Reform der Schuldenbremse und Koalition mit Grünen: CDU-Länderchefs in Opposition zu Merz?
Immer mehr CDU-Länderchefs fordern eine andere Politik als die Bundespartei. Wieso dahinter Kalkül für die Bundestagswahl stecken könnte.
Berlin – Am Freitag (25. Oktober) kommen die Länderchefs zur Ministerpräsidentenkonferenz nach Leipzig. Es geht unter anderem um das Dauerstreitthema Migration. Zuletzt machten dabei die zwei schwarz-grün regierten Länder NRW und Schleswig-Holstein sowie das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg von sich reden: Im Bundesrat präsentierten die Ministerpräsidenten der drei Länder ihre Ideen für eine verschärfte Migrationspolitik. Union und Grün gemeinsam – bei dieser Frage? Hört man Reden von CDU-Chef Friedrich Merz, klingt das für die Bundesebene undenkbar. Ähnlich unterschiedliche Positionen gibt es auch beim Geld: Mehrere CDU-Länderchefs wollen die Schuldenbremse eindampfen, Merz will an ihr festhalten. Droht der CDU vor der Bundestagswahl ein fundamentaler Positionskampf? Der Schein trügt, sagt ein Parteienforscher.
CDU-Ministerpräsidenten gegen Friedrich Merz?
Die CDU-Ministerpräsidenten Hendrick Wüst und Daniel Günther machen schon lange offen Werbung für Schwarz-Grün. Ihre Landesregierungen sind sehr beliebt, die jeweiligen Landesparteien betonen zuletzt besonders häufig, wie gut man miteinander könne. Im starken Gegensatz dazu hat sich die Union auf Bundesebene seit Start der Ampel-Koalition 2021 zunehmend auf die Grünen eingeschossen und wirft ihnen regelmäßig ideologische Politik vor. Für Uwe Jun, Professor für Politikwissenschaft an der Uni Trier, ist die Rolle der Union im Konrad-Adenauer-Haus klar. „Die CDU-Bundespartei geht aus der Opposition heraus noch einen Schritt weiter als die Landesregierungen.“
Das ist Jun zufolge auch bei der Frage der Schuldenbremse zu erkennen. CDU-Regierungschefs wie Kai Wegner aus Berlin oder Günther in Kiel fordern angesichts klammer Länder und Kommunen entgegen der Linie von Merz offen die Lockerung der Schuldenbremse. „Die Länderchefs der CDU sind in Regierungsverantwortung und müssen daher pragmatisch handeln. Die Bundespartei und Merz können da offensiver auftreten und klarer gegen eine Reform der Schuldenbremse argumentieren“, sagt Jun dazu im Gespräch mit IPPEN.MEDIA.

Könnte die CDU die Schuldenbremse beibehalten?
Den renommierten Parteienforscher wundert das nicht. „Das ist eine in der Geschichte schon häufig anzutreffende Form der Arbeitsteilung. Im Gegensatz zu den Landesregierungen kann sich die Oppositionspartei im Bund mehr an der reinen Lehre orientieren und auf den Parteienwettbewerb konzentrieren.“ Jun sagt sogar, bei den scheinbar großen Unterschieden handle es sich „meist um Nuancen, die nicht weit voneinander entfernt liegen“.
Dass sich die Bundes-Union um Merz mit ihrem strickten Kurs, etwa bei der Schuldenbremse, im Wahlkampf profilieren will, legt auch ein Blick auf eine mögliche künftige Bundesregierung nahe. Sollte die FDP 2025 aus dem Bundestag fliegen, fehlt eine weitere demokratische Partei der Mitte, die entschieden für die schwarze Null steht. „Die Union wird selbst mit einem Wahlsieg keine Alleinregierung stellen. Die Frage wird dann Gegenstand von Koalitionsverhandlungen sein. Nach der letzten Bundestagswahl wollten zwei Parteien die Reform – die FDP hat erfolgreich dagegengehalten.“
Habeck nähert sich der CDU an
Sind die verbalen Abgrenzungen der Union zu den Grünen also Ausschlusskriterium für eine mögliche Koalition, oder dreht sich der Wind, nicht mal ein Jahr vor der Bundestagswahl? „Die CSU lehnt Schwarz-Grün ab. In der CDU nehme ich aber sehr unterschiedliche Stimmen wahr“ sagt Professor Jun. „Selbst der Bundesvorsitzende Merz sagt mittlerweile, dass er mit den Grünen nur in der derzeitigen Verfassung nicht zusammenarbeiten wird. Heißt: Wenn Robert Habeck die Partei verändert, schließt Merz nichts aus. Und Habeck tut gerade genau das.“ Nach dem Rücktritt der Grünen-Parteispitze um Ricarda Lang und Omid Nouripour wird die Habeck-Vertraute und ebenfalls dem Realo-Lager zugeschriebene Franziska Brantner als eine Nachfolgerin gehandelt.
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Für Jun ergibt eine mögliche Annäherung für beide Parteien Sinn: „Die Union stellt nicht Habeck als politisches Feindbild dar – sondern kritisiert seine Politik. Wenn er diese ändert, ist eine Zusammenarbeit möglich, so das Kalkül. Und bei Habeck ist die Bemühung der Annäherung erkennbar. Erst recht, wenn Frau Brantner neue Parteivorsitzende werden sollte.“ Jun weiter: „Letztlich wäre es für die Union strategisch unklug, sich Koalitionsoptionen zu verbauen.“ Boris Rhein habe mit seinem gegenüber SPD und Grünen offenen Wahlkampf in Hessen vorgemacht, wie es geht.