Lauterbach gibt „größten Fehler“ der Großen Koalition in der Corona-Pandemie zu
Die Corona-Pandemie ist vorbei, ihre Aufarbeitung beginnt erst. Für Karl Lauterbach ist die Gesamtbilanz positiv. Fehler habe man trotzdem gemacht.
Berlin - Das Coronavirus ist inzwischen endemisch geworden. Covid-19 ist zu einem Teil des Alltags geworden und die Pandemie gilt als vorüber – die politische Aufarbeitung der staatlichen Auflagen ist hingegen noch lange nicht abgeschlossen. Viele Politiker äußern sich inzwischen kritisch zu den Maßnahmen und würden wohl nicht alle Entscheidungen noch einmal mittragen. Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) räumt Versäumnisse ein in der Politik der Ampel-Koalition ein.

Masken- und Impfpflicht, Abstandsregelungen und Schulschließungen: viele Regelungen aus der Zeit der Corona-Pandemie waren tiefe staatliche Eingriffe in die Grundrechte der Bürger. Auch wenn sie damals alternativlos waren, oder zumindest so schienen, müssen sie im Nachgang gründlich durchleuchtet werden – um ihre Auswirkungen zu erfassen, aber auch, um dadurch besser mit ähnlichen Vorkommnissen umzugehen, falls es wieder erforderlich werden sollte.
Aufarbeitung der Coronamaßnahmen „geht weiter“ - Lauterbach zieht positive Gesamtbilanz
Lauterbach zufolge hat diese Aufarbeitung schon während der Pandemie begonnen und „geht weiter“, wie er gegenüber dem Spiegel deutlich machte. Fest stehe, dass Deutschland „sehr gut“ durch diese Zeit gekommen sei, auch gemessen am Alter der Bevölkerung. Zudem sei das Land jetzt viel besser auf eine mögliche nächste Pandemie vorbereitet, sei es bei der Entwicklung von Impfstoffen oder der Bereitstellung von Schutzmaterial. Nur ein Aspekt bereitet dem Gesundheitsminister Sorge: „eine massiv mobilisierte Untergruppe“, die stark mit den AfD-Wählern überlappe und Infektionsschutzmaßnahmen kategorisch ablehne. Diese könne „jede künftige Pandemie politisch in der Bewältigung erschweren“.
Trotz dieser positiven Gesamtbilanz räumte Lauterbach gegenüber dem Magazin ein, dass man „auch Fehler gemacht“ habe. „Der größte Fehler war, dass wir bei den Kindern zum Teil zu streng gewesen sind und mit den Lockerungsmaßnahmen wahrscheinlich etwas zu spät angefangen haben“. Man habe sich nicht genug bemüht, „Bildungsdefizite zu vermeiden“ und das „Bildungsangebot in den Schulen aufrechtzuerhalten“, so Lauterbach weiter. Man habe „Warnsignale übersehen“ und zu wenig psychotherapeutische Betreuung für junge Menschen angeboten; überhaupt habe man Kindern „zu wenig geboten“. Nicht zuletzt habe man versäumt, die Gelegenheit zu nutzen, um die „katastrophale Digitalisierung“ in den Schulen zu verbessern.
Bei Schulen und Kitas „sehr hart eingestiegen“ – Lauterbach gibt politische Fehler während der Pandemie zu
Es ist nicht das erste Mal, dass Lauterbach sich kritisch zu den Corona-Maßnahmen äußert. Der SPD-Politiker war zu Beginn der Pandemie noch nicht im Amt des Gesundheitsministers gewesen, hatte jedoch als Gesundheitsexperte der SPD in der gemeinsamen Regierung mit der Union maßgeblich an Entscheidungen mitgewirkt. Bereits im Januar letzten Jahres hatte Lauterbach im „ARD“-Morgenmagazin die lange Schließung von Schulen und Kindertagesstätten angeprangert. Die Bundesregierung sei dort „sehr hart eingestiegen“, während viele Betriebe „relativ geschont“ worden seien.
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Dennoch halte er es für schwierig, um „Verzeihung zu bitten“, so Lauterbach damals – schließlich habe man schlicht nicht genug über das neuartige Coronavirus gewusst. Im Nachgang habe sich aber „nicht in dieser Form als richtig erwiesen“, dass man Kitas und Schulen in den ersten Corona-Wellen teils monatelang geschlossen habe, um eine Ausbreitung zu verhindern.
„Immer noch 73 Prozent psychisch belastet“ - Die Maßnahmen haben bei Kindern Schäden hinterlassen
Ein Bericht einer interministeriellen Arbeitsgruppe, der im Februar 2023 vorgestellt wurde, kommt zu einem ähnlichen Schluss. Essstörungen, Bewegungsmangel und Depressionen bei Kindern und Jugendlichen hätten in der Pandemie zugenommen. Zum damaligen Zeitpunkt seien „immer noch 73 Prozent psychisch belastet“ gewesen, so die Bundesministerien für Familie und Gesundheit.
Die Pandemie habe zu Verzögerungen in der sprachlichen, emotionalen und schulischen Entwicklung geführt sowie zu Ausbildungsunterbrechungen bei Jugendlichen, so der Bericht weiter. Berücksichtige man die soziale Herkunft der Kinder, werde deutlich, dass sich die Benachteiligung potenziert habe. Daher bestehe weiterhin „großer Handlungsbedarf, um insbesondere die anhaltenden psychischen Belastungen von jungen Menschen abzumildern“. (tpn)