Irans oberster Führer bereitet sich in einem Bunker auf das Schlimmste vor

Von einer "Reihe außergewöhnlicher Schritte" berichtet die "New York Times" im Zusammenhang mit Ayatollah Ali Chamenei, dem obersten Führer im Iran. Er ist 86 Jahre alt und hat sich offenbar seit Tagen in einem Bunker im Südosten Teherans verschanzt.

Der oberste Führer des Iran lebt und arbeitet dem Bericht zufolge normalerweise in einem hochgesicherten Gebäudekomplex im Zentrum Teherans, dem „Beit Rahbari“. Das "Haus des Führers" verlässt er in der Regel selten. Jetzt hat er es offenbar getan.

Chamenei scheint bewusst zu sein, dass entweder die USA oder Israel versuchen könnten, ihn zu töten, seit sich der Konflikt im Nahen Osten zugespitzt hat. Schließlich sind die Vereinigten Staaten zwischenzeitlich in den Krieg eingetreten und haben den Iran massiv bombardiert.

Chamenei setzt Notfallpläne in Kraft 

Zwar herrscht ein Waffenstillstand, der Konflikt ist dennoch hochgefährlich für alle Beteiligten. Chamenei soll, so steht es im Bericht der "New York Times", weitreichende Notfallpläne in Kraft gesetzt haben. Dazu gehört die Ernennung potenzieller Nachfolger, sollte er getötet werden. Und mehr noch.

Der 86-Jährige soll sogar den Expertenrat seines Landes - das für die Ernennung des obersten Führers zuständige kirchliche Gremium - angewiesen haben, seinen Nachfolger zügig aus den drei von ihm vorgeschlagenen Namen auszuwählen. 

Dieser Prozess nimmt normalerweise Monate in Anspruch. Dass es jetzt so schnell gehen soll, zeigt, in welcher Ausnahmesituation sich der Iran befindet. „Oberste Priorität hat der Erhalt des Staates“, sagte Vali Nasr, Iran-Experte und Professor für internationale Beziehungen an der Johns Hopkins University, der US-Zeitung. „Es geht nur um Kalkül und Pragmatismus."

Es gibt zwei Favoriten für die Nachfolge

Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge haben sich inzwischen zwei Favoriten für die Nachfolge Chameneis herauskristallisiert. Dabei handelt es sich einerseits um seinen 56-jährigen Sohn Modschtaba. Er ist als Hardliner bekannt, der wohl im Sinne seines Vaters weitermachen würde.

Der andere Favorit heißt laut Reuters Hassan Chomeini. Er ist 53 Jahre alt und ein Enkel des Gründers der Islamischen Revolution, Ajatollah Ruhollah Chomeini. Chomeini gilt als reformwilliger als sein Kontrahent und befürwortet beispielsweise eine Lockerung sozialer und politischer Beschränkungen.

Klar ist: Chamenei ist ein potenzielles Anschlagsziel. Donald Trump behauptete zuletzt, seinen Aufenthaltsort zu kennen. „Wir wissen genau, wo sich der sogenannte Oberste Führer versteckt. Er ist ein leichtes Ziel“, hatte der US-Präsident zuletzt auf seiner Plattform Truth Social geschrieben. Aber stimmt das?

Khamenei hat elektronische Kommunikation eingestellt

Chamenei scheint auf Nummer sicher zu gehen. Drei iranische Beamte, die mit den Notfallplänen vertraut sind, erklärten der "New York Times", der 86-Jährige habe die elektronische Kommunikation eingestellt, um es schwerer zu machen, ihn zu finden. Über einen Berater soll er sich mit seinen Kommandeuren austauschen.

Viele Menschen im Iran sind offenbar besorgt. Aus einem weiteren Bericht der "New York Times" geht hervor, dass Chamenei knapp eine Woche lang weder öffentlich zu sehen noch zu hören war. Das verunsicherte offenbar nicht nur politische Insider, sondern auch die breite Öffentlichkeit.

Mohsen Khalifeh, Chefredakteur der Immobilienzeitung Khaneman, sagte beispielsweise in einem Interview, Chameneis "mehrtägige Abwesenheit bereitet uns allen, die ihn lieben, große Sorgen".

Laut "New York Times" kamen mit der Abwesenheit des 86-Jährigen viele Fragen auf. Ist er krank, verletzt, noch am Leben? Führt er das Land noch? Immerhin konzentriert sich im Iran alle Macht auf Chamenei. Er hat nicht nur in religiösen, sondern auch politischen Angelegenheiten das letzte Wort - nicht der Präsident.

Chamenei meldete sich am Donnerstag erstmals wieder zu Wort

Zumindest mit einem Teil der Bedenken dürfte Chamenei inzwischen aufgeräumt haben. Am Donnerstag hat er sich erstmals seit Inkrafttreten der Waffenruhe zwischen Israel und dem Iran wieder zu Wort gemeldet. 

Das iranische Volk habe "seine Würde, seine herausragende und außergewöhnliche Persönlichkeit gezeigt", sagte der 86 Jahre alte Religionsführer in einer Videobotschaft, aus der die staatliche Nachrichtenagentur Irna zitierte. Das "zionistische Regime" - gemeint ist Israel - sei "niedergestreckt und zermalmt" worden, sagte er.

mit Material der dpa