Stürzt die Brandmauer ein? - Auf einmal rumort es in der AfD, wenn es um die Asylpläne der Union geht
Stürzt die Brandmauer zur AfD ein? Diese Frage bewegt im politischen Berlin und darüber hinaus in diesen Tagen viele. Seit CDU-Chef Friedrich Merz angekündigt hat, ihm sei egal, wer in der Migrationsfrage mit der Union stimme, geht es in den Abgeordnetenbüros hektisch zu – allerdings nicht mehr nur auf der Unionsseite der Brandmauer. Auch in der AfD rumort es.
Beispielhaft war das bei einer Pressekonferenz der Partei am Dienstagvormittag zu beobachten. Sprach der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Bernd Baumann, zu Beginn noch davon, dies sei die spannendste Woche, seit die AfD im Bundestag ist, reagierte der AfD-Politiker im weiteren Verlauf des Termins zunehmend defensiv.
Hintergrund: Zuerst sah es danach aus, als zahle die Messerattacke von Aschaffenburg, ausgerechnet einen Monat vor der Bundestagswahl, voll auf Rhetorik und Wahlprogramm der AfD ein.
Dort vergeht kaum eine Rede der Parteichefin, ohne dass eine angebliche Realität von „Messermännern“ – so sagen AfD-Vertreter – beschworen wird, vor denen die Bürger des Landes zu schützen seien. Egal, wie repräsentativ die Tat von Aschaffenburg ist: Die AfD und mit ihr viele Anhänger und unentschlossene Wähler sahen sich bestätigt.
Der offizielle Wahlkampfauftakt der Partei in Halle geriet dementsprechend zu einer bunten Mischung aus Selbstbestätigung und Triumphgefühl. Ein Höhepunkt der Veranstaltung: der live zugeschaltete US-Tech-Milliardär Elon Musk, der einmal mehr für die Partei warb und den Deutschen ausgerechnet kurz vor dem 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz riet, sich weniger auf ihre Vergangenheit zu fokussieren.
Zurück im parlamentarischen Betrieb sorgt die Migrationsdebatte in dieser Woche nun allerdings auch innerhalb der AfD selbst für Diskussionen. Es zeigt sich: Ganz so eindeutig ist die Haltung der Fraktion, auf die es bei den entscheidenden Abstimmungen in den nächsten Tagen ankommen wird, nicht.
Alice Weidel hat bereits behauptet, die Brandmauer sei gefallen
CDU und CSU hatten zuerst versucht, ein Zusammengehen mit den Rechten zu verhindern, indem sie die AfD in einem entsprechenden Antrag explizit kritisierte. Die Rechten ließen sich davon zunächst nicht abhalten.
Kurz vor der Sitzung mit Baumann hatte dessen Kollege Stefan Keuter noch im Deutschlandfunk erklärt, es müsse trotz dieser Kritik alles getan werden, um illegale Migration in Deutschland zu begrenzen. Ein Tenor in der Partei: Die AfD nehme dies in Kauf, um das Beste fürs Land zu erreichen. Kanzlerkandidatin Alice Weidel hatte zuvor auf X bereits behauptet, die Brandmauer sei gefallen.
Ihr Co-Vorsitzender Tino Chrupalla hatte dem allerdings widersprochen und dem Portal t-online gesagt: „Die Brandmauer fällt noch nicht, wenn CDU und CSU unsere Anträge der letzten Jahre kopieren und um unsere Zustimmung werben.“
AfD will wohl für Änderung von Passus im Asylgesetz stimmen
Im parlamentarischen Verfahren sind nun zwei Vorgänge zu unterscheiden: Da ist zum einen die von der Union eingebrachte Gesetzesänderung. CDU und CSU wollen illegale Migration weiter begrenzen. Konkret, so hatten es mehrere Medien berichtet, soll etwa im Asylgesetz der Passus „Dem Ausländer ist die Einreise zu verweigern“ um den Zusatz „durch Zurückweisung an der Grenze“ ergänzt werden.
Für diese Änderung will die AfD dem Vernehmen nach stimmen. Auch der Parlamentarische Geschäftsführer Baumann erklärte am Dienstagvormittag, dem wolle die Fraktion „natürlich“ zustimmen, „auf jeden Fall“, dies sei ja Linie der AfD.
„Mal gucken, wie die CDU sich jetzt verhält“
Zum anderen sind da allerdings auch noch voraussichtlich zwei Entschließungsanträge der Union, die am Mittwoch eingebracht werden sollen. Und da ist die AfD plötzlich nicht mehr so eindeutig.
So sagte Baumann am Dienstag, als er nach der Position seiner Fraktion befragt wurde, man müsse sich die genauen Vorlagen der Union zunächst ansehen, man werde sich damit beschäftigen, man kenne die Anträge ja noch gar nicht. „Mal gucken, wie die CDU sich jetzt verhält“, sagte Baumann, die sei jetzt am Zug.
Aus Fraktionskreisen war nach der Fraktionssitzung am Dienstagnachmittag zu hören, dass man der Gesetzesänderung am Freitag weiterhin zustimmen wolle, ebenso dem Fünf-Punkte-Plan der Union, trotz AfD-kritischer Formulierungen.
Beim zweiten Entschließungsantrag sei allerdings nach wie vor nicht geklärt, wie die AfD abstimmen werde, auch weil das Papier noch nicht vorliege. Möglicherweise wolle man versuchen, Punkte einzeln abzustimmen.
Mit einem dürfte Baumann also in jedem Fall recht haben: Die letzte Sitzungswoche in der laufenden Legislatur dürfte auch für die AfD selbst äußerst spannend werden.
Von Stefanie Witte
Das Original zu diesem Beitrag "Mitmachen oder gegenhalten?: So geht die AfD mit dem Unionsvorschlag zur Migration um" stammt von Tagesspiegel.