik arbeitete, hat sich die Einrichtung am Moosbauerweg weiterentwickelt. Ein neues, hochmodernes Röntgengerät zeigen die Ärzte dem Münchner. „Modernes Teil“, findet der, als er vom Gang aus die vielen Anzeigen an dem Gerät sieht. Die Ärzte erzählen den Gästen von der neuen Gastroenterologie-Abteilung, dem fast genauso neuen Weaning-Konzept und den zwei Intensivstationen an der Klinik, die nun 20 statt acht Patienten aufnehmen können. Und sie erzählen von „hervorragenden Statistiken“ bei der täglichen Arbeit, die Geschäftsführer Ingo Kühn kennt.
Förderverein sammelt Spenden für Klinik-Geräte
Radwan erfährt, dass große Spenden des Vereins „Freunde der Kreisklinik“ die millionenschweren Neuanschaffungen und Modernisierungen möglich machen. Und eigentlich klingt das auch alles ganz optimistisch, was der Ärztliche Direktor Dr. Stefan Schmidbauer über die „Klinik der kurzen Wege“ erzählt. Über diese kurzen Wege eilt an diesem Nachmittag eine junge Krankenschwester, die eine Patientin in der Notaufnahme betreut.

Täglicher Kampf ums Überleben: Klinikärzte sorgen sich um die Zukunft - wegen Klinikreform
Sogar die Personalsituation ist verhältnismäßig gut an der Kreisklinik. Pilsinger hat 2013 nur kurz an der Klinik gearbeitet – das ist bei den meisten Angestellten anders. „Wir haben eine niedrige Fluktuation“, sagt Schmidbauer. Das liegt unter anderem daran, dass sich Thomas Reichart richtig reinhängt. Er ist Beauftragter für das Qualitätsmanagement und vor allem die oberste Instanz für die Personalwerbung an der Klinik. Pflegekräfte wirbt das Krankenhaus auf der ganzen Welt an, weil der deutsche Personalmarkt nichts mehr biete. „Der ist leer gefegt“, sagt Reichart. Die Klinik bietet Deutschkurse, 35 Wohnungen hat sie angemietet, 70 im Bestand. Der Dienstplan wird – trotz der täglichen Dauerbelastung – human gestaltet. „Wir verheizen sie hier nicht.“ All das führe dazu, dass die Beschäftigten tendenziell blieben. „In der Intensivpflege haben wir einen Ausländeranteil von 80 Prozent“, sagt Reichart, der beim Rundgang schnell Platz macht für eine Ärztin, die die Gruppe auf dem Weg zur Intensivstation überholt. Für die Klinik ist die Personalaquise mit hohen Kosten verbunden. Bis zu 300 000 Euro pro Jahr gibt die Landkreis-Einrichtung aus, um neue Mitarbeiter zu gewinnen und zu integrieren. Die neuen Kollegen werden vom Qualitätsmanager persönlich vom Flughafen abgeholt.
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Das Dilemma: Masse zählt, nicht Qualität
Ob das alles am Ende reicht, wissen die Mediziner nicht. Täglich kämpfen die Ärzte ums Überleben – um das der Patienten und um das der Klinik. Das wird beim Abschlussgespräch mit den Abgeordneten deutlich. Bei Sprudelwasser und Orangensaft benennen die Ärzte den Grund. Der komme aus Berlin, heiße Krankenhausreform und sei eine bedrohliche Unbekannte. Eine, vor der sich die Ärzte fürchten. „Wir können beweisen, dass wir gut sind“, konstatiert der Ärztliche Direktor Schmidbauer. Die Behandlungsqualität an der Kreisklinik – das sei „von extern belegt“ – sei gut. Bloß könnte es sein, dass die überhaupt nicht relevant sei. Masse zähle, nicht die Qualität. Eine Klinik, die mehr Eingriffe vorweisen kann, würde automatisch automatisch besser bewertet.
Pilsinger sorgt sich, dass das Kliniknetz ausgedünnt wird. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) meinte im Oktober gar: „Wenn es am Ende 20 Prozent Krankenhäuser weniger gibt, diese aber bessere Versorgung bieten, dann ist das aus meiner Sicht richtig.“ Zur Wahrheit gehört: Schon vor der Reform deutete sich an, dass viele Häuser zumachen müssen. Pilsinger fürchtet jedoch, dass nicht zwingend die besten bestehen: „Wenn ausgedünnt wird, dann nicht aufgrund von Qualitätsmerkmalen, sondern nur nach der Frage, welches Unternehmen den längsten Atem hat. Das ist nicht im Sinne der Patienten.“ Widersprechen will ihm da niemand. Dr. Christoph Preuß bittet Radwan und Pilsinger, weiter für die kleinen Kliniken im ländlichen Raum zu kämpfen. Er tut das in Doppelfunktion. Preuß, der leitende Notarzt, ist CSU-Chef in Icking. „Manche haben Angst. Die Leute brauchen eine Sicherheit, dass sie in der Nähe versorgt werden, wenn sie krank sind.“ Die Kreisklinik sei wohnortsnah und bestens ausgestattet. Schmidbauer sieht große Gefahren im Ausdünnen der Krankenhauslandschaft. „Darunter leiden vor allem Ältere, psychisch Kranke, Einsame.“
Klinik steckt tief in den roten Zahlen
Was die Zukunftsaussichten beträchtlich trübt, ist die Finanzsituation. Die Kreisklinik steckt tief in den roten Zahlen, weist jährlich Miese in Höhe von rund vier Millionen Euro aus. „Das lässt sich schwer wegargumentieren“, sagt Geschäftsführer Kühn. Dass die Einrichtung ein Defizit erwirtschafte, habe auch systembedingte Gründe. „Wenn es keine beschränkende Krankenhauspolitik geben würde, wären wir auf Null.“ Es gebe aber zu viele Hürden. Allein die Ausgaben, um den Stellenplan voll zu kriegen, seien eine große Belastung.
Die Investitionen zur Modernisierung und Sanierung der Einrichtung sind ein weiterer Kostenfaktor – und durch die allgemeine Inflation steigen die Kosten für den Betrieb unaufhörlich. Seit Jahren versucht sich die Klinik zu konsolidieren, Kühn sieht die Einrichtung auf einem guten Weg. „80 Prozent der Kliniken sind defizitär. Ich glaube nicht, dass 80 Prozent der Geschäftsführer ihr Business nicht verstehen.“ Preuß fordert mehr Unterstützung „für diese Kliniken auf dem Land“. Für die gestiegenen Energiekosten etwa könnte es Ausgleichszahlungen geben oder eine Brückenfinanzierung. Pilsinger und Radwan sagen – bei einem Termin der lokalen CSU keine Überraschung – Unterstützung zu. Radwan erklärt, dass auch seine persönliche Erfahrung eine Motivation sei, um für die kleinen Häuser zu kämpfen. „Ich hatte um 8 Uhr einen Schlaganfall und wurde um 10 operiert.“