Merz‘ Blutgrätsche vor dem SPD-Entscheid
Die Genossen stimmen über eine Koalition mit der Union ab. Warum ärgert der CDU-Chef ausgerechnet jetzt die künftigen Partner? Ein Kommentar von Georg Anastasiadis.
Pünktlich zum Start des SPD-Mitgliederentscheids über eine schwarz-rote Koalition gibt’s vom designierten Kanzler Friedrich Merz die Blutgrätsche gegen die anstürmenden Genossen. 15 Euro Mindestlohn? Kommt vielleicht erst 2027. Einkommenssteuerentlastung für Geringverdiener? Unter Finanzierungsvorbehalt!
Und dann noch das: Auf unter 100.000 pro Jahr will der CDU-Chef die Asylzahlen drücken, kündigte er bei „Miosga“ forsch an. Sogar die Taurus-Lieferung an die Ukraine bringt er wieder ins Spiel. All das schmerzt das linke (Friedens-)Gewissen, und zwar nicht nur das der Jungsozialisten, die ein Bündnis mit der Union wie schon 2018 auch diesmal aus Prinzip ablehnen.
CDU-Chef Merz hat Machtdemonstration bewusst gewählt
Sind das alles mal wieder nur diese typisch Merz'schen Ungeschicklichkeiten, mit denen er seiner Koalition tölpelhaft noch ein paar Steine in den Weg legt? Wohl kaum. In der Unionsspitze herrscht jenseits der öffentlich zur Schau gestellten Gelassenheit Bestürzung über den Umfrage-Crash nach der Wahl.
Mit seiner Machtdemonstration will Merz klarstellen, wer in der schwarz-roten Koalition Koch ist und wer Kellner. Und er will den bei Unionswählern entstandenen Eindruck korrigieren, die Wahlverliererin SPD habe ihn in den Koalitionsverhandlungen am Nasenring durch die Manege gezogen und erhalte nun auch noch ein Veto-Recht für ihre Genossen, das den Mitgliedern von CDU und CSU verwehrt bleibe.
Das No-Groko-Theater der Jusos beeindruckt Merz wenig
Offenbar hält Merz das Ja der 358.000 SPD-Mitglieder zur Koalition trotz des No-Groko-Theaterdonners der Jusos für gesichert. Denn die Basis gilt, auch beim Thema Asyl, als pragmatischer als die Funktionärsebene. Sicherheitshalber hat der mutmaßlich neue Unions-Fraktionschef Jens Spahn seinen Koalitionspartnern in spe nochmal die Folterwerkzeuge gezeigt. Seine von Linksgrün mit Entrüstung quittierte Forderung, die AfD im Bundestag in organisatorischen Fragen zu behandeln wie andere Oppositionsparteien auch, ist eine Lockerungsübung gegenüber den Rechten.
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Die SPD-Parteibasis ist pragmatischer als die Funktionäre, von den heißblütigen Jusos ganz zu schweigen
Soll heißen: Wenn's die SPD übertreibt, gar die Koalition in letzter Minute platzen lässt, gibt es für CDU und CSU auch noch die Möglichkeit einer Minderheitsregierung. Die Jusos in ihrer jugendlichen Unbekümmertheit mag diese dezente Drohung nicht schrecken. Bei allen anderen sollte sich herumgesprochen haben, dass gerade Deutschlands Zukunft auf dem Spiel steht. (Georg Anastasiadis)