Reinhard Baumann blickt im Kempten-Museum auf die Ereignisse des Bauernkrieges 1525 zurück

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Ein Bauernhof im 16. Jahrhundert, von Roger Mayrock für die Ausstellung „Zeitenwende 1525“ im Kempten-Museum nachgezeichnet. © Roger Mayrock/Kempten-Museum

Reinhard Baumann, Autor des Buches „Allgäuer Freiheit“, das er vor kurzem in der Buchhandlung „Lesezeichen“ vorstellte, konzentrierte sich in seinem Vortrag im Rahmen eines Bewegten Donnerstags im Kempten-Museum auf zwei Themen: auf einige wichtige Stationen des Bauernkriegs im Allgäu und auf die historische Einordnung des „Memminger Bauernparlaments“.

Kempten – Baumann stellte zunächst die Frage: Was waren die Ursachen für den Ausbruch des Bauernkrieges im Allgäu? Er identifizierte drei Hauptgründe: 1. Der Ruf nach Freiheit war in der Region nicht mehr zu überhören. 2. Die Beschwerden über die zunehmenden Belastungen. 3. Die Forderungen der Bauern erhielten durch die Reformation eine neue Begründung, sie konnten sich auf das Evangelium, auf das „göttliche Recht“ berufen.

„Sonthofer Tag“

Alle drei Ursachen waren am 14. Februar 1525 bei der Gründung des Allgäuer Haufens gegenwärtig, die als „Sonthofer Tag“ in die Geschichte einging. Zu dieser großen Bauerversammlung kamen die Untertanen mehrerer Herrschaften: des Fürstabts von Kempten, des Bischofs von Augsburg, des Grafen von Monfort-Rothenfels, der Herren von Laubenberg und Werdenstein, obwohl diese ihnen das ausdrücklich verboten hatten. Graf Wolf von Monfort kam sogar selbst nach Sonthofen, um seine Leute wegzuholen, ohne Erfolg.

Am 27. Februar erweiterten die Bauern in Leubas den Haufen zu einer „Christlichen Vereinigung der Landart Allgäu“. Im März schlossen sich dann der Allgäuer, der Baltringer und der Seehaufen zu einem Dreierbund zusammen, dessen Vertreter Anfang März in der Reichsstadt Memmingen zusammentrafen.

Wieso Memmingen?

Es gibt zwei Gründe dafür, dass die Zusammenkunft in Memmingen stattfand, erklärte Baumann: Der Rat der Reichsstadt stand sowohl der evangelischen Sache als auch den Forderungen der Bauern gegenüber offen. Den etwa 50 Delegierten wurde die Kramerzunftstube als Tagungsort zur Verfügung gestellt. Der Rat begrüßte sie sogar mit einer Weinspende. „Das Parlament arbeitete hier einen Monat lang mit beachtlichen Ergebnissen“, sagte Baumann.

Parallel liefen Verhandlungen mit dem Schwäbischen Bund, der sein Zentrum in Ulm hatte. Der Bund führte jedoch nur Scheinverhandlungen und spielte auf Zeit. Nachdem das Ende März auch den Bauern klar wurde, begann im April der Krieg, die Angriffe richteten sich zunächst vor allem gegen Burgen und Klöster. Da viele Söldner des kaiserlichen Heeres in Italien gebunden waren, standen sie vorerst dem Schwäbischen Bund nicht zur Verfügung. Nach der Schlacht von Pavia Ende Februar, wo auch der französische König Franz I. gefangen genommen wurde, änderte sich allmählich die Situation. Ein Teil der Landknechte schlug sich allerdings auf die Seite der Bauern, entweder als Söldner oder als Mitkämpfer. Walter Bach, der Anführer des Allgäuer Haufens ist das beste Beispiel dafür.

Die Katastrophe von Leubas

Bis die neu formierten Truppen des Bundes unter der Führung von Georg Truchsess von Waldburg („Bauernjörg“) das Allgäu ins Visier nehmen konnten, dauerte es bis zum Sommer. Dazwischen lag der Weingartner Vertrag. Warum die Bauern bei den Verhandlungen dort nicht mehr Vorteile erreichen konnten, obwohl der Truchsess hier für eine Schlacht nicht die besten Karten hatte, weiß man einfach nicht, erläuterte Baumann.

Die Katastrophe nahm Mitte Juli bei Leubas ihren Lauf. Diese passierte aber nicht in der Schlacht. Ein Teil des Haufens zog nämlich in der Nacht ab. Die Gründe sind vielschichtig. Der Verrat Bachs gehörte genauso dazu, wie die Schwierigkeiten bei der Versorgung und der nächtliche Brand eines Pulverwagens, infolgedessen die Artillerie nicht mehr handlungsfähig war. Der Terrorfeldzug nahm seinen Lauf, ein Krieg auch gegen Frauen und Kinder gehörte dazu.

Parlament im Memminger Kramerzunfthaus?

