Trainieren, hetzen, rekrutieren: Razzia bei NRW-Fightclub offenbart perfide Methode

Drei vermummte Männer posieren in martialischer Haltung, Waffen im Anschlag. In sozialen Medien inszenieren sie sich als Kämpfer des sogenannten „Active Club Ostwestfalen“ (AC) – einer mutmaßlich rechtsextremen Gruppierung, die gezielt Jugendliche anwirbt.

Mit Kampfsport, Wanderausflügen und Freizeitaktionen versucht der „Club“, junge Menschen in die Neonazi-Szene zu ziehen – ein brauner Fight-Club mit Kontakten zu anderen extremistischen Netzwerken wie der Freischar Westfalen.

Rechtsextreme Gruppe „Active Club Ostwestfalen“ rekrutiert Jugendliche

Die Gruppe fällt durch Hetzvideos gegen queere Menschen und Migranten auf. Als Kopf gilt der bekannte Rechtsextremist Daniel Kokott, der bereits im NRW-Verfassungsschutzbericht genannt wird. Nach Erkenntnissen der Polizei Bielefeld bestehen spätestens seit Frühjahr 2025 enge Verbindungen zwischen der Freischar und dem Active Club Ostwestfalen.

Pistole liegt neben Samuraischwert auf dem Boden

Durch Strukturermittlungen geriet der AC ins Blickfeld der westfälischen Staatsschützer. FOCUS online liegen etliche Fotos der braunen Kämpfer vor, die keinen Zweifel an ihren Zielen lassen.

Vor dem Monumental-Denkmal des deutschen Kaisers Wilhelm I. in Porta Westfalica breiteten sechs AC-Kombattanten eine Fahne mit dem Keltenkreuz aus. Das Symbol steht für die „Überlegenheit der weißen, nordischen Rasse“. Norwegische Nazis verwendeten es in den 1930er- und 1940er-Jahren. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen verschiedene faschistische Organisationen das Zeichen. Heute wird diese Version des Keltenkreuzes von Neonazis, Skinheads oder Mitgliedern des Ku-Klux-Klans benutzt.

Die ostwestfälischen AC-Mitglieder zeigten sich auch auf Bildern mit entblößtem Oberkörper nebst einem Banner, das den Römer-Bezwinger Hermann den Cherusker zeigt. Ein anderes Mal liegt eine Pistole neben einem Samuraischwert auf dem Boden. Allein durch den Blick auf die sichergestellten Fotos konnten die Ermittler nicht genau einschätzen, ob die Waffen echt waren oder nicht.

Razzia zeigt besorgniserregenden Trend der Neonazi-Szene

Am 1. Oktober schlugen die Strafverfolger schließlich zu. Bei sechs Beschuldigten im Alter zwischen 17 und 35 Jahren wurde durchsucht, darunter auch bei dem mutmaßlichen Anführer der Gruppe. Dabei handelt es sich um einen Unternehmer mit Büro-Sitz in Porta Westfalica. Die Polizeiaktion wurde durch einen massiven Einsatz von Spezialeinsatzkräften begleitet.

Bei der Aktion wurden unter anderem diverse Messer, eine Machete, eine Armbrust mit Pfeilen, ein Luftgewehr, eine Pistole ohne Munition und unterschiedliche Softair- sowie PTB-Waffen sichergestellt. Die Sicherheitsbehörden ermitteln wegen des unerlaubten Besitzes von Schusswaffen.

Die Razzia belegt einmal mehr einen besorgniserregenden Trend in der Neonazi-Szene. Laut dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) stammt das Konzept der „Active Clubs“ aus den USA. Rechtsextremistische Kampfklubs breiten sich demnach auch in mehreren europäischen Ländern aus.

Bundesweit Gründungen sogenannter „Active Clubs“

„Active Clubs“ sollen in Form lokaler (Kampf-)Sportvereine eine Brücke schlagen zwischen dem virtuellen Raum und persönlichem Kennenlernen. Aktivisten, die sich auf den von der rechtsextremistischen Szene propagierten Rassenkrieg am ‚Tag X‘ vorbereiten, sollen hierdurch eine realweltliche Plattform zum Austausch, zur Vernetzung und zum gemeinsamen Training erhalten“, heißt es in einer Analyse.

Seit dem Frühjahr 2024 stellen die Verfassungsschützer bundesweit Gründungen von „Active Clubs“ in Deutschland fest. „Sie nutzen hauptsächlich die Plattform Telegram, um über Kampfsport, Ästhetik und öffentlichkeitswirksame Propagandaaktivitäten junge weiße Männer anzusprechen und für das rechtsextremistische Spektrum zu gewinnen“, so das BfV.

Auf Anfrage der SPD Ende Mai im NRW-Landtag schätzte Innenminister Herbert Reul die „Mitgliederzahl innerhalb der drei in Nordrhein-Westfalen agierenden Active Clubs im unteren zweistelligen Bereich“. Inwieweit sich das Konzept der Active Clubs in Nordrhein-Westfalen nachhaltig etablieren werde, so der CDU-Politiker, sei derzeit noch unklar.

Netzwerke der gewaltorientierten extremen Rechten

„Nach den bisher gewonnenen Erkenntnissen entsprechen die Active Clubs zumindest in ihrer optischen Darstellung und ihren Betätigungsfeldern grundsätzlich den aktuellen ‚Trends‘ innerhalb des Rechtsextremismus, aber auch der nicht-extremistischen Jugendkultur.“ Als da wären: Gesundheit, Fitness, Kraft- oder Kampfsport.

Der Landesinnenminister geht davon aus, dass die Extremistenkader zunehmen werden. Das Gewalt- und Bedrohungspotenzial durch Active Clubs „ist vor dem Hintergrund eines voranschreitenden Ausbaus von Strukturen in Deutschland und einer internationalen Vernetzung, gepaart mit einem hohen Maß an Konspirativität und sichtbaren Rekrutierungsbemühungen insgesamt als potenziell erheblich zu bewerten.“ Gleichwohl gebe es noch keine Erkenntnisse über eine konkrete Gefährdung an Rhein und Ruhr.

Grundsätzlich handele es sich bei den Active Clubs um ein Netzwerk der gewaltorientierten extremen Rechten. Sozialen Medien komme für die Propaganda eine herausragende Bedeutung zu. „Seit Anfang April 2024 konnten zahlreiche Kanäle deutscher Active Clubs festgestellt werden“, führte Reul aus.

Zahlreiche Rechtsextremisten trainieren in Kleingruppen

Laut dem NRW-Lagebild zur braunen Szene trainieren zahlreiche Rechtsextremisten individuell oder in Kleingruppen – Ausdruck eines in der Szene verbreiteten Männlichkeitskults, der den Mann als „Krieger“ glorifiziert.

Das rechtsextreme Bekleidungslabel „White Rex“ propagiert diesen Geist mit Parolen über „Stärke“ und „Kampf“. Hinter dem Label steht unter anderem der Kölner Neonazi Denis Kapustin, der inzwischen mit einer Gruppe Freischärler in der Ukraine kämpft.