Auszeit vom Alleinsein

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Das gemeinsame Mittagessen im Bunten Haus von Miesbach ist den Teilnehmern des Montag-Miteinands wichtig. „Auszeit vom Alltag“ nennt eine Teilnehmerin das wöchentliche Treffen. © Paul Winterer

Montags-Miteinand heißt die Runde, die sich seit zwei Jahren regelmäßig zu Wochenbeginn im Bunten Haus in Miesbach trifft. Die überwiegend allein lebenden Senioren verbringen dann mehrere Stunden miteinander. Es wird viel geredet, aber auch interessante Vorträge stehen auf der Tagesordnung. „Auszeit vom Alltag“ nennt es eine von ihnen. Wichtig ist den Frauen und Männern aber noch etwas anderes.

Es wird ruhig im Saal. Das geschäftige Durcheinander Dutzender Stimmen weicht dem Klappern von Geschirr. Rasch setzen sich alle an die Tische und warten aufs Essen. Es gibt Kartoffel-Blumenkohl-Auflauf. Das Montags-Miteinand der evangelischen Kirchengemeinde Miesbach ist in vollem Gange – für viele der rund 40 Teilnehmer eine willkommene Ablenkung vom tristen Alltag allein daheim.

Das Treffen findet nicht nur unterm Dach des Bunten Hauses statt, die Kirchengemeinde ist auch Träger des im Herbst 2022 ins Leben gerufenen „Seniorentreffs der etwas anderen Art“, wie Karlheinz Seybold sein „Kind“ nennt. Der 70-Jährige legt aber Wert auf die Feststellung, dass das Montags-Miteinand kein Geld von der Kirche bekommt. „Wir finanzieren uns komplett selber.“ Die Initiative wird deshalb von der diesjährigen Aktion „Leser helfen Lesern“ der Heimatzeitung finanziell unterstützt.

Seybold weiß es noch ganz genau: „Sofort nach der Weihe des Bunten Hauses hatten wir die erste Zusammenkunft. Damals waren es gerade einmal acht Leute.“ Mittlerweile kommen jeden Montag zwischen 30 und 40 Menschen, die jüngste 58, der älteste 92. Die Vereinsamung alleinstehender Senioren habe während der Corona-Pandemie zugenommen. „Das Montags-Miteinand bietet ihnen die Möglichkeit, wenigstens einmal die Woche andere Menschen zu treffen, sich auszutauschen und – ganz wichtig – gemeinsam zu essen.“ Schon beim Frühstück ab 9.30 Uhr gibt es Schnittchen zum Kaffee und nach dem Mittagessen noch einmal Kaffee und Kuchen, den die guten Geister der Runde und immer öfter auch Seniorinnen backen.

Traudl Schreier hat nicht nur beim Servieren des Mittagessens alles unter Kontrolle. Die 76-Jährige achtet darauf, dass die gefüllten Teller rasch verteilt werden. Dann wünscht sie mit kräftiger Stimme „Guten Appetit“ und die Gruppe lässt es sich schmecken.

Schreier hat die Initiative zusammen mit Seybold aus der Taufe gehoben. „Es war für mich überhaupt keine Frage, das zu machen, ich engagiere mich ehrenamtlich, seit ich berufstätig wurde.“ Die einst im Maschinenbau tätige kaufmännische Angestellte ist auch für die regelmäßigen Vorträge zuständig, mit denen jedes Montags-Miteinand beginnt. Neben einem Imker, Bürgermeistern, Abgeordneten und Schriftstellern war auch schon ein Redakteur der Heimatzeitung als Referent geladen.

Die Aktion „Leser helfen Lesern“

Von der Aktion „Leser helfen Lesern“ unserer Zeitung profitieren heuer der BRK-Kreisverband Miesbach, der ein Herzenswunschmobil für Todkranke etablieren möchte, das Montags-Miteinand und die soziale Beratung für Menschen in Krisensituationen im Bunten Haus in Miesbach sowie der Förderverein Warmbad Miesbach, der der im Zuge der Sanierung des Freibads Barrierefreiheit herstellen und einen attraktiven Kinderbereich realisieren will.

„Es ist eine Auszeit vom Alltag, wir freuen uns jedes Mal, wenn wir zusammenkommen“, sagt eine gehbehinderte Frau. Mit 60 ist sie mit die Jüngste, hat Hündchen Cara immer an ihrer Seite. „Gemeinsam zu essen ist viel schöner als allein daheim.“ Während es sich Cara auf dem Schoß von Wolfgang Killar gemütlich macht, meint der für den Fahrdienst von Gehbehinderten zuständige 66-Jährige nur: „Was soll ich alleine daheim.“

Auch Hans Daxner gefällt es in der Runde. „Ich komme deshalb her, weil letztes Jahr meine Frau gestorben ist“, erzählt der 82-Jährige. Peter und Christel Schimkat wurden von Nachbarn auf das wöchentliche Treffen im Bunten Haus angesprochen. „Seitdem wissen wir, wo wir jeden Montag hingehen“, schildert der 83-Jährige. Roland Müller berichtet, er sei von seiner Frau Heidi „zum Mitkommen gezwungen worden. Sie hat gesagt, du gehst mit, damit du etwas lernst. Also geh ich halt hin“, sagt der 82-Jährige nicht ganz ernst gemeint.

Das Alleinsein hat auch Josefa Budai satt, die zum Helferkreis im Montags-Miteinand gehört. „Daheim kriegst doch bloß Depressionen.“ Helferin Klara Fischer pflichtet ihr bei: „Es ist immer so lustig hier.“ Als es nach Kaffee und Rüblitorte langsam ans Aufräumen geht, will Traudl Schreier noch das für sie schönste Kompliment aus dem Teilnehmerkreis loswerden. Eine Frau habe kürzlich zu ihr gesagt: „Das Montags-Miteinand müsste eigentlich Jungbrunnen-Treff heißen.“

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