Im zweiten Teil seines Vortrags stellte Baumann die Frage, ob man die Zusammenkunft in Memmingen im März als Parlament bezeichnen könne. Der Dresdner Historiker Gerd Schwerhoff („Der Bauernkrieg. Eine wilde Handlung“, C.H. Beck 2024) nimmt klar dagegen Stellung: „Damit sind die ebenso improvisierten wie kurzen Beratungen der bäuerlichen Gesandten kaum angemessen charakterisiert.“ Da sie zwischenzeitlich zu ihren Haufen zurückkehrten und zwischendurch nur ein paar Mal tageweise nach Memmingen kamen, steht für ihn fest: „Für ausgiebige Beratungen blieb da kaum Zeit.“

Es stimmt, dass es über die Parlamentsarbeit in der Kramerzunft keine Protokolle gibt und es stimmt auch, dass es problematisch ist, heutige Begriffe auf die Vergangenheit zu beziehen, erwiderte Baumann. Aber, obwohl man den Begriff Parlament damals nicht verwendete, gab es Ständeparlamente. Er zeigte Bilder vom Reichstag zu Regensburg und betonte: Das Reich war zwar absolutistisch geprägt, aber die Stände (Kurfürsten, Reichsklerus, Reichsadel und Reichsstädte) hatten immer eine Teilhabe an der Herrschaft, vor allem durch ihr Recht auf Steuerbewilligung. In Tirol gehörten sogar neben Klerus, Adel und Städten auch die Bauern zu den Landständen. Auch in Kempten verhandelte der Fürstabt mit landständischen Bauern.

Nach Baumanns Auffassung entstand in Memmingen eine revolutionär neue Parlamentsform mit frei gewählten Abgeordneten aus den drei Haufen. Die Wahl erfolgte mit „Handsmehr“, mit dem Heben der rechten Hand. In Appenzell existiert diese Form bis heute, inzwischen sogar auf Frauen ausgeweitet. Gewählt wurden vor allem angesehene Männer, große Bauern und Stimmführer, erfahrene Landsknechte, aber auch vielfach Wirte.

Baumann sieht in dem damaligen Ablauf sogar eine Entwicklung von der direkten zur repräsentativen Demokratie. Die Haufen wählten Ausschüsse (ein zeitgenössischer Begriff) und Delegierte. Die drei Ausschüsse verhandelten über den Zusammenschluss zur Christlichen Vereinigung. Die Haufen schickten die gewählten Delegierten, damals als Räte bezeichnet, nach Memmingen, teilweise mit einem freien, teilweise mit einem gebundenen Mandat (sie mussten vor manchen Entscheidungen die Zustimmung von ihren Wählern holen).

Der Historiker analysierte die in Memmingen beschlossenen Zwölf Artikel, die Bundesordnung (die er als Verfassung bezeichnet), die Landesordnung und die Schwörartikel und stellte fest: Die Christliche Vereinigung beanspruchte ein „Staatsgebiet“ (das der drei Haufen) mit „Staatsvolk“ und einer „Regierung“ (bestehend aus den drei Obersten mit je vier Räten, die über eine hohe Eigenständigkeit verfügten).

Taugt die Schweiz als Vorbild?

Das Ziel war eine Republik nach Schweizer Vorbild. Baumann stellte fest, dass verfassungsrechtlich gesehen eine zweite Republik im Reich durchaus möglich gewesen wäre. (Die Eidgenossenschaft gehörte offiziell bis 1648 zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation). Für Überraschung sorgte der Historiker mit der Fragestellung: Wäre es wirklich erstrebenswert gewesen, eine zweite Schweiz zu werden? Er wies darauf hin, dass es in dem dortigen politisch komplizierten Gebilde neben den 13 Orten (Kantone) zugewandte Orte ohne Vollmitgliedschaft und Untertanengebiete gab. Die dortigen Talschaften wurden völlig ausgebeutet. Die Tagsatzung (Versammlung der Abgesandten der Orte) war kaum handlungsfähig. Und der am meisten einbringende Exportartikel der Eidgenossenschaft waren Söldner. „Aber die meisten im damaligen Allgäu wussten nicht, dass die dortige Freiheit doch nicht so grandios war“, so Baumann.

Vikare, Kapläne und Laienprediger

Die Reformation bezeichnete der Historiker als „Motor“ der ganzen Bewegung. Aber nicht Luther oder Zwingli waren diejenigen, die den Bauern erzählten, was in der Bibel steht. Diese Aufgabe übernahmen Vikare, Kapläne und Laienprediger, wie Sebastian Lotzer oder Matthias Waibel. Letzteren bezeichnete Baumann als „tragische Figur“: Der Prediger und Pfarrvikar in St. Lorenz war für den Fürstabt viel zu radikal und für die Bauern viel zu gemäßigt.

Orte der Demokratie

Die Kramerzunft gilt nach der Entscheidung des Bayerischen Landtages seit 2020 als „Ort der Demokratie in Bayern“. Baumann hätte sich gewünscht, dass diese Bezeichnung von der Bundesebene gekommen wäre, da die dortigen Ereignisse viel mit der deutschen Geschichte, aber nichts mit Bayern zu tun hatten. Darauf reagierend schlug Markus Naumann, Vorsitzender des Heimatvereins (Mitveranstalter des Abends) vor, auch das „Landhaus“ in Kempten als Ort der Demokratie anzusehen und mit einer Tafel vor Ort darauf hinzuweisen.

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