Antrieb der Zukunft: Sogar der V8 kommt wieder - warum der Verbrennungsmotor weiterleben wird
Thomas Koch nimmt kein Blatt vor den Mund: "Wir haben im 5000 Meter-Lauf eine Stadienrunde Vorsprung aufgegeben." Damit meint der bekannte Motoren-Professor vom KIT Karlsruhe nicht etwa die Elektromobilität, sondern die ureigene Kompetenz der deutschen Autobauer - den Verbrennungsmotor. Koch hält die reine Elektro-Strategie von VW und Co. der letzten Jahre für verfehlt und befürchtet, dass die Hersteller auf politischen Druck hin ihr jahrzehntelang aufgebautes Knowhow verschenkt haben. Denn das Verbrenner-Verbot der EU, da ist sich Koch sicher, werde fallen - "es ist nur eine Frage, wann."
Motoren-Experte kritisiert deutsche Autobauer
Tatsächlich haben Konzerne wie VW, Mercedes oder BMW ihre Entwicklungstätigkeit bei Benzin- und Dieselmotoren deutlich zurückgefahren und zum Teil outgesourct. BMW zum Beispiel baut seine Motoren in Großbritannien und in Österreich bei Magna Steyr. In Deutschland rollen künftig nur noch elektrische BMWs vom Band.

Der freiwillige Rückzug der Deutschen eröffnet Chancen für Unternehmen wie Horse Powertrain. Das weltweite Konsortium wurde vom chinesischen Auto-Riesen Geely, Volvo, Renault und dem Ölkonzern Aramco 2023 gegründet. Bemerkenswert ist vor allem die Beteiligung von Volvo, die die heimliche Doppel-Strategie der Chinesen zeigt: Die ebenfalls zu Geely gehörende Schwedenmarke setzt nämlich offiziell nur noch aufs Elektroauto. Nach außen hin verkauft Volvo nur noch Akku-Mobile oder maximal Plug-In-Hybride - seine Verbrenner-Kompetenz nutzt man aber im Joint-Venture weiter und bietet sie anderen Automarken an. Matias Giannini, CEO bei Horse Powertrain, macht klar: "Ein Jahrzehnt lang sah es so aus, als ob nur das Batteriefahrzeug der Weg zum emissionsfreien Fahren wäre, entsprechend planten das auch die Autohersteller. Wir bewegen uns nun aber in Richtung einer technologieoffenen Welt mit unterschiedlichen Märkten und Anwendungsbereichen."
Horse Powertrain will Verbrenner-Lücke schließen
Schwerpunkt bei Horse Powertrain sind allerdings keine großvolumigen Motoren, sondern kleinere Aggregate in Verbindung mit Hybridisierung. Mit dem "Future Hybrid Concept" zeigte man im April 2025 auf der Automesse in Shanghai ein kompaktes Antriebsmodul, das "mit minimalen Modifikationen" ein reines Batterieauto in einen Plug-in-Hybriden mit hoher Reichweite verwandeln soll. Gedacht ist die kompakte Einheit zum Einbau in die Front des jeweiligen Fahrzeugs. Motor, E-Maschine und Getriebe sind in einer Einheit verbunden. Der Verbrenner kann mit normalem Benzin betrieben werden, mit Biosprit oder mit synthetischen Kraftstoffen.
Verbrauch wird wichtiger als Power
Während die Zukunft des Verbrennungsmotors als Massen-Anwendung vor allem in sparsamen Hybrid-Lösungen und speziell in China auch im Range Extender als "Backup" für den E-Antrieb liegt, wird die Bedeutung "reiner" Verbrenner zweifellos weiter schrumpfen. Das zeigt bereits die Antriebspalette der meisten Hersteller, in denen immer weniger Sechszylinder, geschweige denn V8 oder gar V12-Aggregate ihren Platz haben. Und auch bei Brot-und-Butter-Motoren gibt es weniger Auswahl, zumal die Diesel-Option bei vielen Modellen komplett gestrichen wurde.
Der emotionale Totalausfall der E-Mobilität
Doch auch dort gibt es Ausnahmen, und die wird man wenig überraschend bei Sportwagen finden. So imposant E-Fahrzeuge auch Geschwindigkeit auf die Straße bringen können: Die Faszination an Sound, die Emotion eines gut abgestimmten Benzinmotors und der Spaß an technologischen Feinheiten geht dem Elektroauto völlig ab. Sportwagenhändler Benjamin David aus Hamburg bringt es auf den Punkt: "Die mangelnde Attraktivität ist an mehrere Aspekte geknüpft und geht beim fehlenden Motorensound los. Der ist unmittelbar mit der Markenwelt der großen Sportwagenhersteller verbunden und sorgt bei Liebhabern seit jeher für Gänsehaut. Vielen Kunden im Sportwagensegment ist das Verhältnis Leistung zu Gewicht zudem sehr wichtig. Da E-Konstruktionen bekanntlich viel schwerer als herkömmliche Ottomotoren sind, fehlt es ihnen an Sportlichkeit", so David.

