- Vietnam reformiert seine Ministerien - mit massivem Stellenabbau
Es sind drastische Schnitte: Die kommunistische Regierung Vietnams will im Rahmen umfassender Maßnahmen zum Rückbau der Bürokratie in den nächsten fünf Jahren jeden fünften Arbeitsplatz im öffentlichen Sektor abbauen.
Am Dienstag billigte das Parlament des Landes einen Beschluss zur Reduzierung der Zahl der Ministerien von 18 auf 14. Die Nationalversammlung billigte zudem die Ernennung von zwei neuen stellvertretenden Ministerpräsidenten. Damit liegt deren Gesamtzahl nun bei sieben.
Regierungsangaben zufolge sollen rund 100.000 Beschäftigte entweder entlassen werden oder das Angebot einer vorzeitigen Pensionierung erhalten.
Im Zuge der Umstrukturierung müssen sich staatliche Medienunternehmen, der öffentliche Dienst, die Polizei und das Militär auf Kürzungen einstellen. Die Ministerien für Verkehr, Planung und Investitionen, Kommunikation und Arbeit werden aufgelöst.
Das für die Genehmigung ausländischer Investitionsprojekte zuständige Planungs- und Investitionsministerium wird dem Finanzministerium angegliedert, während das Verkehrs- und das Bauministerium zusammengelegt werden. Auch das Ministerium für natürliche Ressourcen und Umwelt sowie das Landwirtschaftsministerium fusionieren.
Das Land hat die Zahl seiner Ministerien von 36 in den frühen 1990er-Jahren kontinuierlich auf 22 im Jahr 2021 reduziert. Nach Einschätzung von Analysten sind Ausmaß und die Geschwindigkeit der jüngsten Reformen außergewöhnlich. Der Generalsekretär der Kommunistischen Partei, To Lam, bezeichnete den Prozess gar als institutionelle "Revolution".
Wichtigste Ziele seien "die Modernisierung des vietnamesischen Staatsapparats, die Beseitigung von Hemmnissen hinsichtlich Regierungsführung und Wirtschaftswachstum sowie die Straffung einer aufgeblähten Bürokratie", sagt Nguyen Khac Giang, Gastdozent am ISEAS Yusof Ishak Institute, im DW-Gespräch.
Würden die Reformen erfolgreich umgesetzt, könnte dies den Ruf des ehemaligen Staatspräsidenten und derzeitigen Generalsekretär der Kommunistischen Partei Vietnams, To Lam, wie den von Premierminister Pham Minh Chinh stärken. Beide könnten fortan als "handlungsorientierte Reformer" gelten.
Ökonomisch seien die Reformen zwingend, sagte To Lam während der Sitzung des Zentralkomitees im November vergangenen Jahres. Die Institutionen stellten den größten Engpass des Landes dar. Die Reformen zielten darauf ab, die Regierung "schlank, kompakt, stark, effizient, effektiv und wirkungsvoll" zu machen.
Vietnamesische Medien zitierten diesen Monat die Einschätzung von Nguyen Dinh Cung, des ehemaligen Direktors des Zentralinstituts für Wirtschaftsmanagement, die Reformen dürften die wirtschaftliche Effizienz deutlich steigern. "Es kann viele Jahre dauern, bis ein Investitionsprojekt abgeschlossen ist", sagte er. "Bis dahin sind die ursprünglichen Geschäftsperspektiven unter Umständen bereits verstrichen."
Die Verschlankung der Ministerien und Kommissionen solle den bürokratischen Aufwand bei Investitionen sowie Infrastruktur- und Immobilienprojekten erleichtern, sagte Cung. Der Schritt würde auch institutionelle Überschneidungen beenden, die der Regierung widersprüchliche Schritte abverlangten: "Die eine verlangt, nach rechts, die andere, nach links zu gehen. Dieses Problem ist recht häufig."
Als exportabhängige Volkswirtschaft sieht sich Vietnam Unsicherheiten hinsichtlich seiner Handelsbeziehungen mit seinem größten Markt, den Vereinigten Staaten, gegenüber. Diese haben sich angesichts der neuen Präsidentschaft Donald Trumps zusätzlich verschärft.
Trump hatte Vietnam aufgrund seines großen, seit 2019 massiv zunehmenden Handelsüberschusses als "schlimmsten Missbraucher" des US-Handels bezeichnet. Zugleich drohte er mit der Einführung pauschaler Zölle von zehn bis zwanzig Prozent auf sämtliche Importe.
40 Jahre nachdem Vietnam die Prinzipien der freien Marktwirtschaft eingeführt hat, sei es heute ein Land mit unterem mittlerem Einkommen und gelte international als Modell einer erfolgreichen Entwicklungsmodell, sagt Hai Hong Nguyen von der VinUniversity.
"Doch sein institutioneller Rahmen gilt als Flaschenhals, der weitere wirtschaftliche Entwicklung behindert. Vietnam hätte sich schneller entwickeln können. Auch könnte es bereits auf einem höheren Entwicklungsniveau stehen."
Die Reformen haben auch eine politische Dimension. Nachdem sein Vorgänger Nguyen Phu Trong im Juli 2024 verstarb, trat To Lam im August das Amt des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei an. Nguyen Phu Trong hatte eine umfassende Antikorruptionskampagne in Gang gebracht. Auch To Lam bekämpfte als ehemaliger Minister für öffentliche Sicherheit die Korruption und erlangte so erhebliche Machtbefugnisse. Seit 2021 besetzen Beamte des Ministeriums für öffentliche Sicherheit, des Militärs und der Polizei zunehmend die Mehrheit der Sitze im Politbüro, dem höchsten Entscheidungsgremium.
Nach seinem Aufstieg ins höchste Amt der Partei baute To Lam seine Macht weiter aus. Das trug ihm den Vorwurf diktatorischer Tendenzen ein. Anfang des Jahres hatte er kurzzeitig sowohl die Ämter des Parteichefs als auch des Staatspräsidenten inne - eine in Vietnam nahezu beispiellose Machtkonzentration.
Auch der Zeitpunkt der Reformen ist bedeutsam: Sie erfolgen nur ein Jahr vor dem Parteitag der Kommunistischen Partei im Jahr 2026, der über eine weitere Amtszeit To Lams entscheiden muss. Die Bestätigung To Lams gilt unter den meisten Analysten zwar als wahrscheinlich. Gerüchten zufolge herrscht in Teilen der Partei allerdings durchaus Unzufriedenheit mit ihm.
Einige Beobachter ziehen Parallelen zwischen den institutionellen Reformen Vietnams und den Plänen der künftigen Trump-Administration, die US-Regierung umzugestalten. Der ehedem in Vietnam tätige US-Diplomat David Brown sagte, Trumps Vorgehen ziele darauf ab, seine Kontrolle über die Regierung zu festigen. Ebenso versuche To Lam, Vertraute in Schlüsselpositionen zu bringen. Dies gehe einher mit einer längst überfälligen Reform der Regierungsstruktur.
Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.
Von David Hutt
Das Original zu diesem Beitrag "Vietnam reformiert seine Ministerien - mit massivem Stellenabbau" stammt von Deutsche Welle.