Weltsensation in Mittenwald: Im Dreiklang auf Rettungsmission
Rund um den Lautersee fühlt sich die Bayerische Kurzohrmaus sauwohl. Lange galt der Nager als verschollen, bis das kleine Tier vor einigen Monaten wiederentdeckt wurde. Jetzt soll die Population in Mittenwald mit Hilfe eines Artenhilfsprogramms dauerhaft geschützt werden.
Mittenwald – Rampenlicht und Trubel mag dieses scheue und unprätentiöse Geschöpf überhaupt nicht. „Microtus bavaricus“ liebt’s eher beschaulich, zurückgezogen und nur allzu gerne „unter Tage“. Und bei der täglichen Arbeit hinterlässt es kaum Spuren. Kein Wunder also, dass die Bayerische Kurzohrmaus über 60 Jahre als verschollen galt. Bis Ende August 2023 eines dieser seltenen Exemplare nicht aufpasste und in die Falle ging.
„Es war verrückt, ich wusste sofort: Das ist eine“, erinnert sich David Stille (33) an den Fang seines Lebens. Im Auftrag des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU) hatte der Biologe und Umweltplaner aus Tutzing seit 2011 fieberhaft versucht, den Nachweis dieser vermeintlich ausgestorbenen Wühlmausart zu erbringen. Plötzlich trug er eines dieser Nager mit den klitzekleinen Augen und rudimentären Ohren in seinen Händen. Entdeckt hatte Stille die Maus, die ganz oben auf der Roten Liste der bedrohten Tiere steht, auf Mittenwalder Flur (wir berichteten) – in der Nähe vom Lautersee, in einem Waldstück unweit der malerischen Kapelle Maria Königin.
Damit ist die Art jedoch noch lange nicht gerettet, die schwierigsten Teil haben wir noch vor uns.
Eben dort haben am Mittwoch Vertreter des LfU, der Bayerischen Staatsforsten und des Alpenzoos Innsbruck zu einem Pressetermin geladen. Deren frohe Kunde: Der Freistaat Bayern legt für die Bayerische Kurzohrmaus ein Artenhilfsprogramm auf. Bis 2025 sind 120 000 Euro vorgesehen, um die speziellen Lebensraum-Anforderungen des Nagers zu erfassen. Danach starten konkrete Pflegemaßnahmen am „einzigen Punkt weltweit“, so Bernd-Ulrich Rudolph (LfU, Leiter Vogelschutzwarte), wo „Microtus Bavaricus“ nachgewiesen werden konnte. „Damit ist die Art jedoch noch lange nicht gerettet, die schwierigsten Teil haben wir noch vor uns“, betont LfU-Präsident Dr. Christian Mikulla.

Der Aufgabe, den Bestand dauerhaft im Mittenwalder Kranzberggebiet zu erhalten, stellt sich nun ein interdisziplinäres Team. Im Dreiklang aus Umweltschutzbehörde, Landnutzer und Forschung sollen gezielte Schutzmaßnahmen entwickelt und umgesetzt werden. „Anhand der bisherigen Nachweise erhärtet sich der Eindruck, dass die Maus lichte Schneeheide-Kiefernwälder bevorzugt“, erklärt LfU-Experte Dr. Simon Ripperger. Und damit kommen die Bayerischen Staatsforsten ins Spiel, denen der meiste Grund im „Mäuseland“ gehört. Forstbetriebsleiter Robert Krebs aus Bad Tölz versicherte beim Ortstermin, nach Rücksprache mit den Fachmännern für einen Lebensraum zu sorgen, in dem sich „Microtus bavaricus“ wohlfühlt.
Übrigens: Ihren Namen hat die Bayerische Kurzohrmaus von Professor Dr. Claus König (90). 1962 hatte der mittlerweile renommierte Zoologe aus Ludwigsburg als blutjunger Wissenschaftler in Garmisch-Partenkirchen auf einer feuchten Wiese an der Kanker – nicht weit vom heutigen Klinikum entfernt – als erster Mensch dieses Nagetier entdeckt. Dessen typische faustgroße Wühlhaufen hatten König seinerzeit auf die Spur gebracht. Nun ist er umso glücklicher, dass seine „Bavaricus“ wieder aufgetaucht ist. Mit seiner Frau Ingrid, die bei ihm die Mäuse-Leidenschaft geweckt hat, war König am Mittwoch natürlich ebenfalls am Lautersee zugegen und gab fleißig Interviews.
Wir binden unsere Kräfte, wir reißen Grenzen ein.
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Auskunftsfreudig zeigt sich auch Dr. André Stadler, Direktor des Alpenzoos Innsbruck, wo seit einigen Jahren eine erfolgreiche Nachzucht der bedrohten Nager betrieben wird. Die dortigen Tiere könnten im Rahmen von Auswilderungsprojekten die bayerischen Populationen stützen und so helfen, den Fortbestand zu sichern.
„Wir binden unsere Kräfte, wir reißen Grenzen ein“, sagt Stadler geradezu überschwänglich. Ihm zufolge ist die Bayerische Kurzohrmaus bedrohter als der Schneeleopard oder der Panda. „Wenn wir das kleine Mäuschen von der Roten Liste um eine Stufe nach unten gebracht haben, dann ist das ein großer Erfolg.“ Und der stellt sich ein, wenn sich „Microtus Bavaricus“ in ihrem Lautersee-Wohnzimmer wohlfühlt.