Melonis Plan zur Migrationsbewältigung verzögert sich: Lagerbau noch nicht abgeschlossen
Der Start des Albanien-Deals verschiebt sich, da die Lager noch nicht fertig sind. Innenminister Herrmann ist aus Neugier dennoch bereits vor Ort.
Gjader, irgendwo in der Einöde Albaniens, ein Dorf mit gerade mal 2000 Einwohnern. Ein Ort, an dem vor allem ältere Menschen leben, weil es hier für Jüngere nichts gibt. Kühe, Ziegen, alte Bunker. Früher war hier mal einer der geheimsten Militärflugplätze der Welt: Anfang der 90er-Jahre hatte die CIA hier Drohnen stationiert, um Bosnien und Herzegowina und Jugoslawien auszuspionieren.
Heute sind die Soldaten schon lange weg. Bis vor wenigen Monaten lag das Gelände brach. Doch inzwischen steht Gjader wieder im Fokus der internationalen Aufmerksamkeit: Denn hier wird in Kürze ein Flüchtlingslager entstehen, das – so hoffen es jedenfalls Befürworter – ein Durchbruch in der europäischen Asyl-Frage sein soll.
Italienischer Balkan-Plan: Asylzentren in Albanien verzögern sich
Der Albanien-Deal ist ein Projekt der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni: Er sieht vor, dass Italien in dem Nicht-EU-Land zwei Asylzentren betreiben darf, in das ausdrücklich Migranten gebracht werden, die von der italienischen Küstenwache aus dem Mittelmeer gerettet werden und aus sicheren Herkunftsländern stammen. Ein Zentrum soll in der nordalbanischen Hafenstadt Shengjin entstehen – dort werden die Migranten registriert. Danach werden sie mit Transportern in das etwa 20 Kilometer entfernte Gjader gebracht.

Eigentlich hätte gestern alles in Betrieb gehen sollen, doch das Lager in Gjader ist noch nicht fertig. Die Hitze mache den Arbeitern zu schaffen, heißt es. Neuer Termin: irgendwann im September. Europa blickt mit Neugier auf die italienischen Balkan-Pläne. Gestern ist Bayerns Innenminister Joachim Herrmann in Albanien unterwegs gewesen, um mehr über das Projekt zu erfahren. „Man ist hier auf der Zielgeraden“, erzählt der CSU-Politiker unserer Zeitung.
Italien plant schnelle Asylverfahren und zentrale Unterbringung – Logistik bleibt unklar
Nach Gesprächen mit seinem albanischen Amtskollegen Erwin Hoxha und dem Premierminister Edi Rama ist er ziemlich optimistisch. „Aus meiner Sicht wirkt das alles viel solider als beispielsweise das britische Ruanda-Projekt: Weil die Asylzentren italienisches Hoheitsgebiet sind. So kann man sichergehen, dass alles nach europäischen Rechtsstandards abläuft.“
Das ist der Kern des Albanien-Modells: Italien, wo derzeit die meisten Migranten in der EU ankommen, will bis zu 3000 Flüchtlinge pro Monat in dem Nachbarland unterbringen. Dabei geht es vor allem um Männer. Frauen und Kinder sollen nach wie vor in Italien unterkommen. Rom bezahlt und verwaltet alle Strukturen – Albanien überlässt nur das Territorium. In den Lagern können die Menschen Asyl in Italien beantragen. Geplant ist, dass das Verfahren nicht länger als 28 Tage dauern soll – also sehr viel schneller als derzeit in Italien, wo sich das Ganze oft über mehrere Monate zieht.
Migranten mit einem positiven Asylbescheid sollen nach Italien gebracht werden – weil die Herkunftsländer der Migranten aber als sicher gelten, wird wohl die Mehrheit abgelehnt. Ist der Bescheid negativ, soll es zurück ins Heimatland gehen. Offen ist aber, wie genau das logistisch ablaufen soll – und wie lange den Migranten Abschiebehaft droht. Das Projekt ist sowohl in Italien als auch in Albanien heftig umstritten.
Meine news
Rom: Opposition kritisiert hohe Kosten des Albanien-Deals
In Rom beklagen Oppositionelle hohe Kosten (mindestens 650 Millionen Euro) für einen geringen Effekt: Sie befürchten, dass sich die Zahl der Migranten nur wenig reduziere. Menschenrechtler sprechen von gefängnisähnlichen Zuständen, denn die Menschen dürfen die Lager nicht verlassen. Der albanische Oppositionspolitiker Arlind Qori bezeichnet die Lager als „Guantanamo für Flüchtlinge“ – die Albaner hätten zudem Angst vor Ausbrüchen.
Tatsächlich geht es Rechtspopulistin Meloni in erster Linie um Abschreckung: Die Aussicht auf die haftähnlichen Zustände in Albanien sollen Menschen davon abhalten, sich überhaupt erst auf den Weg nach Europa zu machen. Aber auch die albanische Regierung hat ihre Interessen. So sichert sich das Land, das bereits seit vielen Jahren eine EU-Mitgliedschaft anstrebt, die Unterstützung aus Rom.
Albanien als Testfall für EU-Asylzentren
Auch bei den anderen EU-Staaten kann Albanien als verlässlicher Partner punkten, sollte sich das Projekt als eine geeignete Drittstaatenlösung für die irreguläre Migration in Europa erweisen. „Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Albanien und Italien eine traditionell sehr enge und besondere Verbindung haben“, sagt Joachim Herrmann. „Der Premierminister hat deutlich gemacht, dass sich andere Länder nicht einbilden brauchen, dort ebenfalls Asylzentren errichten zu dürfen.“ Trotzdem könne das der Startschuss für ähnliche Projekte in anderen Ländern sein, meint der Innenminister. Deshalb werde man jetzt „genau beobachten“, wie gut das in Albanien funktioniert. (Kathrin Braun)