Entscheidung gefallen: Großes Rückhaltebecken am Bachfeld soll Peiting vor Hochwasser schützen
Es wird eines der bedeutendsten Vorhaben, das die Gemeinde Peiting trotz klammer Kassen angeht: der Hochwasserschutz. Seit zehn Jahren beschäftigt das Thema die Kommune. In einer entscheidenden Sitzung am Dienstagabend sind nun die Würfel für eine große Damm-Lösung gefallen.
Peiting – Das Szenario ist schnell erklärt: Peiting bereitet sich auf ein Jahrhundert-Hochwasser vor – angesichts der immer öfter auftretenden Extrem-Wetterlagen kein abwegiger Gedanke. Statistisch gesehen ist die Sache einfach: Alle hundert Jahre könnte Peiting vom Hochwasser betroffen sein, die Peitnach, wie im Jahr 1999 über die Ufer treten und den Ortskern fluten. Die Fakten: Im schlimmsten Fall beträgt die Durchflussmenge in der Peitnach 22,45 Kubikmeter pro Sekunde, maximal 14 Kubikmeter davon könnten „schadlos abgeleitet werden“, so Daniel Groß vom federführenden Planungsbüro. Dann hieße es im Ort Land unter. Betroffen von einem Jahrhundert-Hochwasser wären laut Berechnung des Fachbüros, das seit Jahren mit dem Markt Peiting zusammenarbeitet, offiziell 27 Hauptgebäude und 33 Nebengebäude im inneren Ortsbereich.
Eine ordentliche Lösung mit Hochhalterückbecken am Bachfeld ist nicht nur der Favorit des planenden Unternehmens, das sich seit Jahren mit der Lage in Peiting befasst. Auch der Marktgemeinderat hat sich am Dienstagabend nach kontroversen Diskussionen mehrheitlich für diese als eine von insgesamt neun sorgfältig geprüften Varianten entschieden.
Der Schutz der Bürger kommt die Gemeinde teurer zu stehen, als zunächst angenommen. Lagen die geschätzten Kosten für das schwimmgesteuerte Hochwasserrückhaltebecken im Jahr 2022 noch bei rund 4,8 Millionen Euro, so geht man beim Planungsbüro aufgrund von Kostensteigerungen inzwischen von einer Investitionssumme von sechs bis zehn Millionen Euro aus. Allerdings gefördert vom Freistaat mit 50 bis 75 Prozent. Der für Peiting zu erwartende Wert liegt bei 60 Prozent an Fördermitteln.
Die Eckdaten des Rückhaltebeckens: Die Dammlänge beläuft sich auf 740 Meter. Die Dammhöhe liegt bei rund acht Metern. Maximaler Einstau: rund 200 000 Kubikmeter. Maximale Einstaufläche: 114 500 Quadratmeter.
Heiße Diskussionen am späten Abend
Nach heißen Diskussionen in der öffentlichen Dienstags-Sitzung (siehe Kasten) hob am Ende zu später Stunde doch die Mehrheit der Gemeinderäte nach zehn Jahren Planung die Hand für die Variante Rückhaltebecken am Bachfeld.
Es ist am Ende nicht nur ein Akt der Loyalität denen gegenüber, die ein Gebäude in der Nähe der Peitnach besitzen und durch das Rückhaltebecken an Sicherheit für ihre Gebäude gewinnen. Denn die rechtliche Lage besagt ganz klar: Der Markt haftet, wenn er diese Anlieger nicht schützt.
Martin Mühlegger vom Wasserwirtschaftsamt erklärte es in der Sitzung so: „Die Gemeinde ist zum Ausbau verpflichtet, wenn es dem Wohl der Anlieger dient.“ Sprich: Kommt es zu Extremfall in Peiting, und die Gemeinde ist die Investition ins Rückhaltebecken nicht angegangen, „dann haben die Betroffenen Schadensersatzansprüche gegenüber der Gemeinde“.
Meine news
Anlass genug, für alle Gemeinderäte, an diesem Abend das eigene Abstimmungsverhalten namentlich festhalten zu lassen. Denn tatsächlich kann jeder Rat, der nicht für das Hochwasserrückhaltebecken stimmt, persönlich regresspflichtig gemacht werden. Andreas Barnsteiner und Josef Sellmeier (beide Bürgervereinigung Peiting), sowie Alfred Jocher stimmen trotzdem gegen das Projekt. Jocher, weil er sich eine dezentrale Lösung gewünscht hatte (“Wir müssen mit einfachen Mitteln was bewegen!“). Barnsteiner, weil er zu viel landwirtschaftliche Fläche verschwendet sieht. Und Sellmeier, der andere Lösungen, wie das Reduzieren der Fließgeschwindigkeit der Peitnach bei der Lamprecht-Unterführung favorisiert.
Rein optisch wird das Rückhaltebecken selbst die Anwohner nicht groß belasten: In der Regel ist das Becken nebst begrünter Staumauer trocken und optisch kaum wahrzunehmen, versprechen die Fachleute. „Das fügt sich gut ins Gelände ein“, verspricht Planer Daniel Groß.
