20 Jahre Classix Kempten: Festival „Dolce Vita“ — Kammermusik, Mozart, Tschaikowsky, Wolfram Bergers Lesung und Stegerst Blockflötenkunst.
Kempten – Das inzwischen 20-jährige Festival Classix Kempten hat sich durch die Jahre von einem eher elitären und ausgesuchten Festival für Kammermusik gewandelt zu einer offenen Bühne für alles, was schön und gut ist, aber auch oft gehört in der klassischen Musik. Wenn man offen ist, dann kann man unter der Rubrik „Internationales Festival der Kammermusik“ und dem diesjährigen Motto „Dolce Vita“, wie man feststellt, jedes Stück komponierter Musik der letzten 300 Jahre unterbringen, außer vielleicht eine Wagner-Oper oder eine Mahler-Sinfonie. Natürlich gefällt das dem Publikum, und ein Gewinn für Kemptens Kulturlandschaft ist jedes Stück Musik, das in einem Kemptener Konzertsaal zu hören ist.
Von Mozart bis Tschaikowsky
Bei der Donnerstagsabendveranstaltung war Mozarts Klavierkonzert KV 449 so ein Grenzfall. Nicht genuin der Kammermusik zuzurechnen kann man das Stück sogar vom Komponisten höchstselbst autorisiert mit kleiner Besetzung spielen. Das hieß in diesem Fall ohne Oboen und Hörner und nur mit jeweils einfach besetzten Streicherstimmen, die von verschiedenen Mitgliedern der Chaarts Chamber Artists übernommen wurden. Solist am Klavier war der französische Pianist Lucas Debargue, der sich im ersten Satz am klangmächtigen Steinway-Flügel erst in das neue Dynamikgleichgewicht ohne großes Orchester finden musste.
Spätestens in seiner Solokadenz fand er dann den richtigen Ansatz im späteren Wechselspiel mit seinen fünf Streicherkollegen. Trotzdem hatte man den Eindruck, dass er sich bei Mozart nicht so wohl fühlte wie bei Tschaikowskys Klaviertrio in a-Moll nach der Pause. Dieses gewichtige, 45-minütige Werk ist ein Höhepunkt der Kammermusikliteratur. Der immer etwas zögerliche Gestus von Lucas Debargue fand hier ein hinreißendes Gegenüber in seinen feurig stürmenden Mitspielern David Castro-Balbi an der Violine und dessen Bruder Alexandre am Violoncello.
Fortführung einer Tradition
Wer mit der Orchestersprache von Richard Strauss vertraut ist, findet in dessen Streichsextett, das eingebettet ist in seine letzte Oper „Capriccio“, Typisches und Vertrautes, in jedem Fall klassisch-moderne Schönheit, die die Chaarts Chamber Artists gleich zu Beginn des Konzerts wunderbar zelebrierten.
Am Freitagabendkonzert wurde dann schon fast eine Tradition fortgeführt, die immer sehr schön funktioniert hat, nämlich die Hinzunahme des gesprochenen Worts zu den Klängen der Musik. Klaus Maria Brandauer und Ulrich Tukur waren in den vergangenen Jahren bereits hier auf der Bühne mit Texten zu Mozart und Beethoven gesessen, diesmal der aus dem Fernsehen bekannte Schauspieler und Regisseur Wolfram Berger mit einem Programm, das vielleicht zunächst von Festivalleiter Andreas Fleck als italienisch-barocker Vortrag mit auflockernden Zwischentexten aus dem Leben des Giacomo Casanova konzipiert war. Im tatsächlichen Konzert wurde daraus aber ein schon fast filmisches Gesamtkunstwerk, dessen Sog sich niemand aus dem Publikum entziehen konnte.
Der Grund dafür lag neben dem gut ausgesuchten Originaltext von Casanova, der darin humorvoll und spannend seine Flucht aus den Bleikammern des Dogenpalasts schildert, an den Fähigkeiten Wolfram Bergers, diesen Text mit wunderbar beiläufigem und doch pointiertem, milde österreichisch eingefärbtem Timbre vorzutragen – besser als das beste Kino.
Dass die Musik in diesem Zusammenhang trotzdem nicht zu einer reinen Begleitmusik abfiel, lag in der Person von Maurice Steger, der seinen Ruf als einer der besten Blockflötisten der Welt mit Bravour einlöste. Sein großes musikalisches Engagement und Können hatte er bereits im Einführungsgespräch angedeutet, als er dem abgeklärten Wolfram Berger sein engagiert für die Musik eintretendes Temperament entgegensetzte. Genau dieses Wechselspiel setzte sich im Konzert fort: Mit seinen virtuosen und mitreißenden Blockflöten-Bearbeitungen von italienischen Barockkomponisten wie Vivaldi, Marcello und Albioni setzten Maurice Steger und seine Mitspieler einen Kontrapunkt zu den Texten, was die Zuhörerinnen und Zuhörer während des Konzerts immer wieder vor die Frage stellte, worauf will ich mich jetzt mehr einlassen: auf die spannende Geschichte oder diese unglaubliche Musik?
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