Ein Bauernhof zum Wohlfühlen

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Jahrhunderte alte Tradition: Das Anwesen der Familie Scharl ist seit dem 17. Jahrhundert ein Bauernhof. Die St.-Peter-und-Paul-Kapelle ist noch älter, sie stammt von 1315. Die erste Siedlung wurde hier sogar schon um 1100 erwähnt. © J.Dziemballa

In unserer Serie „Landwirtschaft im Wandel“ wir Landwirte und deren Höfe vor und lassen sie berichten, wie sie ihre Existenz sichern. Zum Auftakt geht es um den Ferienhof von Josef Scharl in Tankham.

Bockhorn – Die Straße zur Adresse Tankham 35 ist unscheinbar, zwischen den beiden Bockhorner Ortsteilen Haselbach und Maierklopfen geht’s plötzlich in ein kleines Tal. Es kommt ein Weiler, der letzte Hof hier gehört der Familie Scharl. Kaum zu glauben: Die erste Erwähnung einer Siedlung an dieser Stelle geht auf das Jahr 1100 zurück, die kleine St.-Peter-und-Paul-Kirche oberhalb des Hofs stammt von 1315. Wer dort oben steht und auf den großen Platz herunterblickt, entdeckt einen landwirtschaftlichen Milchbetrieb mitsamt attraktiver Ferien-Pension auf dem Land.

„Im Stall“, so erzählt der gelernte Agrarbetriebswirt Josef Scharl (47), „stehen hier 50 Milchkühe, draußen liegen acht Kälber in ihren Boxen, die Nachzucht“. Zusammen mit einem Landwirt, der noch in der Ausbildung steht, bewirtschaftet Scharl den Hof, schaut ab und zu nach seinen Tieren. Neben den Milchkühen gehören auch ein paar andere dazu, sein Streichel-Zoo für Kinder, die hier mit ihren Eltern spannende Urlaubstage verbringen können. Denn sein Hauptaugenmerk gilt vor allem der Ferien-Pension, die nun seit 21 Jahren besteht.

Beschwirtschaftet seit dem 17.Jahrhundert

„Früher – den Hof gibt’s schon seit Mitte des 17. Jahrhunderts – haben meine Vorfahren hier noch Ackerbau betrieben. Als aber Mitte der 1970er Jahre diese Art der Bewirtschaftung nicht mehr genug Geld abwarf, um rentabel zu sein, beschlossen meine Großeltern, auf Viehhaltung und einen Milchbetrieb zu wechseln.“ Doch schon seine Eltern dachten über eine weitere Ergänzung des Angebots nach, starteten 2003 eine kleine Fremdenpension. Sohn Josef übernahm 2008 den Betrieb, seine beiden Schwestern Maria (48) und Silvia (42) leben mittlerweile auf anderen Höfen.

Landwirt und Gastgeber: Josef Scharl an der Rezeption seiner Ferienpension, die er neben der Viehhaltung betreibt.
Landwirt und Gastgeber: Josef Scharl an der Rezeption seiner Ferienpension, die er neben der Viehhaltung und Milchbetrieb betreibt. © Johannes Dziemballa

Dank der Maschinen und eines modernen Stall-Managements kann sich Josef Scharl, ledig und ohne Kinder, ganz seinen Gästen widmen. Zwar helfen ihm zwei geringfügig Beschäftigte bei der Pflege der drei Ferienwohnungen und der zehn Doppelzimmer. Aber die Vermarktung und die Organisation der Pension, einschließlich der Buchungen und der Buchhaltung, liegen in seinen Händen. Schließlich wohnt er selbst auch hier auf dem Hof zusammen mit Mutter Anna (74), die sich um den gemeinsamen Haushalt kümmert.

„Da wir schon immer Gäste auf dem Hof hatten, bin ich an Besuch gewohnt. Auch meine Eltern pflegten den Umgang mit Fremden, somit gab‘s keine Probleme mit einer Umstellung von Landwirtschaft auf Tourismus“, sagt Scharl zufrieden. Er freut sich über wechselnde Gäste, die vorwiegend aus Deutschland kommen.

Täglich viel Bürokratie

„Während des Jahres haben wir viele Handwerker bei uns, die beruflich unterwegs sind, etwa auf Montage. Sie bleiben, je nach ihrer Arbeitszeit, von Montag bis Donnerstag, manchmal aber auch länger. Sie genießen die Ruhe hier bei uns, setzen sich abends an den Grill oder chillen auf der Hollywood-Schaukel, versorgen sich aber selbst.“ Zwar gibt’s einen Frühstücksraum im Haus, „aber den konnten wir nur einen Tag lang betreiben – dann kam Corona und hat uns einen Strich durch die Bewirtschaftung gemacht“.

Selbstverpflegung gilt auch für Einzelpersonen oder Familien, die zu Ferienzeiten ins kleine Tankham reisen. „Unsere Ferienwohnungen haben alle eine kleine Küche, und so können sich die Gäste dort selbst etwas zum Essen machen. Meist sind sie sowieso unterwegs, wir liegen ja im Herzen Oberbayerns, können von der Therme Erding bis zu den Seen oder den Königsschlössern viele sehr attraktive Freizeit-Ziele empfehlen“, erklärt Scharl. Abends würden sie sich dann gerne auf die Haus-Terrasse setzen und relaxen, Kinder finden derweil eine Mitfahrt auf dem Traktor, den Besuch im Stall oder bei schlechtem Wetter den Spielplatz auf dem Heuboden spannend.

Mit der jetzigen Situation ist Josef Scharl sehr zufrieden. Seine Viehhaltung will er nicht vergrößern, dazu müsste er Land dazupachten, was sich letztlich nicht rechnen würde. Da er zwei Standbeine in seinem Unternehmen hat, macht er sich wenig Sorgen um seine Existenz-Sicherung. Und er hält gerne an seinem Beruf fest, „weil ich bin mein eigener Herr hier, ich liebe meine Arbeit“.

Nur das Übermaß an Bürokratie mache ihm manchmal zu schaffen, es gebe immer mehr Vorschriften. Auch die Genehmigung eines Pensionsbetriebs als Gewerbe sei mit allerlei Regeln behaftet. „Für den Papierkram sitze ich täglich gut eineinhalb Stunden am Schreibtisch“, rechnet er vor.

Bei rund 70 Wochenstunden, die er in Summe arbeitet, würde er sich manchmal doch etwas Urlaub wünschen, „obwohl ich an einem Fleck lebe, den andere als Erholungspunkt schätzen“. Letztlich aber sei er doch die meiste Zeit des Jahres hier, aus Verantwortung für seine Mitarbeiter, Gäste und Tiere.

Ob er noch Wünsche hat? „Von der Politik erwarte ich, dass sie mit weniger Ideologie und mehr Pragmatismus arbeitet, dass sie längerfristig planbare Ideen entwirft und sich nicht so sehr in landwirtschaftliche Details einmischt. Was die Verbraucher, unsere Endkunden, angeht, sollten sie nicht so viel falscher Werbung glauben. Beim Kauf von Lebensmitteln herrscht noch zu viel Geiz vor – viele reden von hochwertiger Ware, gehen dann aber mit ungesunden Fertiggerichten und Billig-Fleisch nach Hause.“

Landwirtschaft im Wandel – In unserer Serie stellen wir Landwirte und deren Höfe vor und lassen sie berichten, wie sie ihre Existenz sichern, sei es mit einem zweiten Standbein, einer Umstellung oder Modernisierung.

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