Top-Historiker erkennt bei Trump "Mad-Man-Strategie" – sein Fazit überrascht
Spätestens mit den Militärschlägen gegen den Iran ist die Welt von einer regelbasierten in eine machtbasierte Ordnung gewechselt - und wird diese auch nicht mehr verlassen. Zu diesem Schluss kommt Herfried Münkler, renommierter Politikwissenschaftler, in einem Gespräch mit dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (RND).
Die Art, wie Israel und die USA mit Gewalt gegen das iranische Nuklearwaffenprogramm vorgehen, zeigt laut Münkler nun deutlich, dass das "System der Verhandlungen" in vielerlei Hinsicht nur noch "eine Einladung ist, die andere Seite zu betrügen und an der Nase herumzuführen". Dies sei gerade mit dem Iran eine "durchgängige Erfahrung" gewesen.
Münkler: "Trump landet mit Mad-Man-Strategie Big Point"
Als wichtigen Faktor, der diese Entwicklung begünstigt habe, nennt der Politikwissenschaftler die Tatsache, dass es "keinen Hüter des Völkerrechts gibt" und die Vereinten Nationen als solcher "de facto keine Rolle spielen". Womit der Verweis auf das Völkerrecht – wie beispielsweise geschehen bei Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine – "politische keine große Relevanz mehr hat".
Falls der Krieg im Nahen und Mittleren Osten nun tatsächlich vorbei sein sollte, könne man diesen Erfolg US-Präsident Donald Trump durchaus als einen "Big Point" anrechnen, sagte Münkler weiter. Dies liege unter anderem auch daran, dass Trump eine Strategie, die unter dem Begriff "Mad Man" ("Verrückter Mann") von Richard Nixon (US-Präsident von 1969 bis 1974) entwickelt worden war, angewandt habe.
Diese Strategie war im Zusammenhang mit dem "Nuklearschach" von Nixon ersonnen worden. Wenn beide Seiten sich ausrechnen könnten, was die jeweils andere tun oder lassen wird, spielten selbst Nuklearwaffen keine Rolle mehr. "Aber wenn einer davon im Verdacht steht, ein bisschen oder sehr verrückt zu sein, hat das eine andere Durchschlagswirkung , so jedenfalls die damalige Überlegung von Nixon", erklärte Münkler im RND-Interview.

"Wer militärische Macht hat, kann Verhandlungen erzwingen"
Wie wichtig eine gemeinsame nukleare Abschreckungskomponente auf internationaler Ebene gerade auch für Europa sei, habe man erneut am schwachen europäischen Vorgehen im Irankonflikt ablesen können. Europas Spitzenpolitiker hätten, so Münkler, nichts weiter getan als "dabeizustehen, zu kommentieren und so zu tun, als seien ihre Kommentare bereits Handlungen". Europa benötige eine Vergemeinschaftung der "Force de frappe", wie die französische atomare Abschreckungsstreitmacht genannt wird.
Münkler forderte die Europäer auf, zu begreifen, dass die Strategie "entweder verhandeln oder kämpfen" intellektuell ein Fehler gewesen sei. Es sei ein Irrtum und eine historisch "falsche Aussage", zu glauben, wer verhandele, der schieße nicht. Die Geschichte sei voll von Beispielen.
Zudem hätten die Europäer in den letzten Monaten und Jahren noch etwas andere lernen müssen, führt Münkler gegenüber dem "RND" weiter aus: "Wer militärische Macht hat, wer diese auch einsetzen kann, ist in ganz anderer Weise in der Lage, Verhandlungen zu erzwingen. Wer dagegen nur auf Verhandlungen setzt, kann gegenüber einem hartleibigen Gegenüber nichts erreichen."
"Merz hat Ernst der Lage erkannt, Mützenich und Stegner nicht"
Auf die Frage, ob die Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) den Ernst der Lage erkannt habe, sagte Münkler: "Der Kanzler hat es offenbar erkannt. Ob sein Außenminister und Parteifreund Johann Wadepuhl auch, kann man mit Fragezeichen versehen".
Bei der SPD habe dies auch Verteidigungsminister Boris Pistorius begriffen. "Was sicher nicht für einige seiner Genossen gilt, die nicht im Kabinett sind - für Rolf Mützenich und Ralf Stegner."