„Ein hartes Stück Arbeit“: Gemeinderat verabschiedet Haushalt 2024

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Der Gautinger Gemeinderat musste jeden Cent umdrehen, um in die Nähe eines genehmigungsfähigen Haushalts zu kommen. Das wird in den nächsten Jahren wohl kaum besser. © dpa / Boris Roessler

Der Gemeinderat hat den Haushalt 2024 verabschiedet. Viele Vereine müssen Kürzungen hinnehmen. Der Tenor im Rat: Das tut weh.

Gauting – Ein Verwaltungshaushalt von 54,5 Millionen Euro, ein Vermögenshaushalt von 5,5 Millionen Euro, eine Rücklagenentnahme von 3,6 Millionen Euro: Das sind die Eckdaten des Haushalts 2024, den der Gemeinderat am Donnerstag verabschiedet hat. Die Tatsache, dass trotz aller Anstrengungen im Verwaltungshaushalt ein Defizit von 200 000 Euro bleibt, führt dazu, dass noch unklar ist, ob die Rechtsaufsicht ihn genehmigen wird. Der Haushalt wurde mit 25:4 Stimmen verabschiedet (dagegen votierten Heinz Moser, Dr. Claudia Nothaft und Dr. Michaela Reißfelder-Zessin von den Grünen sowie Tobias McFadden von den Piraten). Die Haushaltsplanung 2025 bis 2027 wurde mit 23:6 Stimmen gebilligt, in diesem Fall verweigerte auch die UBG (Dr. Andreas Albath, Richard Eck) ihre Zustimmung. Um ein Zeichen zu setzen, kürzte der Gemeinderat die Aufwandsentschädigung für die Mitglieder des Gremiums. Gab es vorher bislang 20 Euro pro Stunde, wurde jetzt eine Pauschale von 60 Euro pro Gemeinderatssitzung, 40 Euro pro Ausschusssitzung und 20 Euro pro Ortsbesichtigung festgelegt.

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„Es war ein hartes Stück Arbeit“, sagte Bürgermeisterin Dr. Brigitte Kössinger. Sie erinnerte daran, dass am Anfang der Verhandlungen ein „Rekordminus von zwei Millionen Euro“ gestanden habe. Zum ersten Mal sei es notwendig geworden, freiwillige Leistungen zu kürzen. „Da macht Kommunalpolitik dann keinen Spaß mehr.“ Sie appellierte dringend an die Ehrenamtlichen in den Vereinen, darin keine Geringschätzung zu sehen. „Wir sehen, was sie leisten. Aber anders ging es nicht.“ Außerdem wies sie darauf hin, dass es erneut eine Schlüsselzuweisung des Freistaats gewesen sei (auch Hartz IV für Kommunen genannt), die den Haushalt gerettet hat. „Die Unterstützung bekommen nur zwei Landkreisgemeinden, nämlich Andechs und wir. Das ist keine Selbstverständlichkeit“. In den Haushaltsreden wurde deutlich, wie schwierig die Verhandlungen waren – und dass es in den kommenden Jahren noch viel schwieriger wird.

CSU

Maximilian Platzer
Maximilian Platzer (CSU) will so schnell wie möglich Gewerbesteuer generieren. © Privat

Maximilian Platzer schrieb das Verdienst, dass das anfängliche Minus so deutlich reduziert werden konnte, der Verwaltung, also dem Team um Kämmerer Stefan Hagl, zu. Er brachte seine Verwunderung darüber zum Ausdruck, „wie wenig strukturelle Vorschläge zur Verbesserung des Haushaltes, von wenigen Ausnahmen abgesehen, aus den Reihen der Mitglieder des Haupt- und Finanzausschusses gekommen sind“. Er sprach sich mit Nachdruck für eine Konsolidierung des Verwaltungshaushalts aus. „Niemand will in unserem Kulturhaus Bosco ein Streichkonzert geben, und auch mit unserem Freibad wollen wir nicht baden gehen.“ Deshalb sei es nötig, dass die Einnahmesituation der Gemeinde dringend verbessert wird, und zwar durch „konsequente Gewerbeansiedlung“. Als positive Aspekte ließ er gelten, dass viele freiwillige Leistungen, die die Gemeinde „lebens- und liebenswert machen“, weiter gewährt werden können. Außerdem werde weiter in die Schulen und Kindertageseinrichtungen investiert (8,5 Millionen Euro in den Jahren 2025 bis 2027).