Nach vielen diskussionsreichen Jahren brauchen die Peitinger trotz der Entscheidung des Gemeinderats allerdings noch Geduld. Denn bis das Projekt Hochwasser-Schutzbecken realisiert werden kann, dürften noch rund sechs Jahre ins Land gehen, hieß es in der Sitzung.
Das sagen die Gemeinderäte:
Neun Varianten haben die Planer vorgestellt, um Peiting bei einem Jahrhundert-Hochwasser vor den Fluten der Peitnach zu schützen. Freilich blieben die Diskussionen bei der Debatte ums Regenrückhaltebecken am Bachfeld da nicht aus. Franz Seidel (BVP) räumte ein, dass er viele Diskussionen im Ort höre: „Das ist übertrieben, das brauchen wir nicht. Das kommt ja eh nicht.“
Franz Seidel selbst erklärte, dass er in der Angelegenheit jedoch eine andere Stellung beziehe. „Wir als Gemeinde haben Verantwortung und eine Fürsorgepflicht gegenüber dem Bürger, Schäden vorzusorgen.“ Ebenfalls für die Investition ins Rückhaltebecken sprach sich Michael Deibler (CSU) aus: „Das ist kein Damm wie in Ostfriesland keine riesige Geschichte. Um eine Entschärfung der Situation hinzubekommen, kann das nur legitim sein. Ich denke, dass wir den richtigen Weg beschreiten.“
Auch Marion Gillinger (ÖDP) vertrat diese Meinung: „Wir müssen verantwortungsvoll und vorausschauend planen. Ich sehe diese Maßnahme als dringend geboten an.“ Der Landwirtschaft käme hier eine wichige Rolle zu.
Ebenfalls die Landwirtschaft erwähnte Andreas Barnsteiner (BVP). Allerdings in völlig anderer Hinsicht: Er sieht landwirtschaftliche Flächen als vergeudet an. „Wir sprechen von einer besten landwirtschaftlichen Fläche mit elf Hektar, die wir hier hergeben.“ Vom Rückhaltebecken hält er rein gar nichts. „Eine hundertprozentige Sicherheit wird es nie geben. Die Peitnach ist kein wild reißender Gebirgsfluss“, begründete er. Sie hätte sich die letzten zehn Jahre auch reguliert, „die kann raus aus ihrem Bett und nach einer Woche ist alles wieder gut“.
Barnsteiner fürchtet indes auch: „Uns fliegen die Kosten um die Ohren! Das mit dem staatlichen Zuschuss von 50 bis 75 Prozent glaube ich erst, wenn ich’s im Geldbeutel hab. Ich bin gespannt, wie unsere Kommune das schultert.“
Als kein Freund des Rückhaltebeckens zeigte sich auch Alfred Jocher. Er sagte: „Ich bin ein Freund von dezentral.“ An dieser Stelle wies Herbert Salzmann (SPD) allerdings darauf hin, dass die Folgekosten einer solchen Lösung bekanntlich weitaus höher seien, da der Unterhalt mehrerer Bauwerke wesentlich deutlicher ins Kontor schlage. „Das ist für mich ein Grund, die dezentrale Variante abzuwählen“, konterte Salzmann.
Konkretisiert wurde dies von Bürgermeister Peter Ostenrieder: Bei einer dezentralen Lösung mit neun Anlagen, „ist eine Arbeitskraft permanent ausschließlich damit beschäftigt, die gemeindlichen Stauanlagen zu überprüfen“.
Für Norbert Merk (CSU) war die Stimme für das Becken eine ganz klare Angelegenheit. Er berief sich darauf, dass er „als Gemeinderat dem Gemeinwohl verpflichtet sei. „Wir reden heute über den Hochwasserschutz in und um Peiting. Es hilft nichts, wenn ich mit 16 Weißbiergläsern das Volumen eines Swimming Pools abdecken will“, gab‘s von Merk nochmal einen Seitenhieb in Sachen dezentrale Lösung.
Auch Alexander Zila (Unabhängige Peitinger) sprach sich in Ermangelung an Alternativen am Ende für das Rückhaltebecken am Bachfeld aus, auch wenn er davon nicht begeistert sei. „Ich bin kein Fan von dieser Variante, aber ich werde dafür stimmen“, erklärte er und erinnerte wie einige seiner Vorredner an das Pfingsthochwasser im Jahr 1999, als die Peitnach über die Ufer getreten war, und die Bachstraße kurz vor der Evakuierung gestanden hatte.
Ebenso auf ihre Verantwortung gegenüber den Bürgern berief sich Claudia Steindorf (SPD): „Wenn wir nichts machen und es passiert was: Können wir damit leben? Wollen wir diese Bürde tragen?“ Auch für Markus Heiß (BVP) war ein Ja keine Frage: „Wir treffen hier eine Entscheidung für die nächste Generation. Wenn wir nichts machen würden, wären wir fahrlässig.“ Unterstützung für ihn gab es von Petra Friebel (Grüne): „Es ist alles durchgekaut. Am Ende steht: Wollen wir das Gemeinwohl von allen gefährden? Es gibt nur eine Antwort.“