Millionenprojekt kurz vor Umsetzung: So soll die Ammer wilder werden

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Schongau
  4. Peiting

Kommentare

Zwischen Kalkofensteg und Schnalzwehr soll die Ammer ihr altes Bett zurückerobern. Dafür wird der bestehende Forstweg nach Norden verlegt. © Wasserwirtschaftsamt

Es ist ein aufwendiges Vorhaben, das der WWF mit dem Wasserwirtschaftsamt und den Staatsforsten vorantreibt: Im Bereich der Schnalzaue zwischen Kalkofensteg und dem Schnalzwehr soll die Ammer wieder mehr Raum bekommen.

Peiting – Die Ammer gilt als ökologisches Juwel und als einer der letzten Wildflüsse Deutschlands. Doch auch wenn sie in weiten Teilen frei fließen kann, sind auch an der Ammer die Einflüsse des Menschen nicht zu übersehen. Dazu gehört der Bereich der Schnalzaue, die sich zwischen Böbing und Peiting erstreckt.

Nachdem eine Abraumhalde des früheren Peitinger Bergwerks in den 1960er Jahren in den Wildfluss gerutscht war, wurde die Ammer beginnend am Kalkofensteg bis zum damals in diesem Zuge errichteten Schnalzwehr verlegt, begradigt und eingedeicht.

Schon seit über 15 Jahren gibt es Bestrebungen, diese menschengemachten Einschränkungen rückgängig zu machen und die Ammer aus ihrem künstlichen Korsett zu befreien. Im Rahmen des Hotspot-Projekts „Alpenflusslandschaften“ wurden unter Federführung des WWF und enger Abstimmung mit Wasserwirtschaftsamt und den Staatsforsten sowie den Gemeinden, Fischern, Tourismusverband und Naturschutz verschiedene Varianten für eine Renaturierung geprüft.

Weitere Rutschungen verhindern

In der jüngsten Sitzung des Peitinger Gemeinderats stellten Vertreter von WWF und Wasserwirtschaftsamt nun den aktuellen Stand des Projekts vor. Die Variante 2a, die umgesetzt werden soll, sieht als Erstes den Bau eines neuen Damms vor. Denn bevor die Ammer wieder ihr ursprüngliches Bett zurückerobern dürfe, müsse erst die Halde massiv gesichert werden, um weitere Rutschungen zu verhindern, erklärte Bernhard Müller, zuständiger Abteilungsleiter im Wasserwirtschaftsamt. Der Aufwand für die Böschungsarbeiten, die den Bereich ausreichend für ein tausendjähriges Hochwasser wappnen soll, ist groß. „Das sind die Hauptkosten der Maßnahme.“

Mit dem Bau des Damms soll der bestehende Wirtschaftsweg, der aktuell entlang der Ammer verläuft, nach Norden verlegt werden. Dieser führt künftig bis zum Ende der Halde, wo er als Fußweg bis zum bestehenden Wanderweg zum Kalkofensteg fortgeführt wird.

Sind diese Arbeiten erledigt, soll der bestehende Damm auf halber Strecke zwischen Steg und Schnalzwehr soweit geschwächt werden, dass die Ammer sich beim nächsten Hochwasser einen Weg in ihr ehemaliges Flussbett suchen kann. Rund 13 Hektar Auwald würden dadurch reaktiviert, so Müller. Sobald die Ammer das Schnalzwehr umfließt, soll das Bauwerk zurückgebaut werden.

Aktuell läuft laut dem Abteilungsleiter das Wasserrechtsverfahren, das bis Ende des Jahres abgeschlossen sein soll. Ob es mit dem Baustart Ende 2025 klappt, ist noch offen. „Aktuell sieht es eher nach Herbst 2026 aus.“ Da nur während der Wintermonate gearbeitet werden kann, geht man von drei Jahren Bauzeit aus.

Günstig wird das Vorhaben nicht. 2018 lagen die geschätzten Kosten laut Müller bei rund vier Millionen Euro. „Wir gehen davon aus, dass es teurer wird“, sagte er auf Nachfrage von Norbert Merk (CSU). Der finanzielle Aufwand werde vom Freistaat getragen.

„Radfahrer müssen nicht überall hin“

Im Gremium fand das vorgestellte Projekt viel Beifall. Marion Gillinger (ÖDP) sprach von einem „unheimlich wichtigen Schritt für den Naturschutz“. Er kenne den ursprünglichen Zustand noch aus Kindheitstagen, als er mit seinem Vater oft an der Ammer gewesen sei, sagte Herbert Salzmann (SPD). „Als Erwachsener hat mich das Wehr immer gestört, deshalb freue ich mich, dass es wieder so werden soll, wie ich es als Kind kannte.“

Michael Deibler (CSU) wollte wissen, ob die Veränderung des Flusslaufs den Lebensraum der Schlangen gefährde, die sich in der Schnalzaue sehr heimisch fühlten. Doch da konnte Müller beruhigen. Durch die Maßnahme würde mehr vielfältiger Naturraum für alle Arten geschaffen. Schlangen könnten zudem gut mit Überflutungen umgehen.

Fragen warf auch die neue Wegführung auf. Aktuell sei der Forstweg entlang der Ammer stark von Radlern frequentiert. Seien diese künftig nicht mehr erwünscht, wenn im letzten Abschnitt der neuen Verbindung nur noch von einem Wanderweg die Rede sei, erkundigte sich Deibler.

Tatsächlich werde der Kalkofensteg künftig nicht mehr mit dem Fahrrad erreichbar sein, bestätigte Müller. Denn Radeln sei nur auf dem Forstweg und nicht auf dem Wanderweg möglich. Für Gillinger eine Einschränkung, die man in Kauf nehmen könne. „Radfahrer müssen nicht überall hin.“

Kritik an hohen Kosten

Anders als viele seiner Ratskollegen sah Andreas Barnsteiner (BVP) das Projekt eher kritisch. Vor allem die hohen Kosten trieben ihn um. Doch Müller gab zu bedenken, dass auch die Alternative, das Wehr zu erhalten, ähnlich teuer käme. Schließlich müsste das Bauwerk irgendwann saniert und der Damm ständig instandgehalten werden. Diese Unterhaltskosten fielen künftig weg.

Bei den Kosten hakte auch Merk nochmal ein, der wissen wollte, warum man nicht einfach auf die teure Absicherung der Halde verzichte. Dagegen sprachen aus Müllers Sicht gleich zwei Dinge. Zum einen befänden sich in dem Abraum des ehemaligen Bergwerks Materialien, „die nicht in die Ammer gelangen sollten“. Zum anderen bestünde die Gefahr, dass sich der Fluss durch eine größere Rutschung aufstaue und es bei einem plötzlichen Durchbruch zu einer großen Flutwelle käme, erklärte er.

(Unser Schongau-Newsletter informiert Sie regelmäßig über alle wichtigen Geschichten aus Ihrer Region. Melden Sie sich hier an.)

Das Schlusswort gehörte schließlich Bürgermeister Peter Ostenrieder. Ihn freue das Projekt sehr. „Jetzt hoffen wir, dass die Schnalz auch damit ein schönes Naherholungsgebiet bleibt.“

Auch interessant

Kommentare