Mercedes: Vom Vierzylinder zurück zum Sechsender
Nicht nur, aber gerade die deutschen Autobauer sind gut beraten, für bestimmte Modellreihen weiter auf potente und Hubraum-starke Aggregate zu setzen, weil die Kunden sie nach wie vor bevorzugen:
- Mercedes-AMG meinte, mit einem aufgeblasenen Vierzylinder seine Boliden attraktiv zu halten und den berühmten AMG-V8 damit zu ersetzen. Weit gefehlt: Nun soll ein 3,0-Liter-Reihensechszylinder neue Modelle antreiben. Die Power-Schmiede aus Affalterbach wollte damit wohl auch einen Exodus von AMG-Kunden zur technologieoffenen Konkurrenz von BMW M verhindern. Sogar der V8-Motor und womöglich auch der Zwölfzylinder sollen AMG erhalten bleiben.
- Ferrari fremdelt mit der EMobilität ohnehin. Zwar wird es einen Batterie-Ferrari geben, aber später als erwartet. Auch bei Maserati hat man festgestellt, dass die Nachfrage nach einem elektrischen Dreizack-Renner gegen Null tendiert. Während bei Ferrari oder Lamborghini der hohe Ertrag und der Kultstatus der Modelle auch künftig neue Verbrenner-Sportwagen ermöglicht, bleibt aber offen, ob der Stellantis-Mutterkonzern eine Zukunftsrolle für Maserati finden kann.
- Dodge bringt sein legendäres Muscle Car "Charger" als Elektroversion. Doch viel zu wenig Kunden wollen ihn haben: "Die Händler verramschen das nagelneue Auto bereits mit hohen Rabatten. Sie warten ungeduldig auf die Variante mit Verbrennungsmotor, die jetzt hastig fertig entwickelt wird", berichtet Autoexperte Jens Meiners aus den USA.
Verbrenner sind für deutsche Hersteller Chance und Risiko zugleich
Gerade in den USA, die unter Trump den Klima-Kurs der Vorgänger-Regierung beendet haben und weit entfernt sind von einem Verbrenner-Verbot, bleiben Benzin- und Hybridantriebe unverzichtbar. Für deutsche Hersteller ist das Chance und Risiko zugleich: Sie können einerseits ihre Kernkompetenz weiter ausspielen - anderseits müssen sie aber auch das rasch wachsende - und in Märkten wie China zumindest bei PKW bald dominante - Elektroauto-Geschäft ausbauen.

VWs neue SUV-Marke braucht Verbrenner
Ein Beispiel dafür, was passiert, wenn man zu früh auf einen reinen Elektro-Kurs schwenkt, ist die US-Marke Scout, eine Tochter von Volkswagen. Mit großen Pickups und SUV wird ausschließlich der US-Markt bedient. Während die Karosserieform für den Markt genau passend ist und auch Scout als Offroad-Kultmarke in den USA immer noch "zieht", haben sich die Deutschen beim Antrieb verschätzt: Eigentlich sollte Scout eine reine Elektro-Marke werden, so wie Rivian. Nun aber schiebt man einen Hybrid hinterher, bei dem der Motor als Range Extender die Batterie während der Fahrt aufladen kann.
Offen bleibt, ob die Amerikaner dieses Konzept überhaupt annehmen. Einige werden es zwar noch vom ersten Chevrolet Volt kennen, doch für schwere SUV und Pickups ist es neu. Volkswagen ist damit ein schwer kalkulierbares Risiko eingegangen.
Riskante Elektro-Wette in den USA
Sinnvoller wäre es gewesen, parallel zur reinen Elektro-Version von vornherein ein Einstiegsmodell mit Hybridantrieb oder einem simplen Sechszylinder-Benziner anzubieten, der die Autos dann auch deutlich günstiger gemacht hätte. So muss VW hoffen, dass die Kunden einen Verbrenner als reinen Hilfsantrieb an Bord akzeptieren - oder gleich auf die reine Elektro-Variante umsteigen. In den USA beträgt der Marktanteil von Batteriemobilen derzeit aber nur acht Prozent.
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