Nach Assad-Sturz in Syrien: Baerbock stellt Forderungen an neue Herrscher
Vier Wochen nach Assads Sturz will Baerbock ein Zeichen in Syrien setzen. Sie kommt mit Angeboten, aber auch mit Forderungen.
Damaskus – Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und ihr französischer Kollege Jean-Noël Barrot sind zu einem unangekündigten Besuch bei der neuen syrischen Führung in Damaskus eingetroffen. Das teilte das Außenministerium in Paris am Freitagmorgen mit. Baerbock und Barrot werden unter anderem den Machthaber Ahmad al-Scharaa – auch bekannt unter dem Kampfnamen Abu Mohammed al-Dscholani – treffen. Unter seiner Führung hatte die islamistische Miliz Hajat Tahrir al-Schams (HTS) die jahrelange Diktatur unter Baschar al-Assad beendet.
Baerbock und Barrot sind die ersten Außenminister großer westlicher Mächte, die von der neuen Führung in Syrien empfangen werden. Das deutsch-französische Duo besucht das Land „im Namen der EU“, wie die Grünen-Politikerin in einer Erklärung des Auswärtigen Amtes mitteilte.
Nach Assad-Sturz in Syrien: Baerbock will HTS-Miliz in Damaskus „an ihren Taten messen“
Deutschland wolle Syrien helfen: „Bei einem inklusiven friedlichen Machtübergang, bei der Versöhnung der Gesellschaft, beim Wiederaufbau“, hieß es in der Erklärung. Laut Baerbock sei ein „politischer Neuanfang zwischen Europa und Syrien, zwischen Deutschland und Syrien“ möglich. Aber: Nur unter klaren Erwartungen an die neuen syrischen Machthaber in Damaskus– wie die Gleichberechtigung von Frauen und Männern und von allen ethnischen oder religiösen Gruppen. „Wir werden die HTS weiter an ihren Taten messen“, machte Baerbock deutlich.
Diese Rechte dürften nicht möglicherweise durch zu lange Fristen bis zu Wahlen oder auch Schritte zur Islamisierung der Justiz- oder Bildungssystems unterlaufen werden. Al-Scharaa hatte kürzlich mitgeteilt, dass bis zur Vorlage einer neuen Verfassung rund drei Jahre vergehen könnten – und bis zu Wahlen ein weiteres Jahr. Zudem plant der Machthaber die Auflösung seiner islamistischen HTS-Miliz. Durch den Bürgerkrieg in Syrien ist die politische Landschaft zersplittert. Noch immer kämpfen verfeindete Milizen um Gebiete und die Macht.
Baerbock: Extremismus darf keinen Platz in Syrien haben
Baerbock forderte: Einen Neuanfang könne es nur geben, wenn die Vergangenheit aufgearbeitet und Gerechtigkeit hergestellt werde. Racheakte an Bevölkerungsgruppen dürfe es nicht geben. Für Extremismus und radikale Gruppe dürfte es keinen Platz geben.
„Bei aller Skepsis dürfen wir jetzt nicht die Chance verstreichen lassen, die Menschen in Syrien an diesem wichtigen Scheideweg zu unterstützen“, so Baerbock. Die deutsche Regierung setze sich dafür ein, dass der innersyrische Prozess nicht von äußeren Kräften gestört werde.
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Bei Syrien-Besuch: Baerbock dürfte Rückkehr von Flüchtlingen aus Deutschland thematisieren
Unter anderem werden der Türkei und Israel vorgeworfen, eigene Interessen in Syrien zu verfolgen. Zudem sollte Russland seine beiden Militärbasen in Syrien räumen. Wladimir Putin hatte die gestürzte Assad-Familie jahrelang unterstützt. Auch die Ukraine hat bereits Verhandlungen mit Syrien aufgenommen. Beide Länder planen eine strategische Partnerschaft.
Bei Baerbocks Besuch dürfte es auch um die Rückkehr syrischer Flüchtlinge aus Deutschland gehen. Laut Bundesinnenministerium leben zurzeit rund 975.000 Syrerinnen und Syrer in der Bundesrepublik. (Jan-Frederik Wendt)