Zuhause in den Wäldern: Schweden bauen den künftigen Vorzeige-Panzer der Nato
Zuhause in den Wäldern: Schweden bauen den künftigen Vorzeige-Panzer der Nato
Der Leopard ist in seiner schwedischen Variante der bestgeschütze Nato-Panzer. Jetzt wird er aufgemotzt, um Putin die Lust auf Skandinavien zu nehmen.
Stockholm – Schwedens letzte groß angelegte militärische Expedition erstreckte sich gerade mal über rund 1.300 Meter; dann sank der Stolz des schwedischen Militärs auf seiner Jungfernfahrt noch im Hafen ihrer Hauptstadt Stockholm. Die Zeitschrift Yacht bezeichnet das Kriegsschiff Vasa als die größte militärische Fehlkonstruktion der Neuzeit. Inzwischen gehört das Land als 32. und jüngstes Mitglied der Nato an – und verstärkt die Militär-Allianz mit möglicherweise dem am weitesten entwickelten Landkriegsgerät, mit dem sich die Truppen von Wladimir Putin in einem Ernstfall auseinanderzusetzen hätten: dem Stridsvagn 122 – ein kampfwertgesteigerter Leopard 2A5; der von 2028 an noch bedrohlicher auftreten soll.
Zur Zeit der Vasa war Finnland ein Teil von Schweden; Estland und der größte Teil des heutigen Lettlands befanden sich in schwedischer Hand. Als Feinde sah der König und Auftraggeber Gustav II. Adolf von Schweden nicht nur Russland und das seit Langem um die Vormachtstellung rivalisierende Dänemark. Am 6. Juli 1630 war Schweden in den Dreißigjährigen Krieg eingetreten – die letzte große kriegerische Auseinandersetzung der Skandinaviern neben den schwedisch-norwegischen Kämpfen von 1814 an. Jetzt allerdings sehen sie sich wieder in einen schwelenden mulitnationalen Konflikt hineingezogen und gehen ihn bis an die Zähne bewaffnet an.
Der Stridsvagn 122 ist ein für schwedische Verhältnisse individualisierter Leopard 2A5 – sein Terrain sind Wälder und städtische Umgebungen, dafür hat er eine stärkere Gesamt-Panzerung an der Front erhalten sowie am Turmdach einen Schutz gegen Streubomben – Bomblets –, weiterhin individualisierte Kettenblenden und eine neue Nebelwurfanlage. Diese passive Verstärkung soll seine Anfälligkeit für Angriffe durch Infanterie mit tragbaren Panzerabwehrwaffen im Gelände mit engem Bewuchs oder dichter Bebauung minimieren. Die Speicher des digitalen Feuerleit-Rechners wurden auf mehrere Munitionssorten hin erweitert und die Motorkühlung gegen das Ansaugen von Brennsätzen resistenter gemacht.
Tarnen, täuschen, siegen: Der Stridsvagn bleibt für Putins Truppen unsichtbar
Mittels Schürzen und einer eigenen Tarnnetz-Technik sollen seine Wärme-Signatur verwischt und die Konturen weitestgehend aufgelöst werden. Seinen Kampfwert wird der schwedische Leopard möglicherweise vor allem daraus ziehen: Wer sich besser tarne, gewinne das Gefecht, betonte Generalmajor Karl Engelbrektson gegenüber dem Magazin Europäische Sicherheit&Technik. Der Kommandeur des schwedischen Heeres setzt darauf, schnell handeln zu können, während der Gegner noch Informationen sammle und spekuliert auf die Technik von Saab, den Hersteller der multispektralen Barracuda-Tarnlösungen.

Durch Entwicklungen der sensorgestützten Signal- und Signatur-Erkennung sind auf rein optische Tarnung abzielende Maßnahmen mittlerweile technisch überholt. Heute wird eher von Signaturreduzierung gesprochen. Ziel ist somit nicht die Unsichtbarkeit, sondern die Erschwerung des Auffindens durch den Gegner – das reicht von den Konturen der Fahrzeuge, über ihre Abstrahlung von Wärme bis hin zu ihrem Geruch. Für Fahrzeuge ist seit 1996 das Mobile Camouflage System (MCS) von Saab Barracuda in der Bundeswehr weit verbreitet, wie Soldat&Technik berichtet. In der Bundeswehr wird das MCS als Multispektraler Mobiler Tarnsatz (MMT) bezeichnet und ist für den Kampfpanzer Leopard 2, die Panzerhaubitze 2000, den Schützenpanzer Marder, das GTK Boxer, Bergepanzer 3 Büffel, Wolf, Fennek eingeführt und für weitere Fahrzeuge in der Entwicklung.
MCS: Das Tarnnetz für den verborgenen Einsatz
Das MCS/MMT (Mobile Camouflage System/Multispektraler Mobiler Tarnsatz) ist wie eine Uniform für das Gefechtsfahrzeug. Die Soldaten können ihre Fahrzeuge ohne Einschränkungen einsetzen und ihre Aufgaben vollständig erfüllen. Gleichzeitig bietet das MCS/MMT den vollen multispektralen Schutz, statisch und in der Bewegung. Die Tarnnetze, wie beispielsweise ULCAS (Ultra Lightweight Camouflage System), kommen zum Einsatz, wenn das Fahrzeug für längere Zeit steht. Das Netz bietet volle Fahrzeug-Abdeckung und es ist nahezu unmöglich, das Fahrzeug darunter zu entdecken. Für vollständige Unsichtbarkeit werden das MCS und das ULCAS-Netz zusammen verwendet. Die Eigenschaften im ULCAS und im MCS ergänzen sich gegenseitig, so der Hersteller Saab Baracuda. Sowohl UV-Strahlen, das gesamte visuelle Spektrum, Infrarotabstrahlungen, kurz-, mittel- und langwellige Wärmesignaturen als auch Radarfrequenzen von 0 bis 100 Gigahertz werden somit absorbiert.
