Terror-Gefahr durch Iran-Verbündete: Was das jetzt für Deutschland bedeutet

In der Nacht von Montag auf Dienstag, wenige Stunden nachdem das iranische Regime die US-Militärbasis al-Ubaida in Katar angegriffen hatte, verkündete US-Präsident Donald Trump, dass Iran und Israel einem Waffenstillstand zugestimmt haben. Nachdem Iran in der Nacht zu Dienstag nochmals Israel mit Raketen angegriffen hatte, bestätigte Iran öffentlich, dass das Regime den Waffenstillstand zustimmt. 

Einige Stunden danach stimmte auch die israelische Regierung dem Waffenstillstand zu. Ab Dienstagabend sollten daher die Angriffe beider Seiten beendet sein. Damit besteht nun die Möglichkeit, dass die direkte militärische Auseinandersetzung zwischen Israel, Iran und den USA beendet sein könnte.

Iran in extrem vulnerabler Situation

Wenn dies eintreten und der Waffenstillstand halten sollte, beginnt nun eine neue Phase, in der das iranische Regime nicht nur mit dem Wiederaufbau der militärischen Infrastruktur, sondern auch seines regionalen Einflusses beginnen wird. 

Hans-Jakob Schindler

Nach einer internationalen Karriere in der Forschung, im öffentlichen Dienst, im Privatsektor und als Terrorismusberater des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen arbeitet Hans-Jakob Schindler zurzeit als Senior Director beim Counter Extremism Project in Berlin und New York und in Beiräten verschiedener internationaler Organisationen. Er studierte in Tübingen, Georgetown, St Andrews und Tel Aviv und schrieb seine PhD Arbeit zum internationalen Terrorismus in St Andrews.

Nach dieser Auseinandersetzung ist das Regime aktuell in einer extrem vulnerablen militärischen Situation. Nicht nur hat es weite Teile seiner Luftabwehr verloren, das Arsenal seiner Langstreckenraketen ist reduziert, viele seiner Abschussvorrichtungen sind zerstört und das nukleare Programm im Land ist signifikant beschädigt. 

Iran stellte zu keinem Zeitpunkt eine Bedrohung für Israel dar

Die Angriffe mit ballistischen Raketen auf Israel in den letzten zwölf Tagen erwiesen sich weitgehend als strategisch ineffektiv. Sie übten zwar politischen und wirtschaftlichen Druck auf Israel aus, stellten jedoch zu keinem Zeitpunkt eine signifikante militärische Bedrohung für das Land dar.

Schon vor dem israelischen Angriff war der regionale Einfluss des Irans erheblich geschwächt. Sowohl Hamas als auch Hisbollah, die zwei größten Proxies des Regimes, sind aktuell nicht in der Lage, eine strategische Gefahr für Israel darzustellen. 

Die jemenitischen Houthis sind ebenfalls nicht in der Lagem, effektiven militärischen Druck auf die USA oder Israel auszuüben. Keine dieser Gruppen waren in der Lage, Iran während der aktuellen militärischen Auseinandersetzung maßgeblich zu unterstützen. Das Assad-Regime in Syrien, der letzte regionale Alliierte des Iran, ist Ende 2024 gefallen. Sowohl Russland als auch China unterstützten das Regime zwar diplomatisch, aber nicht militärisch.

Iran könnte noch den internationalen Energiemarkt manipulieren

Daher bleiben dem iranischen Regime wenige Instrumente, um sich im Falle eines Wiederaufflammen der militärischen Auseinandersetzung durch Israel oder die USA effektiv zur Wehr zu setzen. 

Es kann entweder durch eine Störung der internationalen Schifffahrt in der Straße von Hormus, der Meerenge am Ende des Persischen Golfs, die Iran kontrolliert, den internationalen Energiemarkt manipulieren oder durch die Nutzung seiner weltweiten Geheimdienst-Netzwerke Anschläge auf israelische oder amerikanische Ziele verüben. 

Man muss daher davon auszugehen, dass das iranische Regime diese Netzwerke aufgrund seiner aktuellen militärischen Schwäche weiter auszubauen versucht.

Anschläge in Berlin gingen auf iranische Agenten zurück

In der nun beginnenden Phase ist es zentral, diese Situation als eine der wichtigen Herausforderungen der inneren Sicherheit Deutschlands zu verstehen. Auch schon in der Vergangenheit hat das iranische Regime immer wieder solche Netzwerke genutzt, um internationale Anschläge zu verüben. Einige der bekanntesten Anschläge betrafen auch Deutschland und Europa. 

