„Ältester und größter“ Vertrag zwischen Russland und Europa läuft aus - mit drastischen Folgen
Europa will kein russisches Gas mehr im Energiemix haben. Ein Vertrag läuft demnächst aus. Einige Länder aber wollen weiter russisches Gas beziehen.
Brüssel – Noch immer fließt jede Menge russisches Gas von Russland über die Ukraine nach Europa. Einige Länder sind fast abhängig, finden keine Alternativen. Österreich zum Beispiel will sich seit längerer Zeit von diesen Gaslieferungen freimachen, ist jedoch noch vertraglich an den russischen Mega-Konzern Gazprom gebunden. Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs sind Russlands Einnahmen aus Gasverkäufen drastisch zurückgegangen – so stark, dass Gazprom enorme Verluste zugegeben hatte. Die Ukraine ist eisern, diese Verluste zu vergrößern.
Ukraine lässt Vertrag auslaufen – Steht das Aus für russisches Gas bevor?
Zum Ende des Jahres 2024 läuft einer der „ältesten und größten“ ökonomischen Verträge zwischen Russland und Europa aus. Er hatte jahrelang den Transport von russischem Gas durch die Ukraine geregelt, aber angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine hat das angegriffene Land keinerlei Intentionen, diesen Vertrag zu verlängern oder ein Äquivalent zu unterschreiben. Innerhalb Europas sorgt das derzeit für heftige Diskussionen. Konkret geht es hier um Mitgliedstaaten, die von einem Ausbleiben des Transports betroffen wären.

Wie das Handelsblatt berichtet, befinden sich die Bundesregierung und die Europäische Kommission in Gesprächen mit den betroffenen Staaten. Eine Sprecherin der Kommission habe eine Zusammenarbeit mit den EU-Mitgliedern bestätigt. Heikel an der Sache ist vor allem der Umstand, dass einige Länder (vorrangig in Osteuropa) stark von den Lieferungen abhängig sind. Sollte sich die Ukraine eisern zeigen, könnte das drastische Folgen für die Energiesicherheit dieser Länder haben.
REPowerEU – Europa soll ohne russisches Gas auskommen
Zu den am meisten betroffenen Ländern gehören Österreich, die Slowakei, Ungarn und Tschechien. Auf Anfrage durch IPPEN.Media teilte das österreichische Klimaschutzministerium mit, dass der Anteil von russischem Gas an allen Netto-Gasimporten Österreichs im Jahr 2023 rund 65 Prozent betragen hatte. „Jedenfalls würde auch ein möglicher Ausfall russischer Gaslieferungen via Ukraine ab dem 1. Januar 2025 zu keiner Gasmangellage in Österreich führen. Die Österreichische Energieagentur (AEA) hat gemeinsam mit dem Energieregulator E-Control mögliche Energieversorgungsszenarien durchgerechnet“, erklärte das Klimaschutzministerium.
Die Gasspeicher in Österreich seien zu 83 Prozent gefüllt, der Gasverbrauch werde „erneut unter dem Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2022“ liegen. Österreich habe seine Importkapazität via Italien und Deutschland ausgebaut. „Eine Versorgung Österreichs und die Befüllung der Gasspeicher ohne russisches Gas ist daher bereits jetzt mit der bestehenden Infrastruktur und Importen aus Deutschland und Italien möglich.“ Mögliche Preissprünge seien höchstens kurzfristiger Natur, ein Ausfall des Ukraine-Transits werde keine Verwerfungen am europäischen Großhandelsmarkt auslösen.
Das slowakische Wirtschaftsministerium hatte dazu noch kein Statement abgegeben. Wichtig dabei: All diese Länder wollen sich am REPowerEU-Programm beteiligen, das unter anderem beinhaltet, dass der Kontinent bis spätestens 2027 kein russisches Gas mehr beziehen will. Laut dem Carnegie Russia Eurasia Center sind die betroffenen Länder, vor allem die Slowakei, Österreich und Ungarn, allerdings auch von Pragmatismus getrieben. Einige haben nicht wirklich eine Wahl.
Meine news
Ein größeres Problem liegt nämlich darin, wie die Gasinfrastruktur aufgebaut ist. Russisches Gas gelangt über zwei Pipelines nach Europa, jede davon kann rund 14 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr transportieren. Die erste ist die TurkStream-Pipeline, die (gemeinsam mit der Erweiterung Balkan Stream) unter dem Schwarzen Meer verläuft und die Türkei, Bulgarien, Serbien und Ungarn beliefert. Die zweite Pipeline führt durch die Ukraine und mündet in der Slowakei.
Diese Staaten brauchen russisches Gas – und finden nur schwerlich Alternativen
Einige Länder kommen bei den künftigen Einschränkungen bei den Gaslieferungen besser weg als andere. Laut Carnegie Politika hatte sich das österreichische Energieunternehmen OMV bereits geäußert und geht davon aus, auch ohne russisches Gas zurechtzukommen. Der große Vorteil ist, dass jede Menge Pipelines durch Österreich verlaufen. Die österreichische Energieministerin Leonore Gewessler hatte während der letzten Monate verstärkt gefordert, dass das Land sich von russischem Gas unabhängig machen müsse. Aktuell stecke Österreich jedoch noch in Langzeitverträgen mit Gazprom, die unter dubiosen Vorzeichen zustandekamen und bis 2024 laufen.
Italien wiederum hat ebenfalls Alternativen, auch wenn die zuweilen teurer sind als die russischen Gaslieferungen. Sowohl Algerien als auch Aserbaidschan könnten Italien beliefern, außerdem verfügt Rom über mehrere LNG-Terminals.
Für Ungarn ist das Ganze etwas komplizierter, aber das Land könnte russisches Gas immer noch über TurkStream beziehen. Und die Slowakei soll angeblich gar keine Alternativen haben. Es könnte Gas über deutsche LNG-Terminals beziehen. Der slowakische Premierminister Robert Fico hatte bereits vorgeschlagen, dass die Ukraine einen Transportvertrag mit Russland ausmachen sollte, den europäische Unternehmen dann unterschreiben – letztere würden dann effektiv russisches Gas an der russisch-ukrainischen Grenze kaufen und dann die Ukraine damit beauftragen, das Gas zu transportieren.
Ende 2024 ist Schluss für russisches Gas – Europa ist sich uneins
Europa ist in dieser Frage klar geteilt. Zwar könnte das Beharren der Ukraine auf dem Ende der Lieferungen Europa endlich von russischem Gas unabhängig machen, aber diejenigen Staaten, die ihr Gas noch aus der Ukraine beziehen, sind teils noch stark für diese Lieferungen. Dem Handelsblatt zufolge steht zu befürchten, dass Teile der EU aktuell eher darüber verhandeln, wie man die Transite „verschleiert“ fortführen könnte, anstatt über ihr Ende.
Zu Jahresbeginn 2024 hatte die EU noch 18 Prozent ihres Gases aus Russland importiert. Ohne die Ukraine-Pipeline wären es laut der Brüsseler Denkfabrik Bruegel 13 Prozent gewesen. Russlands Präsident Wladimir Putin sucht nach Alternativen, um russisches Gas loszuwerden – tut sich damit jedoch schwer.
Die Ukraine ist nach wie vor eisern, was die Beendigung der Lieferungen angeht. Der ukrainische Energiekonzern Naftogaz hatte bereits angekündigt, eine Verlängerung des Vertrags abzulehnen. Laut der Nachrichtenagentur Reuters läuft der Vertrag zwischen Moskau und Kiew bereits seit 2019, zum Ende Dezember 2024 soll die Übereinkunft enden. (Laernie mit Reuters)