Forscher finden 18.000 Quadratmeter großen Tempel eines untergegangenen Volkes
Archäologen haben einen verborgenen Tiwanaku-Tempel in Bolivien entdeckt. Der Fund wirft neues Licht auf diese einst mächtige Zivilisation. Der Ritual- und Handelsplatz offenbart das Erbe dieser mysteriösen Kultur, die vor 1000 Jahren plötzlich verschwand.
Die Struktur, welche die Wissenschaftler in ihrer Studie im Fachmagazin „Antiquity“ beschreiben, befindet sich rund 215 Kilometer südöstlich der weltbekannten Anlage in der Nähe der Stadt Tihuanaco, welche der Hochkultur ihren heutigen Namen gab.
Archäologen entschlüsseln Ausdehnung und Zusammenhalt im Tiwanaku-Staat
Die Tiwanaku-Hochkultur trat ab etwa 1000 v. Chr. auf und war für die nächsten 2000 Jahre eine der mächtigsten Kulturen Südamerikas. Allerdings haben Archäologen die Kontrolle der Tiwanaku über ihr Staatsgebiet lange kontrovers diskutiert. Die maximale Ausdehnung des Reiches betrug zu dessen Blütezeit bis zu 600.000 Quadratkilometer – fast die doppelte Fläche der heutigen Bundesrepublik.
Die neu entdeckte Anlage bei Palaspata gibt jedoch Aufschluss darüber, wie das mysteriöse Volk die Handelsrouten zwischen den südlichen Hochländern, den Ufern des Titicacasees und dem Cochabamba-Tal kontrollierte. Die Autoren der Studie argumentieren, dass die Stätte eine spirituelle und politische Bedeutung hatte und die verschiedenen Ökosysteme miteinander verband.

Einheimische wussten es schon lange – Forscher brauchten modernste Technik
Der Hauptautor der Studie, Anthropologieprofessor José Capriles von der Penn State University, erklärt „phys.org“, dass die lokalen Bauern schon lange von der früheren Bedeutung des Hügels wussten. Die Forscher bemerkten eine eigenartig regelmäßige Einfriedung auf dem Gebiet mit Seitenlängen von 125 und 145 Metern. Sie mobilisierten ein ganzes Arsenal moderner Technik und kombinierten Satellitenbilder mit Drohnenaufnahmen, um so ein erstes 3D-Modell der Struktur zu schaffen.
Bei weiteren Ausgrabungen fanden die Archäologen schließlich zahlreiche Fragmente von Keru-Bechern, die bei traditionellen Feiern genutzt wurden, was auf die Bedeutung des Tempels als Handelszentrum hinweist. Außerdem entdeckten sie 15 quadratische Umfriedungen um einen rechteckigen Innenhof, die für Rituale zur Sonnenwende ausgerichtet sind. „Der Ort muss eine wichtige Rolle gespielt haben, um Menschen zu verbinden“, resümiert Professor Capriles gegenüber dem Wissenschaftsportal.

5 Fakten über den Tiwanaku-Staat
- Staatsgebiet und Zentrum: Die Stadt Tiwanaku, möglicherweise ursprünglich Taypikala genannt, war das politische und spirituelle Zentrum des Tiwanaku-Staates. Das Gebiet umfasste auch urbane Gegenden und soll bis zu einer halben Million Einwohner gehabt haben.
- Blütephase und Zusammenbruch: In seiner Hochphase kontrollierte der Tiwanaku-Staat Gebiete im heutigen Bolivien, Peru und Chile. Anders als die mysteriösen „Wolkenmenschen“ wurde ihr Reich jedoch nicht von den Inka erobert, sondern brach wohl aufgrund einer Klimaanaomalie zusammen.
- Kulturelle Einflüsse: Die Tiwanaku-Kultur umfasste sowohl eigene Innovationen als auch Elemente der Yaya-Mama-Ikonografie und beeinflusste die nachfolgende Wari-Kultur.
- Architektonische Meisterwerke: Die terrassierten Plattformhügel Akapana und Pumapunku sind für ihre spektakuläre Architektur und hydraulischen Eigenschaften bekannt.
- Ufo-Enthusiasten: Die Fähigkeit der Tiwanaku, riesige Steinblöcke millimetergenau zu bearbeiten, ist so faszinierend, dass Anhängern der „Präastronautik“ sie als Beweis für die Hilfe von Aliens ansehen.