1986 unterstützen iranische Agenten den lybischen Geheimdienst bei einem Sprengstoffanschlag auf die Berliner Diskothek La Belle. 1993 organisierten Agenten des Regimes, in Kooperation mit Operateuren der Hisbollah, die Ermordung kurdischer Exiloppositioneller im Mykonos Restaurant in Berlin. 2012 sprengten Hisbollah Operateure im Auftrag des Iran einen Bus mit israelischen Touristen in Burgas, Bulgarien in die Luft. 

In den letzten Jahren gab es immer wieder Medienberichte, dass iranische Agenten in Europa verstärkt Kontakte zu kriminellen Netzwerken suchten, um diese für Anschläge zu rekrutieren. So wurden 2022 zwei Anschläge auf jüdische Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen verhindert, für die nach Medienberichten Agenten die Quds-Brigarde der iranischen Revolutionswächter Helfer aus der organisierten Kriminalität angeworben hatten.

Die Hauptziele solcher Terrorangriffe waren bislang iranische Oppositionelle, jüdische, israelische, und amerikanische Personen und Einrichtungen. Es ist davon auszugehen, dass dies auch in dieser Phase weiterhin der Fall ist. Da jedoch das iranische Regime aktuell auch intern geschwächt ist, besteht das Risiko, dass solche Operationen weiter zunehmen werden, bis die Machthaber in Teheran ihren internen und regionalen Einfluss wieder stabilisiert haben. 

Sollte es im Nachgang zu dieser militärischen Auseinandersetzung im Iran zu einem organisierten Versuch kommen, die Macht des Regimes in Frage zu stellen, wird diese Gefahr weiter steigen. Auch ist natürlich davon auszugehen, dass die iranischen Geheimdienste, wie auch schon in der Vergangenheit, alle Aktionen iranischer Oppositioneller in Deutschland versuchen intensiv aufzuklären. Terrorangriffe mit dem Ziel die deutsche Regierung und deutsche Interessen direkt zu treffen sind auch in dieser Phase eher nicht wahrscheinlich.

Gewaltorientiertes antiisraelische Milieu in Deutschland weiter radikalisiert

Natürlich besteht aufgrund des noch andauernden Konflikts im Gazastreifen weiterhin eine erhöhte Gefahr, dass sich Sympathisanten der Hamas oder der Hisbollah auch ohne Anweisungen aus dem Iran zu Gewaltakten entscheiden. 

Es ist leider davon auszugehen, dass die aktuelle militärische Auseinandersetzung das gewaltorientierte antisemitische und antiisraelische Milieu in Deutschland weiter radikalisiert hat.

Aus diesen Gründen ist es wichtig, dass in der aktuellen Phase die deutschen Sicherheitsbehörden diese Gefahren weiter genau beobachten, um frühzeitig einschreiten zu können. Die Entscheidung der Bundesregierung am 13. Juni, dem Tag der ersten israelischen Luftangriffe auf den Iran, den Schutz israelischer und Jüdischer Einrichtungen zu erhöhen, war wichtig. Dieser erhöhte Schutz sollte beibehalten werden. 

Auch iranische Geheimdienste nutzen digitale Instrumente zur Spionage und Kommunikation

Auch sind die längst überfälligen und im Koalitionsvertrag vereinbarten Reformen der deutschen Sicherheitsarchitektur, insbesondere im Bereich der Cyberaufklärung, in der aktuellen Situation dringender denn je. 

Auch iranische Geheimdienste nutzen digitale Instrumente zur Spionage, Kommunikation und Organisation von Operationen im Ausland. Auch zur Abwehr dieser Gefahren müssen die deutschen Sicherheitsbehörden schnellstmöglich mit einer besseren rechtlichen Grundlage, erweiterten Befugnissen, modernerer Technologie und entsprechendem Personal ausgestattet werden.

Dieser Beitrag stammt aus dem EXPERTS Circle – einem Netzwerk ausgewählter Fachleute mit fundiertem Wissen und langjähriger Erfahrung. Die Inhalte basieren auf individuellen Einschätzungen und orientieren sich am aktuellen Stand von Wissenschaft und Praxis.