Cannabis-Gesetz soll Dealer arbeitslos machen – doch für viele Kiffer bleibt nur der Schwarzmarkt

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Das Cannabis-Gesetz kommt, doch eigentlich plante die Ampel eine andere Legalisierung. Was bedeutet dieses Gesetz für Schwarzmarkt und Jugendschutz?

Die Ampel stellt die Weichen für eine fundamental neue Drogenpolitik: Am Freitag stimmte die Koalition im Bundestag für das Cannabis-Gesetz. Durch das Cannabis-Gesetz wird die Droge entkriminalisiert sowie der Anbau erlaubt. In puncto Schwarzmarktbekämpfung hat das Gesetz allerdings Mängel.

Cannabis-Gesetz: Das ist geplant

Im Kern sieht das Cannabis-Gesetz folgende Punkte vor: Cannabis wird im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen gestrichen. Erlaubt ist auch der Besitz bestimmter Menge. In der Öffentlichkeit darf man fortan 25 Gramm mit sich führen, zu Hause 50 Gramm. Außerdem sind für Erwachsene der private Eigenanbau sowie Anbau und Weitergabe in Anbauvereinigungen, den Cannabis-Clubs, erlaubt.

Ein Club darf maximal 500 Mitglieder haben und an einem Tag höchstens 25 Gramm Cannabis sowie im Monat höchsten 50 Gramm je Mitglied verteilen. Für 18- bis 21-Jährige sollen monatlich 30 Gramm mit höchstens zehn Prozent Tetrahydrocannabinol (THC) zulässig sein, das ist der Stoff mit der Rauschwirkung. Die Clubs sind als nicht kommerzielle Vereine zu organisieren und brauchen eine Erlaubnis, die befristet gilt. Das Anbaugebäude darf keine Wohnung sein und keine auffälligen Schilder haben. Werbung ist tabu, auch Cannabis-Konsum direkt vor Ort. Anbauflächen und Lager müssen gesichert werden, für Transporte sollen Regeln gelten.

Eigentlich plante die Ampel eine andere Cannabis-Legalisierung

Eigentlich hatte die Ampel etwas anderes vor. Im Koalitionsvertrag war die Rede von der „kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“. Von diesem Plan haben sich Karl Lauterbach und Co. – auch wegen EU-Recht – längst verabschiedet.

Damit bleibt auch fraglich, ob die Koalition eines ihrer Kernziele überhaupt erreicht: die Eindämmung des Schwarzmarkts. Kiffer haben fortan zwei Möglichkeiten: selbst anbauen oder Club-Mitglied werden. Wer das nicht will oder nur spontan am Wochenende einen Joint rauchen will, dem bleibt nach wie vor nur der Schwarzmarkt.

Cannabis-Gesetz hilft vor allem Vielkonsumenten

Bedeutet auch: Dieses Gesetz hilft vor allem den Vielkonsumenten. Sie werden durch die Entkriminalisierung nicht mehr stigmatisiert und strafrechtlich verfolgt. Das ist nichts weniger als eine drogenpolitische Revolution. Das erklärte auch Burkhard Blienert, Drogenbeauftragter der Bundesregierung, im Interview mit unserer Redaktion:

Herr Blienert, viele Menschen rechneten mit dem unkomplizierten, legalen Kaufen von Gras. Jetzt ist zunächst ein Zwei-Säulen-Modell mit Cannabis-Clubs geplant. Was macht jemand, der am Wochenende spontan einen Joint rauchen will, aber kein Club-Mitglied ist? Dann bleibt ja nur der Weg zum Dealer?

„Ja, deshalb müssen wir die zweite Säule in Angriff nehmen, und damit den Gesundheitsschutz auch für die Gelegenheitskonsumierenden. Damit niemand mehr, der unbedingt konsumieren will und sich davon auch nicht abbringen lässt, beim Dealer an der Straßenecke gestrecktes Gras kaufen muss. Wir müssen endlich ehrlich eingestehen, dass Cannabis in Deutschland nicht nur von einigen wenigen Menschen, sondern eben doch von mehreren Millionen konsumiert wird.“

Burkhard Blienert im Interview mit IPPEN.MEDIA in seinem Büro.
Burkhard Blienert im Januar im Interview mit IPPEN.MEDIA. © Yvonne Reißig

Die Ampel verteidigt ihr Gesetz in diesem Punkt vehement. Gesundheitsminister Karl Lauterbach will sogar zwei Drittel des Schwarzmarkts eindämmen. Oberstes Ziel sei es, den illegalen Cannabis-Verkauf durch kontrollierte Abgabe einzudämmen, sagte er zuletzt im Sender phoenix. Immer mehr junge Menschen konsumierten Cannabis mit zum Teil toxischen Konzentrationen und Beimengen. „Wir haben einen Schwarzmarkt, der ganz gezielt versucht, junge Menschen zu erreichen, abhängig zu machen und auf andere Drogen umzustellen.“ Lauterbach fasste seinen Plan so zusammen: „Die Teil-Legalisierung kombiniert mit härteren Strafen bei Dealerei mit Kindern und Jugendlichen, einem [Konsum]Verbot bei Kindern und Jugendlichen und besserer Aufklärung – das könnte ein Weg sein.“

Cannabis und Jugendschutz: „Es gibt den berechtigten Hinweis aus medizinischer Sicht“

Neben dem Schwarzmarkt-Aspekt gibt es noch einen weiteren Kritikpunkt: den Jugendschutz. So argumentieren Kinder- und Jugendverbände, dass übermäßiger Cannabiskonsum für junge Menschen schädlich sei und zum Beispiel Psychosen auslösen könne. Blienert sagt dazu: „Es gibt den berechtigten Hinweis aus medizinischer Sicht, dass Cannabiskonsum im Alter von unter 25 Jahren extrem ungesund und mit langfristigen psychischen und physischen Schäden verbunden sein kann. Das liegt insbesondere an der noch nicht abgeschlossenen Hirnreife.“ Dennoch stärke das Gesetz den Jugendschutz. „Denn gerade in der Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen konsumieren viele und die würden dann alle weiterhin zum Dealer gehen, der ihnen viel gefährlicheres Cannabis verkauft“, so Blienert.

Auch Lauterbach sagte bei der Debatte im Bundestag, das Gesetz stärke den Jugendschutz. „Die Daten, die wir aus Kanada oder Colorado haben, zeigen: Die Legalisierung hat dort dazu geführt, dass der Konsum bei Jugendlichen nicht gestiegen ist.“ Dort ist Cannabis bereits legal. Man folge mit diesem Gesetz der Wissenschaft, so Lauterbach. Überzeugen konnte der Minister, einst selbst Legalisierungsgegner, seine Kritiker damit nicht. Die Debatte im Bundestag war geprägt von Zwischenrufen („Fake News“) und Gegenwind. Letztlich stimmte aber eine Mehrheit im Bundestag dafür. Auch die Linke unterstützte das Cannabis-Gesetz bei 407 Ja-, 226 Nein-Stimmen und vier Enthaltungen. Insgesamt hält das Cannabis-Gesetz aber weniger als er einst versprochen hat. Lesen Sie dazu unseren Kommentar: Überfällig, aber schlecht gemacht: Dieses Cannabis-Gesetz lässt Dealer jubeln. (as)

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