Neue Flüchtlingsunterkunft im Gewerbegebiet: Im Bauausschuss kommt‘s zum Eklat

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Auf dem Grundstück am Hans-Urmiller-Ring 49 im Wolfratshauser Gewerbegebiet will ein privater Investor eine Unterkunft für bis zu 144 Asylbewerber bauen. © Hermsdorf-Hiss

Der Bauausschuss des Wolfratshauser Stadtrats lehnt den Bau einer Unterkunft für bis zu 144 Asylbewerber im Gewerbegebiet mehrheitlich ab. Doch schon vor der Abstimmung stand fest: Errichtet werden darf sie trotzdem.

Wolfratshausen – Im Gewerbgebiet, auf einem unbebauten, rund 2800 Quadratmeter großen Grundstück am Hans-Urmiller-Ring 49, kann eine Unterkunft für Asylbewerber entstehen. Die Mitglieder des Bauausschusses des Stadtrats lehnten den entsprechenden Antrag eines privaten Investors in ihrer Sitzung am Mittwoch zwar mit 3:7 Stimmen ab. Doch in der Sitzung wurde bekannt, dass das Landratsamt das sogenannte gemeindliche Einvernehmen der Flößerstadt auf jeden Fall ersetzen wird. Der Abstimmung voraus ging ein Eklat, der darin gipfelte, dass Rathauschef Klaus Heilinglechner (Bürgervereinigung Wolfratshausen/BVW) SPD-Stadträtin Gerlinde Berchtold das Wort entzog. Die jedoch ließ ihrer Empörung unbeeindruckt freien Lauf.

Flüchtlingsunterkunft im Gewerbegebiet: Im Bauausschuss kommt‘s zum Eklat

Schon vor zehn Jahren hatte der Bauausschuss ein nahezu identisches Vorhaben der Firma Moar UG & Co. KG aus Bad Wiessee abgelehnt. „Ein Gewerbegebiet ist – wie der Name schon sagt – ein Gewerbegebiet“, erklärte seinerzeit der heutige Vize-Bürgermeister Günther Eibl (CSU), warum eine Wohnbebauung nicht in Frage komme. „Ein Asylantenheim in einem Gewerbegebiet? Nein!“, pflichtete ihm Grünen-Stadtrat Dr. Hans Schmidt bei. Obwohl das Landratsamt kurz darauf feststellte, dass der negative Beschluss des Fachgremiums rechtswidrig war – gebaut wurde nicht.

Nun lag ein neuer Antrag eines privaten Investors, dessen Name in der Sitzung am Mittwoch nicht fiel, auf dem Tisch. Auf besagtem Areal will der Investor eine „Wohnanlage zur Unterbringung von Asylsuchenden“ errichten, in der bis zu 144 Personen untergebracht werden können (wir berichteten). Baurechtlich, so der Tenor im Fachgremium, sei das Ansinnen wasserdicht. Und mit Blick auf die sehr eng gefassten Nutzungsmöglichkeiten von Gebäuden in Gewerbegebieten erlaubt das Baugesetzbuch „die Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbewerbern“ ausdrücklich.

Bürgermeister: „Ich vertraue auf das Wort des Landrats“

„Es ist wohl alles eingehalten“, stellte Stadträtin Berchtold fest. Sie interessierte allerdings die Antwort auf die Frage, ob die Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete, die Mehrzweckhalle in Farchet, „aufgelöst wird“, wenn die Unterkunft am Hans-Urmiller-Ring fertig ist. Ja, das habe Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) in einer Dienstbesprechung mit allen Bürgermeistern zugesagt, berichtete Rathauschef Heilinglechner. Dafür gebe es ergo „reichlich Zeugen“. Heilinglechner sprach von einer „Zielvereinbarung“, die zwischen dem Landratsamt und der Stadtverwaltung „mündlich wie schriftlich“ getroffen worden sei. Sicherlich könne der Landrat „nicht in die Glaskugel schauen“ und belastbar vorhersagen, ob der Strom der Flüchtlinge abebben oder sogar noch stärker werden wird. Doch in Sachen Mehrzweckhalle „vertraue ich auf das Wort des Landrats“. Heilinglechner räumte ein, dass „die Situation in Farchet für die Anwohner auf Dauer nicht tragbar ist“.

Jetzt müssen Familien mit Kindern in ein Gewerbegebiet ziehen – Hauptsache, sie sind untergebracht. 

