Nach Todessturz ins Höllental: Experten waren vor höchstem Risiko an der Zugspitze

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Die Warnungen sind eindeutig: Alle Aufstiegsrouten zur Zugspitze sind derzeit tief verschneit und für Normal-Bergsteiger nicht begehbar. Nun stürzte ein 34-Jähriger tödlich ab.

Die Zugspitze ist ein Sehnsuchtsort für viele Bergsteiger, wer oft in den Bergen unterwegs ist, will irgendwann einmal auch zu Fuß auf Deutschlands höchsten Berg. Derzeit geht das jedoch noch nicht. „Wir raten ganz klar ab“, sagt Michael Schmidt von der Alpinschule Garmisch. Denn es ist tiefster Winter auf der Zugspitze. Unten im Tal gab es in den vergangenen 14 Tagen oft Dauerregen, oben Schnee. „Ein halber bis ein Meter Neuschnee“ mache auch für erfahrene Bergsteiger eine Zugspritztour undurchführbar, sagt Schmidt.

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Sehnsuchtsort vieler Bergsteiger: der Zugspitz-Gipfel. © Philipp Guelland

Gipfel selbst für erfahrene Bergsteiger unbegehbar – „Du siehst die Seile nicht mehr“

Die Alpinschule hat fürs Wochenende alle bereits gebuchten Touren abgesagt. Ähnlich sieht es der Deutsche Alpenverein (DAV). „Viele Bergsportaktive versuchten bereits die Zugspitze zu erklimmen, die meisten mussten jedoch 100 Meter vor dem Gipfel umkehren“, heißt es in einer am Sonntag auf der DAV-Homepage veröffentlichten Warnung. Das bestätigt auch Gernot Auer, Wirt der Höllentalangerhütte: „Du siehst die Seile zum Einhängen nicht mehr.“

Doch es gibt Bergsteiger, die alle Warnungen in den Wind schlagen. Drei Bergsteiger entdeckten am Mittwochnachmittag auf dem Schneeferner unweit des Einstiegs zum Klettersteig einen toten Bergsteiger. Ein 34-jähriger Pole, der offenbar allein unterwegs war, muss über das Höllental aufgestiegen sein und sich dann weiter auf den Weg zum Gipfel gemacht haben – und zwar schon am Dienstag.

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34-jähriger Pole stürzt in den Tod – Er wählte die schwierigste Route

„Wir wissen gesichert, dass er sich Dienstagfrüh von Garmisch-Partenkirchen aus auf den Weg Richtung Grainau gemacht hat“, sagt ein Polizeisprecher. Der Mann, der ohne Begleitung angereist war, wählte die schwierigste der gängigen Routen. Niemand bekam den Verlauf des Unglücks mit, doch die Ermittlungen der Alpinen Einsatzgruppe der Grenzpolizei Murnau legen nahe, dass er nach dem Schneeferner in den Klettersteig eingestiegen ist. In großer Höhe stürzte er vom zweiten Klettersteig auf den Gletscher ab. „Dort rutschte der Verunglückte noch circa weitere 100 Meter auf dem Schnee talwärts“, erklärt ein Polizeisprecher. „Die erlittenen Verletzungen dürften unmittelbar zum Tod geführt haben.“ Am Mittwochnachmittag entdeckten Bergsteiger seine Leiche.

Dass selbst erfahrene Bergsteiger die Schneelage derzeit unterschätzen, zeigt auch dieser Fall von Mitte Mai: Ein Bergsteiger stieg auf der Tiroler Seite zur Zugspitze auf, rutschte dann aber auf dem sogenannten Bayernsteig aus und stürzte 50 Meter ab. Er erlitt nur leichte Verletzungen. den verblüfften Rettern von der Flug- und Bergrettung Ehrwald erklärte der Mann, er habe seine Steigeisen zu Hause gelassen.

Im Vergleich zu sonst sind wir zwei Monate hinterher.

Experten warnen auch davor, eine der anderen Routen zu begehen. Die Warnung gelte sowohl für die Variante auf der österreichischen Seite über Ehrwald und den Stopselzieher als auch für die mit 21 Kilometern zwar längste, aber bergsteigerisch einfachste Route über das Reintal: Bis zur Knorr㈠hütte gelange man problemlos, sagt Schmidt, danach gehe es durch Schnee. Die letzte Passage vom Sonnalpin bis zum Münchner Haus auf dem Zugspitz-Plateau sei „derzeit nicht machbar“, warnt er. Oberhalb von 2200 Metern gebe es eine geschlossene Schneedecke, vor Ende Juni/Anfang Juli werde die nicht verschwinden. Das bestätigt auch Toni Vogg jun., Einsatzleiter der Grainauer Bergretter. „Im Vergleich zu sonst sind wir zwei Monate hinterher.“

In der sonst oft ausgebuchten Höllentalangerhütte ist es derzeit problemlos möglich, einen Schlafplatz zu buchen. „Es ist sehr, sehr ruhig“, sagt Hüttenwirt Auer. „Es gab zuletzt Tage, da hatten wir nur zwei Leute, die über Nacht blieben.“ Der Reiz für viele Bergsteiger, es mit der Zugspitze zu versuchen, sei zwar da. „Viele steigen auf, gehen auf den Gletscher.“ Zum Gipfel aber lieber nicht.

Zum abgestürzten Toten laufen nun Ermittlungen. Sobald es das Wetter zulässt, will die Alpinpolizei vor Ort am Berg ermitteln. Das Wetter war am Mittwoch so schlecht, dass ein Transport der Leiche mit dem Hubschrauber nicht möglich war. „Wir mussten ihn zu Fuß runterbringen“, sagt ein Polizist. Die Frau und die beiden Männer, die den Toten gefunden hatten, waren schockiert – ein Kriseninterventions-Team der Bergwacht betreute sie.

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