Grüne

Matthias Ilg
Matthias Ilg (Grüne) plädiert für die Ansiedlung von stillem Gewerbe. © Andrea Stölzl

Dr. Matthias Ilg verwies auf die dramatisch veränderten Rahmenbedingungen. „Die Europäische Zentralbank hat in den letzten eineinhalb Jahren die Zinsen so drastisch erhöht wie nie zuvor in ihrer Geschichte. Das führt unvermeidbar zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Dieses Einmaleins hat man derzeit offensichtlich im konservativen politischen Lager vergessen.“ Durch die gleichzeitigen, massiven Tariferhöhungen würde der Haushalt der Gemeinde unter Druck gesetzt. Ilg plädierte dafür, sich bei der Entwicklung von Gewerbegebieten auf den Sonderflughafen Oberpfaffenhofen zu fokussieren, denn: „Die Hindernisse in den langwierigen Genehmigungsverfahren sind vielfältig und die Wahrscheinlichkeit eines Fehlschlags leider hoch.“ Weil es noch lange dauern wird, bis Gewerbesteuer fließt („Sie wird uns in den nächsten zehn Jahren nicht retten“), sprach sich der Königswiesener für Freiflächen-Fotovoltaik auf Gemeindegebiet, eine Zweitwohnungssteuer, eine Erhöhung von Parkgebühren, eine echte Beteiligung der Gemeinde an Windkraft und eine schwarze Null bei der Waldbewirtschaftung aus. Auch die Grünen stehen zum Bosco, zum Jugendzentrum, zur Bücherei, zum Schwimmbad und der Insel. „Kultur ist ein Standort-, kein Kostenfaktor, wir sollten uns diesen Wert besser erschließen“, sagte er. Aber: „Es war kein anderer als dieser schmerzhafte Weg möglich.“

MfG/Piraten

Tobias McFadden
Tobias McFadden fand die Beratungen suboptimal. © Privat

Tobias McFadden sah das eigentliche Problem bei Bund und Land: „Sie müssen endlich für eine angemessene und gerechte finanzielle Ausstattung ihrer Kommunen sorgen. Nur so können Bildungsgerechtigkeit und vergleichbare Lebensverhältnisse und Chancen für alle entstehen und einem Auseinanderdriften der Gesellschaft und einem Erstarken des Rechtsextremismus begegnet werden.“ Gauting selbst mache nicht viel falsch und verfüge über einen vorzeigbaren Schulcampus, über 1000 Kinderbetreuungsplätze, eine rege Vereins- und Kulturlandschaft, Sportleben, fünf Feuerwehren und vieles andere mehr. Er wünschte sich eine „amtsübergreifende Verwaltungssoftware, die nicht nur der Kämmerei, sondern auch dem Gemeinderat jederzeit aktuelle Einblicke in die Finanzsituation ermöglicht“. Außerdem forderte er dazu auf, wieder öffentlich zu tagen und wünschte sich eine „ehrliche Debatte“, was in den nächsten Jahren „wirklich realisierbar“ ist.

FDP

Markus Deschler
Markus Deschler (FDP) sieht den Abgrund näher rücken. © Susie Knoll

Zweiter Bürgermeister Markus Deschler sprach von „überwiegend respektvollen Debatten in nicht ganz einfachen Zeiten“. Mit dem Haushalt 2024 sei man der Abbruchkante des finanziellen Abgrunds ein ganzes Stück näher gerückt. Er erklärte es für sinnvoll, dass bei allen Vereinen im ähnlichen Umfang gespart wurde, denn: „Nur bei Gleichbehandlung können wir auf Verständnis hoffen.“ Für vertretbar hält die FDP, „strategisch weniger wichtige Grundstücke“ zu veräußern. Zu Tempo mahnte er bei der Entwicklung des ehemaligen Wunderl-Hofes.

MiFü

Die Fraktion Miteinander Füreinander zeigt sich „nicht glücklich“ über den Haushaltsentwurf. Sie stimmte ihm aber zu, weil „ein nicht genehmigungsfähiger Haushaltsentwurf die Finanzierung aller freiwilligen Leistungen zunichte gemacht hätte, mit unabschätzbaren Folgen für das Zusammenleben“. Jedes einzelne Projekt sei darauf geprüft worden, ob es notwendig ist, verschoben oder in einer abgespeckten Form realisiert werden kann. „Wir unterstützen die Ausweisung neuer Gewerbegebiete.“ Eine Rede wurde nicht gehalten. Ursache war ein Missverständnis zwischen Harald Ruhbaum und Jürgen Sklarek, der aus dem Krankenstand zugeschaltet war.

UBG

Dr. Andreas Albath
Dr. Andreas Albath (UBG) sieht in den nächsten Jahren keine realistische Chance auf einen ausgeglichenen Haushalt. © Privat

Dr. Andreas Albath legte noch einmal den Finger in die Wunde. „Es ist nicht gelungen, Einnahmen und Ausgaben vollständig auszugleichen. Das verbleibende Defizit muss durch einen Griff in die Rücklagenkasse ausgeglichen werden. Eigentlich sollte es anders herum sein.“ Aus seiner Sicht sind die Projekte in der Finanzplanung für 2025 bis 2027 in keiner Weise gesichert: Es sei aktuell nicht zu erkennen, wie ein halbwegs realistischer Haushalt aufgestellt werden kann.

SPD

Dr. Carola Wenzel sah das Grundproblem bei den vielen Pflichtaufgaben, von der Kreisumlage bis zur Kinderbetreuung. „Wir haben schlicht im Moment keinen Spielraum mehr.“ Die Kürzungen seien „aus der Not geboren“.

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