Quelle: Soldat&Technik
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Mit ihren 120 Kampfpanzern rechnen die Schweden damit, ständig aus einer zahlenmäßig unterlegenen Situation heraus handeln zu müssen und legen großen Wert auf ihr erweitertes Feuerleitsystem – davon erhoffen sie sich einen entscheidenden Treffer bereits mit dem ersten Schuss sowie einen Geschwindigkeitsvorteil beim Angreifen mehrerer unterschiedlicher Ziele hintereinander. Was Schweden für die Nato wichtig macht, ist nicht alleine die Anzahl der Soldaten, sondern vor allem deren Ausbildung und Ausrüstung. „Im Gegensatz zu Beitritten der vergangenen Jahre sind Finnland und Schweden zwei Staaten mit moderner Bewaffnung. Sie könnten vom ersten Tag an massiv zur Sicherheit der Nato-Staaten beitragen“, sagte der Politikwissenschaftler Carlo Masala im vergangenen Jahr t-online.
Investieren, rekrutieren, modernisieren: Schweden plant mit 50.000 Soldaten
Schweden will das Nato-Ziel von zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) als Verteidigungsausgaben in diesem Jahr erreichen, wie die Denkfabrik Atlantic Council analysiert. Zu diesem Zweck kündigte die schwedische Regierung im Jahr 2023 an, dass der Verteidigungshaushalt in diesem Jahr um 28 Prozent oder 2,28 Milliarden Euro auf zehn Milliarden Euro erhöht wird. Dies ist Teil einer umfassenderen schwedischen Anstrengung, das Verteidigungsbudget zu erhöhen, um die Kapazitäten nach jahrzehntelangem Sparkurs in der Verteidigung wieder aufzubauen. Da die Verbündeten auf dem Nato-Gipfel in Vilnius jedoch das Ziel von zwei Prozent des BIP als Untergrenze und nicht als Obergrenze definierten, hat sich die Regierung in Stockholm in eine Bringschuld hineinmanövriert.
Die schwedischen Streitkräfte im aktiven Dienst sind von 180.000 Soldaten am Ende des Kalten Krieges auf 14.700 Berufssoldaten und 11.400 Reservesoldaten im Jahr 2022 zurückgegangen. Seit der Wiedereinführung der Wehrpflicht in den Jahren 2017 bis 2018 ist die Zahl der Wehrpflichtigen schrittweise auf rund 6.000 Frauen und Männer gewachsen, und zwischen 2030 und 2035 sollen es voraussichtlich 10.000 Rekruten pro Jahr sein. Geplant ist eine Armee von bis zu 50.000 Soldaten.
Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft: Schwedens Armee setzt auch künftig auf ihren Leopard
Investieren wollen die Skandinavier deshalb auch in ihre Panzerflotte, wie das schwedische Beschaffungsamt jetzt bekannt gibt: Schweden hat beschlossen, wegen des Ukraine-Kriegs rund 300 Millionen Euro in die Modernisierung von 44 ihrer Stridsvagn 122-Kampfpanzer zu stecken. Zur Durchführung des Projekts unterzeichnete Schweden einen Vertrag mit dem deutschen Unternehmen Krauss-Maffei Wegmann. Damit beginnt die umfangreichste Modernisierung des Panzers 122 seit der Anschaffung der Panzer Anfang der 2000er Jahre, um die Fahrzeuge an die Erfordernisse des kommenden Jahrzehnts anzupassen.
Nach der Modernisierung werden die Kampffahrzeuge die Bezeichnung Stridsvagn 123A erhalten. Das Upgrade umfasst beispielsweise den Austausch praktisch aller elektronischen Komponenten in der Lafette, um die Kompatibilität mit den moderneren Leopard-2-Panzern anderer Streitkräfte zu gewährleisten. Die Kampffahrzeuge werden mit der L55-Kanone ausgestattet, die den Einsatz von programmierbarer Munition ermöglicht. Außerdem erhalten sie ein neues Zielfernrohr, Wärmebildkameras und eine Raupenplattform.
Gruppieren, heranrollen, rammen: Der Panzer erhält eine neue Aufgabe im Gefecht
Der Stridsvagen wird seine Aufgabe bekommen, da sind sich Experten einig. Dem Panzer wird seine neue Rolle aber noch auf Leib zu schneidern sein – wobei der Krieg asymmetrischer werden wird, aber auch in seiner klassischen Form vital bleibt, wie Ralf Raths erklärt – der Historiker ist Direktor des Deutschen Panzermuseums in Munster: „Die Zeit der Panzerschlachten und operativen Durchbrüche ist da zwar vorbei. Aber angesichts der Panzernutzung in der Ukraine oder in Syrien wird schnell deutlich, dass die Panzer stattdessen zu ihrer ursprünglichen Rolle zurückkehren: Sie werden vermehrt in geringer Zahl und im taktischen Kontext eingesetzt: Als Rammböcke in kleinen Gefechten, als Ankerpunkte für die Infanterie oder als Artillerieeinsatz über lange Distanzen im Direktfeuer“, sagte er der Welt.
Die Stridsvagn 123A sind dann vermutlich die modernste und stärkste Panzerflotte des westlichen Verteidigungsbündnisses und starten ihre Jungfernfahrt zurück nach Schweden als künftige Nato-Flaggschiffe im Jahr 2028 – über eine weitere Strecke als die Vasa.