Gastbeitrag von Hans-Peter Kleebinder: Zurück auf die Überholspur: Wie Deutschlands Autobranche wieder vorne mitfährt

Deutschlands Automobilindustrie steckt tief in der Krise. Asiatische „New Dragons“ setzen deutsche Hersteller mit rasanter Innovation und aggressiver Preispolitik massiv unter Druck. Standortnachteile wie hohe Löhne, steigende Energiepreise und lähmende Bürokratie verschärfen die Lage zusätzlich. Auch der ehemals so profitable China-Markt schwächelt zunehmend. Die Bundesregierung steht jetzt unter Zugzwang, um die Branche nachhaltig zu sichern und wieder zukunftsfähig aufzustellen.

Fünf Maßnahmen, die jetzt entscheidend sind

1. Standort Deutschland stärken

Deutschlands Automobilindustrie leidet unter extrem hohen Arbeitskosten. Mit durchschnittlich 62 Euro pro Stunde liegen diese weltweit an der Spitze. Ein Volkswagen-Mitarbeiter fertigt nur etwa halb so viele Fahrzeuge pro Jahr wie einer von Toyota (13,6 vs. 27,5 Fahrzeuge). Dringend notwendig sind deshalb niedrigere Lohnnebenkosten, weniger Bürokratie sowie massive Investitionen in moderne Produktionsanlagen, leistungsfähige Infrastruktur und digitale Netze.

2. Innovationskraft gezielt fördern 

Deutsche Autobauer investierten 2023 mit 58,4 Milliarden Euro weltweit am meisten in Forschung und Entwicklung. Trotzdem liegt Deutschland bei wichtigen Zukunftstechnologien wie Elektromobilität, Wasserstoffantrieb und autonomen Fahrzeugen hinter seinen Möglichkeiten zurück. Insbesondere bei autonomen Fahrzeugen, Elektromobilität und vernetzten Mobilitätslösungen besteht hoher Nachholbedarf. Bundesregierung, Wirtschaft und Wissenschaft müssen deshalb viel enger zusammenarbeiten, um Innovationen zügig marktreif zu machen und international wettbewerbsfähig zu bleiben.

3. Digitalisierung beschleunigen 

In puncto Digitalisierung erreicht die deutsche Automobilbranche aktuell nur mittelmäßige Werte (DMI-Index von 3,92 auf einer Skala bis 7). Um mit globalen Wettbewerbern Schritt halten zu können, sind umfangreiche Investitionen in digitale Technologien erforderlich – insbesondere in Künstliche Intelligenz, vernetzte Produktionssysteme, datengetriebene Geschäftsmodelle sowie digitale Kundenservices. Nur schnelle und konsequente Digitalisierung sichert langfristig Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsführerschaft.

4. Autonome Mobilität priorisieren 

Deutschland führt zwar mit 58 Prozent der weltweiten Patentanmeldungen beim autonomen Fahren, fällt bei der praktischen Umsetzung jedoch deutlich zurück. Die Politik muss klare rechtliche Rahmenbedingungen schaffen und gezielte Investitionen in Infrastruktur sowie groß angelegte Pilotprojekte initiieren. Nur durch entschlossenes Handeln lässt sich die Spitzenposition ausbauen und Deutschland kann sich als international führender Standort für autonome Mobilität etablieren.

5. Nachhaltige Kreislaufwirtschaft etablieren 

Nachhaltigkeit gewinnt in der Automobilindustrie massiv an Bedeutung. Deutschland recycelt bereits 97,5 Prozent der Altfahrzeugmasse. Doch geopolitische Abhängigkeiten von Rohstoffen und fragile globale Lieferketten bedrohen zunehmend die Stabilität der Branche. Eine konsequente Kreislaufwirtschaft mit starkem Fokus auf Recycling, langlebigen Komponenten und klaren CO₂-Zielen reduziert Kosten, sichert Rohstoffversorgung und stärkt zugleich den Klimaschutz.

Fazit: Gemeinsames Handeln ist notwendig 

Die Herausforderungen für die deutsche Automobilindustrie sind groß, aber nicht unlösbar. Gezielte politische Maßnahmen, klare Investitionsprioritäten und eine enge, strategische Zusammenarbeit zwischen Politik, Industrie und Wissenschaft sichern langfristig Deutschlands führende Rolle im globalen Automobilmarkt. Die aktuell noch hohe Ertragskraft (EBIT: Porsche 18 Prozent, Mercedes-Benz 13 Prozent, BMW 12 Prozent, VW 7 Prozent) bietet jetzt die Chance für entschlossenes und nachhaltiges Handeln. Die Zeit dafür drängt. Deutschlands Automobilbranche muss jetzt zeigen, dass sie ihre historische Stärke nutzen kann, um die Zukunft aktiv und erfolgreich zu gestalten.

Über Hans-Peter Kleebinder

Hans-Peter Kleebinder ist ein unabhängiger Mobilitäts-Experte mit den Themen Smart Mobility, Smart Cities und Smart Data. Mobilität neu zu denken und zu gestalten seine Mission. Als unabhängiger Mobilitäts-Experte unterstützt er Unternehmen, Marken und Menschen auf ihrem Weg in eine nachhaltige, moderne und sichere Zukunft und gibt Antworten auf die Fragen, wie wir in Zukunft leben und arbeiten und uns dabei nachhaltiger, sicherer und entspannter von A nach B bewegen.