Sie, Berchtold, werde dem Antrag dennoch nicht zustimmen. Erst vor wenigen Wochen habe man der Arbeiterwohlfahrt den Neubau eines Demenzzentrums im Gewerbepark an der Loisach „wegen Lärmschutz“ verwehrt (wir berichteten). „Und jetzt müssen Familien mit Kindern in ein Gewerbegebiet ziehen – Hauptsache, sie sind untergebracht“, echauffierte sich die Sozialreferentin des Stadtrats. „Von Integration wird schon lange nicht mehr gesprochen, weil’s nicht mehr zu schaffen ist.“

Rathauschef Heilinglechner unterbrach Berchtold mehrfach mit dem Hinweis, „nicht Soziales mit dem Bauausschuss zu vermischen“. Zudem handele es sich bei einem Demenzzentrum um eine „dauerhafte Einrichtung“. Für die geplante Asylunterkunft im Gewerbegebiet sei ein Nutzungsrecht von zwölf Jahren vereinbart.

„Ein Einfamilienhaus“ darf auch künftig nicht im Gewerbegebiet gebaut werden

Als Berchtold wiederholt zur Rede ansetzte, entzog ihr der Bürgermeister barsch das Wort und schimpfte: „Wir können uns alle wegducken. Dann stellt uns die Regierung von Oberbayern die Fehlbeleger einfach vor die Tür.“ Die Herausforderungen seien für alle Beteiligten groß. Heilinglechner: „Wir haben uns das nicht ausgesucht, das Landratsamt und die Regierung von Oberbayern auch nicht.“

Sebastian Sens, Mitarbeiter im Rathaus-Referat Planen und Umwelt, erklärte auf Nachfrage von BVW-Fraktionssprecher Josef Praller, dass die Stadt keinen Präzedenzfall schaffen würde, falls der Ausschuss dem Bauantrag zustimmt. „Ein Einfamilienhaus“ dürfe auch künftig niemand im Gewerbegebiet bauen. „Nur für Flüchtlinge“, unterstrich Sens, erlaube der Gesetzgeber eine Befreiung von der sonst unumstößlichen „Nutzungsart“.

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Da bereits vor der Sitzung feststand, dass das Landratsamt das Einvernehmen Wolfratshausens ersetzen wird, sollte das Fachgremium Nein zu dem Projekt des Investors sagen, haderte Richard Kugler (Wolfratshauser Liste) mit dem positiven Beschlussvorschlag seitens der Stadtverwaltung. Doch für ihn wog die Zusage Niedermaiers schwer, die Mehrzweckhalle wieder für Sportler freizugeben, wenn die Unterkunft am Hans-Urmiller-Ring bezugsfertig ist. „Es es ein Scheißkompromiss“, so Kugler wörtlich.

Seit 210 kein Meinungsumschwung bei der CSU-Fraktion

„Fakt ist: Es ist ein Gewerbegebiet“, konstatierte Zweiter Bürgermeister Eibl. „Doch die Maßnahme ist baurechtlich erlaubt.“ Allerdings habe es bei der CSU seit 2014 keinen Meinungsumschwung gegeben. Die damalige Ablehnung bezeichnete Eibl rückblickend als „weise“, auch jetzt würden die zwei CSU-Vertreter im Bauausschuss dem Antrag des privaten Investors nicht zustimmen. „Soll das Landratsamt das gemeindliche Einvernehmen doch ersetzen“, sagte der Vize-Bürgermeister provokant. „Dann muss der Landrat auch sein Versprechen einlösen“, das heiße, die Erstaufnahmeeinrichtung in Farchet wieder in eine Sporthalle umfunktionieren. Und wenn das Landratsamt den Bau der neuen Unterkunft gegen den Willen der Stadt durchdrücke – dann sei die Kreisbehörde „auch Anlaufstelle für alle Beschwerden“, so Eibl.

Die Lage in Farchet spannt sich im Moment sehr an.

„Es ist auch nicht meine Intention, Flüchtlingsheime in Gewerbegebieten zu bauen“, beteuerte Bürgermeister Heilinglechner. „Aber wenn wir keine Ersatzunterkunft bauen, kann das Landratsamt keine Hallen freimachen.“ Er wisse, dass sich „die Lage in Farchet momentan sehr anspannt“. Heilinglechner appellierte an die Ausschussmitglieder, dem Bauantrag zuzustimmen. Andernfalls tue dies das Landratsamt, damit verbunden sei dann eine Verzögerung des Verfahrens um bis zu drei Monate. Das bedeute: Auch die Mehrzweckhalle in Farchet könne voraussichtlich erst später als derzeit geplant wieder vom BCF Wolfratshausen genutzt werden.

Landratsamt wird das gemeindliche Einvernehmen auf jeden Fall ersetzen

Für Stadtrat Dr. Schmidt („Wir brauchen dringend weitere Unterkunftsmöglichkeiten für Flüchtlinge, auch um die Farcheter Mehrzweckhalle wieder für die Vereine frei zu machen“) und Ingrid Schnaller (SPD) ein schlüssiges Argument. Doch die Mehrheit lehnte den Bauantrag letztlich ab. „Wir können den Bau nicht verhindern“, bilanzierte Bürgermeister Heilinglechner. Es gebe „ein klares Ja“, dass das Landratsamt das gemeindliche Einvernehmen der Kommune ersetzen werde. (cce)

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